Sozialer Wohnbau in Simmering - ein historischer Streifzug bis zur Gegenwart
Die Voraussetzungen werden geschaffen
Am Ende des 1. Weltkrieges waren die Stadt Wien - wie überhaupt die am 12. November 1918 neu ausgerufene Republik Österreich - und ihre Bezirke mit gewaltigen Problemen konfrontiert. Sie hatte wenig Einnahmen, kaum Wohlfahrtseinrichtungen, zehntausende Obdachlose und Tuberkulosekranke, sehr viele unterernährte Kinder und eine drückende Wohnungsnot. Die neue sozialdemokratisch geführte Stadtregierung sah sich also nach den Versäumnissen der Monarchie enormen Herausforderungen gestellt. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des kommunalen Reformprogramms gelang durch die Trennung Wiens von Niederösterreich. Mit Wirkung vom 01. Jänner 1922 wurde Wien ein eigenes Bundesland. Das brachte für die Gemeinde Wien erhebliche neue Gestaltungsmöglichkeiten, unter anderem auch den Vorteil eigene Steuern einheben zu können.
Die Voraussetzung für eine komplette Umorientierung des Steuersystems war also geschaffen. Mit den sogenannten „Breitner-Steuern“, benannt nach ihrem Schöpfer Hugo Breitner (Finanzstadtrat von 1919 bis 1932), die das bisherige Steuersystem völlig auf den Kopf stellten, erzielte die Stadt Wien die nötigen Einnahmen, um jene sozialen Errungenschaften umsetzen zu können, die unter dem Begriff des „Rotes Wien“ in die Geschichtsbücher eingingen. Eine dieser Steuern war die Wohnbausteuer. Sie war streng progressiv und sollten durch Besteuerung des damals üblichen luxuriösen Lebensstils von Teilen der bürgerlichen Bevölkerungsgruppe in Luxuswohnungen, Villen und Stadtpalästen eine Verbreiterung der Steuerbasis sicherstellen, um so die Belastung des Einzelnen geringer halten zu können als nach dem bisherigen System (nur noch 4% statt bisher 40% eines Arbeiterlohns mussten für den Mietzins aufgebracht werden). Aus dieser Steuer konnten die beiden Wohnbauprogramme der Stadt Wien in den Jahren 1923 – 1933 zu einem guten Teil mitfinanziert werden. Die Linderung des massiven Wohnungselends und der katastrophalen hygienischen Zustände in den Mietskasernen der Arbeiterbezirke außerhalb des Gürtels waren für die Stadt Wien und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) höchste Priorität.
Die Lage in Simmering
Einerseits konnte die private Wohnbautätigkeit mit dem rasanten Bevölkerungswachstum infolge der steten Ansiedlung neuer Betriebe nicht mithalten. Die in den Fabriken arbeitenden Menschen hausten in den wenig desolaten Mietshäusern oder renovierungsbedürftigen Altgebäuden im ehemaligen Dorfzentrum unter unvorstellbaren Zuständen. Andererseits litt der Alltag der Mehrheit der Bewohner des Bezirks an einer verfehlten Wohnbaupolitik der christlich-sozialen Ära, die das Wohnungselend und die skandalösen hygienischen Zustände nicht überwinden konnte, im Gegenteil eher noch verschärfte. Kurz vor dem 1. Weltkrieg wurden im Jahre 1912 in unserem Bezirk lediglich die Krankenkassen-Häuser in der Braunhubergasse (auf Initiative von Laurenz Widholz) und ein Wohnblock des Gaswerks nach damals modernen Standards erreichtet. Die Wohnungsnot in Simmering war also drückend.
Das Rote Wien schaffte durch ihr kommunales Reformwerk die Wende. Im Jahre 1923 entstand das erste Volkswohnhaus der Gemeinde Wien, der Petzold-Hof in Simmering (Lorystraße/Hakelgasse/Herderplatz). Dieser ist nach dem österreichischen Arbeiterdichter Alfons Petzold benannt, der durch seinen autobiografischen Roman „Das rauhe Leben“ berühmt ist.
Die neuen Bauten sollten dem Prinzip „Licht, Luft und Sonne“ folgen und in jeder Wohnung sollte es ein eigenes Klosett und eine Waschgelegenheit geben. Dieses Prinzip diente auch der Ausrottung der Tuberkulose. Die Bassena-Wohnung wurde Geschichte. Die Wohnhausanlagen der Stadt Wien waren mit einer Reihe von Gemeinschaftseinrichtungen versehen wie Waschküchen, Kinderspielplätze, Bibliotheken, Vortragsräume, Klublokale, Ärztepraxen, Gasthäuer und Geschäfte. Besonderes Augenmerk wurde seitens der Stadt Wien auf die künstlerische Ausgestaltung der Gemeindebauten gelegt.
Bis zum Jahre 1933 folgten weitere 18 Wohnbauten in Simmering, wie etwa der Höger-Hof, der Engels-Hof, der Klein-Hof, der Widholz-Hof oder der Scheu-Hof mit insgesamt 2.774 Wohnungen.
