von Franz Nauschnigg
Die Regierung hat am Sonntag die ökosoziale Steuerreform verkündet. Doch wie „öko“ und „sozial“ ist sie? Die Probleme und Schwachstellen im Detail:
Es ist Konsens unter den meisten Ökonomen, dass ein CO2-Preis zentral für einen effektiven Klimaschutz ist. Dieser wird nun auch in Österreich eingeführt. Doch der CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne ist leider nur ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Er ist zu niedrig, um die gewünschten Lenkungswirkungen zu erzielen und die österreichischen Klimaziele zu erreichen. Strafzahlungen in Milliardenhöhe sind zu erwarten.
Ich arbeite in der „European Task Force on Carbon Pricing” mit, die sich in der EU und weltweit für eine CO2-Bepreisung einsetzt. Die jahrelange Kooperation der „Task Force“ mit China hat dazu beigetragen, dass China jüngst ein CO2-Handelssystem nach dem EU-Model eingeführt hat.
Schon 2013 habe ich in einem Artikel für das Buch „Powerlines Energiepolitische Entwicklungslinien Europas“ die Einführung einer CO2-Steuer von 30 Euro/Tonne, jährlich steigend, gefordert, sowie einen Grenzausgleichmechanismus gegen Wettbewerbsnachteile. Mein Vorschlag war damals, die Steuereinnahmen für ein grünes Wachstumsmodell zu nutzen, mit steuerlicher Entlastung von Arbeit und Belastung von Energie.
Im zentralen Bereich der CO2-Bepreisung hat die deutsche SPD bisher mehr getan als die österreichischen Grünen. In Deutschland wurde von Finanzminister Olaf Scholz Anfang 2021 ein CO2-Preis in der Höhe von 25 Euro je Tonne eingeführt, der bis 2025 auf 55 Euro steigt. Fossile Kraft- und Brennstoffe werden teurer. Die Einnahmen senken die unsozialen Stromabgaben für den Ausbau der Erneuerbaren.
Die türkis-grüne Steuerreform setzt im Wesentlichen die deutsche CO2-Steuer verspätet um, Mitte 2022 soll die CO2-Bepreisung starten und bis 2025 auf ebenfalls 55 Euro steigen. Eine neue deutsche Regierung wird vermutlich den CO2-Preis stärker erhöhen und damit zu Ländern wie Schweden oder Schweiz aufschließen.
In Österreich wird dagegen das Dieselprivileg weiterhin nicht beseitigt. Auch mit den Grünen in der Regierung bleibt das Land eine Steueroase für fossile Treibstoffe. Sie werden wesentlich geringer besteuert als in Deutschland, Italien oder der Schweiz. Sprit ist daher billiger und es kommt zu einem ausgeprägten Tanktourismus, insbesondere bei Lkw. Auch Mineralölsteuerbefreiung für Kerosin bleibt unangetastet.
Österreich befreit Landwirte beim Agrardiesel von der CO2-Steuer, damit werden klimaschädliche Subventionen erhöht. Die Landwirtschaft ist weltweit für 18 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. In Österreich, das keine Kohlekraftwerke hat, ist die Landwirtschaft daher größter Verursacher von klimaschädlichen Emissionen, insbesondere von Methan, welches über 20 Jahre gerechnet mehr als 80 Mal so klimaschädlich wie CO2 ist. Ein Drittel der bisherigen Erderwärmung ist nach dem letzten UN-Klimabericht (IPCC) auf Methan zurückzuführen. Maßnahmen gegen Methanemissionen würden daher schon kurz- bis mittelfristig große Wirkungen entfalten.
Höchste Förderungen gibt es weiterhin für Methan-intensivste Bereiche der Landwirtschaft, wie der Viehzucht. Zudem werden energieautarke Bauernhöfe mit insgesamt 25 Millionen Euro gefördert, was dazu führen wird, dass sie verstärkt Energiepflanzen statt Nahrungsmittel anbauen werden und Preise für Lebensmittel steigen.
