AZ-Neu

Die Informationsplattform für ArbeiterInnen, Angestellte, KMUs, EPUs und PensionistInnen


6. bis 9. Juni 2016 Plenarsitzung in Straßburg
 

Die ÖGfE hat das Abstimmungsverhalten aller österreichischen EU-Abgeordneten zu ausgewählten Punkten der Tagesordnung beobachtet. Die untersuchten namentlichen Abstimmungen behandelten die folgenden Themen:

  • Bekämpfung von unfairen Handelspraktiken
  • Aufklärung über Geheimgefängnisse und Folterungen der CIA in Europa
  • Parlament will Steuervermeidung durch Unternehmen stoppen
  • Zollfreiheit für High-Tech Produkte aus 24 Ländern
  • Finanzhilfen für Tunesien

Download der Übersicht ->

Bekämpfung von unfairen Handelspraktiken
Eine große Mehrheit der Abgeordneten forderte die Kommission dazu auf, stärker gegen unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorzugehen. Faire und transparente Beziehungen zwischen Nahrungsmittelhersteller, Lieferanten und Vertreiber sind die Voraussetzung dafür, dass Landwirte und KMUs angemessene Löhne für ihre Produkte erhalten. Auch die VerbraucherInnen profitieren von einer größeren Auswahl sowie einem besseren Zugang zu neuen und innovativen Erzeugnissen.         

Aufklärung über Geheimgefängnisse und Folterungen der CIA in Europa
Die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich erneut für eine politische Aufarbeitung der Aktivitäten der CIA im Zeitraum 2001-2006 aus. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurden in Europa mutmaßlich Geheimgefängnisse errichtet, in denen die CIA terrorverdächtige Personen festhielt und mit brutalen Methoden verhörte. Ein vom US-Senat im Dezember 2014 veröffentlichter Bericht hält fest, dass 119 Menschen unter Terrorverdacht von der CIA verschleppt wurden. Das Parlament bedauert, dass die Untersuchungen nur schleppend vorangehen und bis dato noch niemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Verantwortlichen und Mitschuldigen müssten schleunigst vor Gericht gestellt werden. Die EVP hat einen alternativen Resolutionsvorschlag eingebracht. 

Parlament will Steuervermeidung durch Unternehmen stoppen
Das Plenum begrüßte einen von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung der Steuervermeidung durch Unternehmen. Er deckt sich mit den bereits im November und Dezember letzten Jahres ausgesprochenen Empfehlungen des Parlaments und basiert auf dem Prinzip, dass Unternehmen in dem Land besteuert werden sollen, in dem sie ihren Gewinn erwirtschaften. Die Abgeordneten setzen sich darüber hinaus weiterhin für die Einführung einer schwarzen Liste von Steueroasen sowie einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage ein. Weitere Forderungen des Parlaments umfassen u.a. mehr Transparenz bei Trusts und Stiftungen, strengere Regeln für ausländische Einkünfte, ein Verbot der Nutzung von Briefkastenfirmen sowie die Schaffung einer EU-weiten Steueridentifikationsnummer, um den Austausch von Steuerinformationen zu erleichtern.

Zollfreiheit für High-Tech Produkte aus 24 Ländern
Das Parlament stimmte einem Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) zu, das darauf abzielt, die Zölle auf 201 verschiedene Waren der Informationstechnologie abzubauen. Dazu zählen beispielsweise Videospielkonsolen, medizinische bildgebende Geräte, GPS-Navigationssysteme und Touch Screens. Das Abkommen wurde zwischen der EU und 24 Ländern abgeschlossen und kann mit der Zustimmung des Parlaments nun in Kraft treten. Die Zölle werden ab Juli 2016 herabgesetzt und bis Juli 2019 gänzlich abgeschafft.     

Finanzhilfen für Tunesien
Seit den Umwälzungen des Arabischen Frühlings 2011 kämpft Tunesien mit einem wirtschaftlichen Abschwung, hoher Arbeitslosigkeit und terroristischen Anschlägen. Trotzdem hat es das Land geschafft, vergleichsweise schnell demokratische Strukturen aufzubauen. Die EU hat bereits 2014 300 Mio. Euro an Finanzhilfen gewährt. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte nun einem Kredit von weiteren 500 Mio. Euro zu, um Tunesien auf dem Pfad der Demokratisierung zu unterstützen.

Weitere Höhepunkte der Sitzungswoche

Ein Jahr nach dem Startschuss für den so genannten „Juncker-Plan“, der Investitionen in Höhe von 315 Mrd. Euro in der EU anregen soll, zog das Parlament in einer Debatte mit der Kommission Bilanz über die bisherigen Ergebnisse. Die Kommission betonte, dass Hindernisse für Investitionen abgebaut worden und bislang 64 Projekte mit einem Finanzierungsvolumen von 9,3 Mrd. Euro genehmigt worden seien. Das Herzstück des Juncker-Plans, der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI), solle verlängert und auf Drittländer ausgeweitet werden. Das Parlament zeigte sich gespalten. EVP und S&D begrüßten im Großen und Ganzen die Bilanz der Investitionsoffensive sowie die Ankündigung der Kommission, sie zu verlängern. Andere Fraktionen hingegen zeigten sich skeptisch und forderten u.a. zusätzliche Mittel für den Investitionsplan.

Das Parlament beschloss die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Panama Papers-Enthüllungen über mehr als 200.000 Offshore-Briefkastenfirmen und deren EigentümerInnen. Der Ausschuss wird für die Untersuchung von mutmaßlichen Verstößen gegen das Unionsrecht im Zusammenhang mit Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zuständig sein. Der Untersuchungsausschuss wird 65 Mitglieder haben, davon drei ÖsterreicherInnen: Othmar Karas (EVP), Evelyn Regner (S&D) und Michel Reimon (Grüne/EFA).

In einer Debatte mit EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn verurteilte das Plenum einhellig die Aufhebung der Immunität von 138 mehrheitlich kurdischen Abgeordneten des türkischen Parlaments. Sie untergrabe die Rechtsstaatlichkeit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und könnte den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei schaden. Einige Abgeordnete bezeichneten die Aktion als Versuch des türkischen Präsidenten Erdogan, die Opposition zum Schweigen zu bringen und seine Machtposition zu stärken.

Die nächste Plenarsitzung findet von 04. bis 07. Juli 2016 in Straßburg statt.

Mit freundlichen Grüßen
Mag. Paul Schmidt und das Team der ÖGfE