Sozialer Wohnbau in Simmering nach dem 2. Weltkrieg
Auf Grund starker Bombenschäden und Verwüstungen bestanden die vordringlichsten Aufgaben der ersten Nachkriegsjahre in der Instandsetzung bombengeschädigter sowie die Schaffung neuer und moderner Wohnungen. Im Jahre 1952 konnten die Instandsetzungsarbeiten abgeschlossen und bis 1955 1.370 Wohnungen geschaffen werden. Die Wohnsituation für die Bevölkerung verbesserte sich erheblich. Im Jahre 1949 wurden zwei Höfe nach Florian Hedorfer (Enkplatz 1) und nach dem schwedischen Dramatiker August Strindberg benannt (Strindberggasse 2). Wiederum legte man auf die künstlerische Ausgestaltung der Wohnhöfe hohen Wert. Erwähnenswert ist auch die Wohnhausanlage Hasenleiten, die 1952 eröffnet und damit eines der furchtbarsten Notstandsgebiete Wiens beseitigt wurde.
Simmering sollte Wohn-, Arbeits- und Erholungsbezirk in Einem werden. Ab den 1960iger Jahren setzte also eine Reihe von Stadterweiterungsprojekten ein. So wurde die Simmeringer Haide für neue Wohnbauprojekte der Gemeinde Wien aufgeschlossen. Eine Straße in diesem Stadtteil ist nach Florian Hedorfer benannt, der in der 1. Republik sozialdemokratischer Gemeinderat war. An der Florian Hedorfer-Straße (Kreuzung Kaiserebersdorfer Straße) befinden sich die Terrassenbauten. Auch der Karl-Maisel Hof schuf in der Simmeringer Haide Wohnraum für tausende Menschen.
Die 80iger und 90iger Jahre waren ebenso geprägt von wichtigen Wohnprojekten. Am vormaligen Standort der SGP in der Simmeringer Hauptstraße 34 wurden moderne Wohnungen für zahlreiche Familien geschaffen. Der Hof wird zukünftig nach dem damaligen SPÖ-Wohnbaustadtrat und langjährigen Vorsitzenden der SPÖ-Simmering Johann Hatzl, der den Grundstein für die Wohnungen legte, benannt werden. Die Intensivierung des Wohnbaus in den 1990iger Jahren findet ihren stärksten Ausdruck am Leberberg.
Die Stadt Wien hat den kommunalen Wohnbau Anfang des neuen Jahrtausends eingestellt, doch sich nicht aus dem sozialen Wohnbau zurückgezogen. Für die SPÖ stellt auch weiterhin leistbarer Wohnraum ein zentrales Politikfeld- und anliegen dar. Der soziale Wohnbau wird finanziell stark gefördert, zudem unternimmt die Gemeinde Wien sehr viele Anstrengungen zur Sanierung der städtischen Anlagen (thermische Sanierung der Fassaden, Einbau neuer Fenster, oftmals werden Lifte eingebaut oder Mietergärten geschaffen). Ein umfangreiches Sanierungsprojekt (Sockelsanierung) war sicherlich die Sanierung der Hasenleitensiedlung.
Der soziale Wohnbau wird seit langem durch den Genossenschaftssektor begleitet. Eine Fülle von Projekten konnte durch Bauträger wie GESIBA, Heimbau, Wiener Siedlungsunion, ARWAG oder Wien SÜD umgesetzt werden. Die Lindenbauergasse oder das Stadterweiterungsprojekt in der Thürnlhofsiedlung vor ein paar Jahren sollen als Beispiele genannt sein.
Wien Süd ist auch am jüngsten Wohnbauprojekt in Simmering, dem neuen Simmeringer Wohnpark auf den Mautner-Markhof-Gründen, für den im Jahre 2012 der Spatenstich erfolgte, beteiligt. Das Areal bietet eine sehr gute Infrastruktur mit vielen Grünflächen und liegt im Herzen Simmerings. Die Lage an der Simmeringer Hauptstraße eröffnet den direkten Zugang zu zentralen Einkaufsmöglichkeiten und zum öffentlichen Verkehrsnetz sowie zum Bildungszentrum. Insgesamt entstehen 748 neue Wohnungen, von denen 627 aus Mitteln der Wiener Wohnbauförderung unterstützt werden. Der Wohnpark steht auch unter dem Motto des „interkulturellen Wohnens“. Neben verschiedenen Kulturen sollen gezielt auch unterschiedliche Altersgruppen integriert werden. Die weiteren Bauträger sind die Wiener Heim Wohnbaugesellschaft m.b.H. & GEBÖS Baugenossenschaft, Neues Leben und das ÖSW (Österreichisches Siedlungswerk & Familienwohnbau).
Abschließend sei noch erwähnt, dass südlich der Gasometer einige der neuen Wohnbauten bereits bezogen sind. Weitere Projekte in dieser Gegend, wie z.B. die Zipperersiedlung sowie der Zentralpark sind in Planung.
Mag. Michl-Atzmüller Claus