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Austrofaschismus und Februarkämpfe 

Adaptiert von Markus Primus

ISBN: 9783205221388
Verlag: Böhlau Wien
Genre: Geschichte
Umfang: 444 Seiten
Format: Hardcover
Herausgegeben von: Bündnis 12. Februar,
Adaptiert von: Bernhard Hachleitner, Gertraude Enderle-Burcel, Werner Anzenberger, Heimo Halbrainer, Gisela Hormayr, Irina Vana, Elisabeth Luif, Alfred Pfoser, Werner Michael Schwarz, Peter Melichar, Kamila Maria Staudigl-Ciechowicz, Emmerich Tálos, Othmar Zendron, Charlotte Rönchen, Hans-Peter Weingand, Philipp Moritz, Klaralinda Ma-Kircher, Stephan Neuhäuser, Thomas Lösch, Lena Köhler, Anna Rosenberg, Gerhard Wogritsch
Erscheinungsdatum: 10.02.2025
Preis: € 52,00

Kurzbeschreibung des Verlags

Der Sammelband vereint eine Reihe aktueller Ar­bei­ten re­nom­mier­ter Autor­*innen und ver­steht sich als Bei­trag zu einer um­fas­sen­den ge­sell­schaft­lichen und poli­ti­schen Ana­lyse von Austro­fa­schis­mus und Februar­kämpfen 1934.

Die Ära der austrofaschistischen Diktatur ist immer noch ein kon­tro­vers dis­ku­tier­tes Stück Ge­schichte. In die­ser Publi­ka­tion wird ein kri­ti­scher Blick auf diese Ära ge­wor­fen – un­ab­hän­gig von den Par­tei­inter­es­sen, die bis heute das Ge­schichts­bild die­ser Zeit prä­gen. Der Sam­mel­band prä­sen­tiert eine brei­te Pa­let­te ver­schie­de­ner For­schungs­ar­bei­ten zum Thema. Neun­zehn Autor­*innen aus ver­schie­de­nen Fach­rich­tungen – von den Pio­nier­*innen der Austro­fa­schis­mus­for­schung bis hin zu teil­weise be­reits preis­ge­krön­ten jun­gen For­scher­*innen – er­öff­nen ne­ben his­to­ri­schen und poli­tik­wis­sen­schaft­lichen Blick­win­keln auch juris­ti­sche und kul­tu­relle. Regio­nale Er­eig­nis­se und Rahmen­be­din­gun­gen wer­den eben­so be­rück­sich­tigt wie inter­natio­nale bzw. bis­her kaum be­han­del­te Aspekte.

Posted by Wilfried Allé Friday, February 14, 2025 10:05:00 AM Categories: Geschichte
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Über Tourismus 

von  Angelika Fitz (Herausgeber), Karoline Mayer (Herausgeber), Katharina Ritter (Herausgeber), Architekturzentrum Wien Az W (Herausgeber)  

ISBN: 9783038603627
Verlag: Park Books
Genre: Kunst/Architektur
Umfang: 400 Seiten
Format: Taschenbuch
Herausgegeben von: Angelika Fitz, Karoline Mayer, Katharina Ritter, Architekturzentrum Wien Az W
Erscheinungsdatum: 26.03.2024
Preis: € 39,10

Kurzbeschreibung des Verlags

Seit Jahrzehnten erfährt der Tourismus eine konti­nuier­liche In­ten­si­vie­rung und ist zu ei­nem inte­gra­len Be­stand­teil unse­res west­li­chen Lebens­stils geworden.
Über Tourismus
beschäftigt sich mit den Auswirkungen unserer Urlaubs­wün­sche auf die ge­baute Um­welt, das sozi­ale Ge­füge und den Klima­wan­del. Wann wird Tou­ris­mus eigent­lich zum Über­tou­ris­mus? An­schau­liche Illus­tra­tio­nen, Bei­spiele und rei­ches Daten­mate­rial ver­deut­li­chen u. a. das Zu­sam­men­spiel von Tou­ris­mus und Wirt­schafts­wachs­tum, stei­gen­den CO2-Emis­sio­nen oder der Ver­drän­gung der lo­ka­len Be­völ­ke­rung durch aus­ufernde Wohn- und Lebens­hal­tungs­kos­ten. Vor al­lem aber sucht das Buch nach Trans­for­ma­tions­po­ten­zial. Zahl­reiche inter­natio­nale Bei­spiele ma­chen Lust auf eine andere Art des Urlaubens.

