APA: Herr Menasse, manche haben die EU-Wahl mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen: Doch nicht so schlimm geworden wie befürchtet! Wie sehen Sie das Ergebnis? Rechtsruck oder Stärkung der Mitte?
Robert Menasse: Wenn die Mitte den Rechten nachhoppelt und sogar schamlos ankündigt, mit den Postfaschisten zu kooperieren, dann kann man die Mitte nicht mehr als Mitte, sondern nur noch als Gefahr bezeichnen. Sie ist die eigentliche Gefahr. Denn der Plafond der Rechtsextremen ist überall in Europa bei 30 Prozent. Etwas anrichten können sie nur, wenn sie in sogenannte Verantwortung geholt werden, wenn mit ihnen koaliert wird. Das ist europapolitisch so, und das ist in unserem kleinen Österreich so. Herr Vilimsky kann martialisch ankündigen, was er will, EU-Wahnsinn stoppen und so weiter, es ist unerheblich. Er sitzt seit zehn Jahren im Europäischen Parlament, was hat er bisher gestoppt? Es ist lächerlich. Aber wenn die Mitte glaubt, die Stimmen von seinesgleichen zu brauchen, wird es gemeingefährlich.
In Österreich kann Herr Kickl sich täglich zum Volkskanzler ausrufen, er bleibt doch ewig nur ein kleiner, schriller Oppositionspolitiker – außer die Mitte, in diesem Fall die ÖVP, bildet mit der FPÖ eine Regierung. Dass sie dazu imstande ist, wissen wir. Wir wissen es seit Schüssel, wir wissen es, weil sie es in drei Bunesländern bereits macht, und wir wissen, dass es der ÖVP sogar egal ist, Vizekanzlerpartei zu sein, sie hat damit ja eine lange Erfahrung. Wenn sie die Ministerien bekommt, die sie haben will, ist ihr egal, wer unter ihr den Kanzler stellt. Die Gefahr ist also nicht Kickl, die Gefahr ist die ÖVP. Aber ich halte es sogar für möglich, dass die ÖVP ihr Versprechen „Keine Koalition mit der Kickl-FPÖ“ hält – und es in ihrer Verblendung noch dümmer anstellt.
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