von Steven Levitsky, Daniel Ziblatt
ISBN: |
9783421048103 |
Verlag: |
DVA |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Umfang: |
320 Seiten |
Format: |
Hardcover |
Übersetzung: |
Klaus-Dieter Schmidt |
Erscheinungsdatum: |
29.05.2018 |
Preis: |
€ 22,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags
Ausgezeichnet mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis
Demokratien sterben mit einem Knall oder mit einem Wimmern. Der Knall, also das oft gewaltsame Ende einer Demokratie durch einen Putsch, einen Krieg oder eine Revolution, ist spektakulärer. Doch das Dahinsiechen einer Demokratie, das Sterben mit einem Wimmern, ist alltäglicher – und gefährlicher, weil die Bürger meist erst aufwachen, wenn es zu spät ist. Mit Blick auf die USA, Lateinamerika und Europa zeigen die beiden Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt, woran wir erkennen, dass demokratische Institutionen und Prozesse ausgehöhlt werden. Und sie sagen, an welchen Punkten wir eingreifen können, um diese Entwicklung zu stoppen. Denn mit gezielter Gegenwehr lässt sich die Demokratie retten – auch vom Sterbebett.
FALTER Rezension
Wie Demokratien dahinsiechen
Barbara Tóth in FALTER 25/2022 vom 24.06.2022 (S. 20)
Ein Putsch, eine Revolution: So rutschten früher Demokratien ins Diktatorische ab. Die Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt zeigen einen gefährlicheren, weil weniger spürbaren Weg der Entdemokratisierung: die schleichende Aushöhlung von innen, die selbst gefestigte Demokratien treffen kann. Besonders gefährlich ist es, wenn etablierte Mainstream-Parteien in Krisen nicht "staatstragend" agieren, sondern Extremisten eine Chance geben - in ihren eigenen Reihen wie als Koalitionspartner.
Demokratien sterben heutzutage in Zeitlupe
Barbaba Tóth in FALTER 22/2018 vom 01.06.2018 (S. 19)
Ein US-Bestseller analysiert, wie Demokratien schleichend unterwandert werden. Lesenswert – gerade aus österreichischer Sicht
Ein Putsch, eine Revolution: Das waren die Ereignisse, mit denen früher Demokratien ins Diktatorische abrutschten. Die beiden Harvard-Professoren Steven Levitsky und Daniel Ziblatt haben in ihrem in den USA viel diskutierten Bestseller „How Democracies Die“ zahlreiche Beispiele versammelt, die einen viel gefährlicheren, weil weniger spürbaren Weg der Entdemokratisierung aufzeigen: die schleichende Aushöhlung von innen, die selbst gefestigte, etablierte Demokratien treffen kann.
„Die Erosion der Demokratie geschieht für die meisten Bürger so gut wie unmerklich“, schreiben Levitsky und Ziblatt. Demokratien könnten heute „nicht von Generälen, sondern von Präsidenten oder Premierministern umgebracht werden (...), die genau jenen Prozess, der diese an die Macht gebracht hat, unterminieren“.
Levitsky und Ziblatt analysieren mögliche Stationen auf dem Weg ins Autoritäre, und wer ihr diese Woche auch auf Deutsch erscheinendes Buch liest, fühlt sich erschreckend oft an die österreichische Politik erinnert. Die beiden Politologen bringen historische und aktuelle Beispiele wie Hugo Chávez in Venezuela und Viktor Orbán in Ungarn, sie nennen die Philippinen, Polen oder die Türkei und Deutschland der 1930er. Solide, gute Verfassungen sind immens wichtig, ebenso wichtig sind aber die ungeschriebenen Regeln und Normen der politischen Auseinandersetzung. Levitsky und Ziblatt vergleichen das mit einem Basketballspiel in einem Hinterhof, das nach anderen Spielregeln abläuft als NBA-Spiele, aber funktioniert, solange sich alle daran halten, weil sie ja morgen weiterspielen wollen, auch wenn man heute verloren hat.
Zu diesen Regeln gehört etwa, den politischen Gegner zwar scharf zu kritisieren, ihm aber nicht die grundsätzliche Legitimität, am politischen Prozess teilzunehmen, abzusprechen. Dazu gehört auch, Schiedsrichter-artige Institutionen wie Höchstgerichte nicht infrage zu stellen. Aber auch die Presse, Interessenvertretungen und die Geheimdienste. Ein Blick zurück in die letzten beiden Jahre zeigt, dass die FPÖ gerade das gemacht hat. Sie hat versucht, den Verfassungsgerichtshof, den Verfassungsschutz und jetzt gerade den ORF systematisch zu desavouieren. „Wer ein Fußballspiel manipulieren will, nimmt sich zuerst die Schiedsrichter vor“, schreiben die Autoren.
Besonders gefährlich ist es, wenn etablierte Mainstream-Parteien in Krisen nicht das Wohl des Landes im Auge haben, also „staatstragend“ agieren, sondern Extremisten eine Chance geben – in ihren eigenen Reihen wie als Koalitionspartner. Levitsky und Ziblatt kritisieren aus US-Sicht natürlich vor allem die Republikaner, deren führende Leute entsetzt über Donald Trumps Kandidatur waren, aber dennoch diesem und nicht Hillary Clinton zum Sieg verhalfen.
Auf Österreich umgelegt lässt sich fragen: War es ein Fehler, dass führende ÖVPler zuerst Sebastian Kurz mit seinem an der FPÖ angelehnten Parolen an die Macht kommen und dann auch noch eine Koalition mit der FPÖ eingehen ließen? Levitsky und Ziblatt stellen diese Frage nicht, ihr Buch wurde vor Kurz’ Machtübernahme geschrieben. Aber sie bringen ein anderes interessantes Beispiel aus der österreichischen Politik, um zu zeigen, welche wichtige Wächterfunktion Mainstream-Parteien haben. Sie loben jene hochrangigen ÖVPler, die sich in der überparteilichen Wahlbewegung für Bundespräsident Alexander Van der Bellen engagierten, um den Extremisten Norbert Hofer zu verhindern. Dass dann ausgerechnet dieser Van der Bellen Hofer zum Verkehrsminister angeloben würde, wussten die Autoren damals noch nicht.