Acht reich illustrierte Kapitel befassen sich mit zen­tra­len As­pek­ten des Tou­ris­mus im 21. Jahr­hun­dert: Mobi­li­tät; die Des­ti­na­tio­nen Stadt und Land; das Ver­hält­nis zur Land­wirt­schaft; die Pri­va­ti­sie­rung von Natur­schön­heit; Fra­gen der Tou­ris­mus­pla­nung; die Ver­ände­rung der Be­her­ber­gungs­struk­tur und schließ­lich die Aus­wir­kungen des Klima­wan­dels auf den Tou­ris­mus. Die­se The­men wer­den in Essays inter­natio­naler Auto­rin­nen und Auto­ren ver­tieft. Fra­gen, wie in Zei­ten von Klima­krise, Krie­gen, Pan­de­mie, Fach­kräfte­man­gel und einer an­hal­ten­den Ener­gie­krise Tou­ris­mus neu ge­dacht und in ande­re, ver­träg­li­chere Bah­nen ge­lenkt wer­den kann und wel­che Rol­le da­bei Raum­pla­nung und Archi­tek­tur spiel­en, zie­hen sich als ro­ter Faden durch das Buch.

Posted by Wilfried Allé Monday, February 10, 2025 9:24:00 AM Categories: Kunst/Architektur
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Wir alle machen Wirtschaft 

Für eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Finanzbildung

von Attac, Die Armutskonferenz, GESÖB, fair sorgen!

ISBN: 9783991360919
Verlag: Mandelbaum Verlag eG
Genre: Pädagogik/Bildungswesen
Umfang: 222 Seiten
Format: Buch
Erscheinungsdatum: 01.02.2025
Preis: € 20,00

Kurzbeschreibung des Verlags

Warum werden Essen und Wohnen teurer? Wie ist das mit den Energie­preisen? Wa­rum gibt es zu wenig Geld für Bil­dung oder Pflege? Teue­rung, Ener­gie­krise, Ar­beits­losig­keit, Bud­gets … Kin­der und Jugend­liche ha­ben viele Fra­gen – ge­ra­de jetzt. Um Ant­wor­ten ge­ben zu kön­nen, brau­chen wir eine zu­kunfts­fähige und plu­ra­le Wirt­schafts­bil­dung. Zu­sam­men­hän­ge se­hen und ver­ste­hen, Kon­text her­stel­len, ver­ant­wort­lich han­deln ler­nen: Das macht eine gu­te Wirt­schafts- und Fi­nanz­bil­dung aus. Ge­gen­wär­tig aber trei­ben finanz­star­ke Lob­bys ihre ei­ge­nen Inter­es­sen über Pro­jekte an Schu­len oder Stif­tun­gen voran. Sie wol­len u. a. ein ei­ge­nes Schul­fach Wirt­schafts­bil­dung eta­blie­ren, bei dem ein ver­eng­tes Bild von Wirt­schaft und ein ein­sei­ti­ger Wis­sens­an­satz ver­mit­telt wer­den soll, der so­zi­ale und öko­no­mi­sche Ri­si­ken in­di­vi­dua­li­siert – auf dem Rücken ein­kom­mens­schwa­cher Be­völ­ke­rungs­gruppen.
Wir alle machen Wirtschaft bietet eine kritische Auf­ar­bei­tung der ak­tuel­len De­bat­te zu Wirt­schafts- und Fi­nanz­bil­dung. Der Sam­mel­band stellt aber auch zu­kunfts­fä­hige An­sät­ze vor und lie­fert wich­ti­ge Infos und Analy­sen in ei­nem um­kämpf­ten Feld. Wei­te­res fin­den sich da­rin hilf­rei­che Bei­spiele aus der Bil­dungs­pra­xis in Öster­reich, Deutsch­land und der Schweiz.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, February 5, 2025 11:52:00 AM Categories: Pädagogik/Bildungswesen
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Amerikas Albtraum 

Warum Donald Trump nicht zu stoppen ist - Psychogramm einer gespaltenen Nation - Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

von Mary L. Trump

ISBN: 9783453607163
Verlag: Heyne
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 304 Seiten
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Astrid Becker, Christiane Bernhardt, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Monika Köpfer, Eva Schestag
Sammlung: Trump ist zurück
Erscheinungsdatum: 02.10.2024
Preis: € 13,40