Der gestaffelte Klimabonus führt unterdessen dazu, dass Wohnen im Speckgürtel der Städte bzw. am Land höher subventioniert wird. Ländliche Gebiete tragen durch Zersiedelung und Bodenversiegelung zu mehr CO2-Ausstoß bei. Dennoch bekommt der SUV-Fahrer mit Villa im Grünen mit 200 Euro einen doppelt so hohen Klimabonus wie alle, die in Wien leben. Hinzu kommt die höhere Pendlerpauschale. Wien, das in den letzten Jahrzehnten viel in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investiert hat, wird bestraft. Länder wie Niederösterreich, welches in den letzten Jahrzehnten seine Nebenbahnen zusperrte, werden belohnt.
Nun zu den sozialen Aspekten: Arbeitnehmer finanzieren die Steuersenkungen, die ihnen zugutekommen, im Grunde selbst. Denn in wenigen Jahren wird die kalte Progression die Steuersenkungen wieder aufgefressen haben – je höher Inflation und Lohnerhöhungen sind, desto schneller. Am meisten profitieren mittlere und hohe Einkommen.
Unternehmen profitieren durch eine permanente Steuersenkung, von 25 Prozent KöSt-Satz auf 23 Prozent. Kleine Unternehmen, die oft keine Kapitalgesellschaften sind, bzw. auch oft geringe Gewinne machen, profitieren nicht. Gewinner sind also die großen gewinnträchtigen Unternehmen. Es wäre sinnvoller gewesen das Geld in eine Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden (z.B. Dienstgeberbeitrag zur Krankenversicherung analog zur Senkung der Beiträge für niedrige Einkommen). Auch bessere Abschreibe-Möglichkeiten wären eine Alternative gewesen, da so nur jene profitieren, die wirklich investieren.
Bei hohen Budgetdefiziten und Staatsschulden gibt es keine Gegenfinanzierung der Steuersenkungen. Hier setzt die Regierung offenbar auf das Prinzip Hoffnung, darauf, dass in den kommenden Jahren Inflation und Wirtschaftswachstum hoch sind, was zu einem hohen Nominalwachstum führt. Voraussetzung ist, dass Löhne und Gehälter entsprechend ansteigen, was wiederum über die kalte Progression dazu führt, dass überwiegend die Arbeitnehmer die Steuerreform finanzieren - auch die Steuersenkungen für die Unternehmen.
Einen Lenkungseffekt gebe es, wären die CO2-Steuereinnahmen zur Senkung bzw. Abschaffung der unsozialen Stromabgaben verwendet worden, welche die Ärmeren stärker als die Reichen belasten. Strom, der in Österreich überwiegend aus erneuerbaren Quellen stammt, wäre damit billiger und gegenüber fossilen Energien konkurrenzfähiger geworden. Die Bahn würde gegenüber dem Lkw konkurrenzfähiger.
Im Mietwohnungsbereich sollten Vermieter 50 Prozent der CO2-Steuern bezahlen müssen, da sie nur so einen Anreiz haben, auf emissionsarme Heizsysteme umzustellen. Mieter würden profitieren und Vermieter können es sich im Lichte der in den letzten Jahren stark gestiegenen Mieten und Immobilienpreise leisten. Sonderförderungen würde es für die Umstellung der Heizsysteme im geförderten Sozialwohnbau benötigen.
Fazit: Ein erster Schritt in Richtung CO2-Bepreisung ist zwar gemacht, aber der Preis ist zu niedrig um die Klimaziele zu erreichen. Ökologisch schädliche Subventionen
wie das Dieselprivileg wurden nicht gestrichen – und neue wurden geschaffen. Arbeitnehmer zahlen die Steuerreform über die kalte Progression, Unternehmen, Bauern, Frächter Lobby gewinnen. Und die Schieflage bei der Besteuerung (hohe Belastung der Arbeit, niedrige Belastung des Kapitals) wird mittelfristig sogar verstärkt.
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