Kurzbeschreibung des Verlags

Wie ist es möglich, dass Donald Trump wieder Präsident werden kann? – Die Autorin des Nr.-1-Bestsellers »Zu viel und nie genug« stellt die Diagnose für ihr zerrüttetes Land

Das Trauma der USA, tief verwurzelt in der ameri­kani­schen Ge­schichte — Skla­verei, Bür­ger­krieg und Ras­sen­tren­nung — gärt seit Jahr­zehn­ten un­ter der Ober­flä­che der eins­ti­gen Vor­bild-Demo­kra­tie. Trumps kor­rup­tes und un­mora­li­sches Re­gime ver­setz­te der Ge­sell­schaft ei­nen ver­nich­ten­den Stoß und hin­ter­ließ ein zu­tiefst ge­spal­te­nes, ge­schwächtes Land. Wie ein Krebs­ge­schwür wuchs das Trau­ma. Aus­brü­che von Wut und Hass, aber auch Hoff­nungs­losig­keit und Apa­thie sind die Fol­ge. Mary Trump, als Nichte des frü­he­ren US-Prä­si­den­ten wie als Psycho­lo­gin, lie­fert eine be­stechende Ana­lyse — un­ge­mein er­hel­lend für alle, die ge­rade an den Nach­richt­en aus den USA ver­zweifeln.

Erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe von »Das amerikanische Trauma«.

Posted by Wilfried Allé Saturday, January 25, 2025 10:41:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Wie Demokratien sterben 

Und was wir dagegen tun können

von Steven Levitsky, Daniel Ziblatt

ISBN: 9783421048103
Verlag: DVA
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 320 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Klaus-Dieter Schmidt
Erscheinungsdatum: 29.05.2018
Preis: € 22,70

Kurzbeschreibung des Verlags

Ausgezeichnet mit dem NDR Kultur Sachbuchpreis

Demokratien sterben mit einem Knall oder mit einem Wim­mern. Der Knall, also das oft ge­walt­same Ende einer Demo­kra­tie durch ei­nen Putsch, ei­nen Krieg oder eine Revo­lu­tion, ist spek­ta­ku­lärer. Doch das Da­hin­sie­chen ei­ner Demo­kra­tie, das Ster­ben mit ei­nem Wim­mern, ist all­täg­li­cher – und ge­fähr­li­cher, weil die Bür­ger meist erst auf­wa­chen, wenn es zu spät ist. Mit Blick auf die USA, Latein­ameri­ka und Euro­pa zei­gen die bei­den Poli­to­lo­gen Steven Levit­sky und Daniel Zi­blatt, wo­ran wir er­ken­nen, dass demo­kra­ti­sche Ins­ti­tu­tio­nen und Pro­zes­se aus­ge­höhlt wer­den. Und sie sagen, an wel­chen Punk­ten wir ein­grei­fen kön­nen, um diese Ent­wick­lung zu stop­pen. Denn mit ge­ziel­ter Gegen­wehr lässt sich die Demo­kra­tie ret­ten – auch vom Sterbebett.


FALTER Rezension

Wie Demokratien dahinsiechen
Barbara Tóth in FALTER 25/2022 vom 24.06.2022 (S. 20)

Ein Putsch, eine Revolution: So rut­schten frü­her Demo­kra­tien ins Dik­ta­to­ri­sche ab. Die Har­vard-Pro­fes­soren Steven Levit­sky und Daniel Zi­blatt zei­gen ei­nen ge­fähr­li­che­ren, weil weni­ger spür­ba­ren Weg der Ent­demo­krati­sie­rung: die schlei­chende Aus­höh­lung von in­nen, die selbst ge­fest­igte Demo­kra­tien tref­fen kann. Be­son­ders ge­fährl­ich ist es, wenn eta­blierte Main­stream-Par­teien in Kri­sen nicht "staats­tra­gend" agie­ren, son­dern Ex­tre­mis­ten eine Chance ge­ben - in ihren ei­ge­nen Rei­hen wie als Koa­li­tions­partner.

Demokratien sterben heutzutage in Zeitlupe
Barbaba Tóth in FALTER 22/2018 vom 01.06.2018 (S. 19)
Ein US-Bestseller analysiert, wie Demo­kra­tien schlei­chend unter­wan­dert wer­den. Lesens­wert – ge­rade aus öster­rei­chi­scher Sicht
Ein Putsch, eine Revolution: Das waren die Ereig­nisse, mit denen frü­her Demo­kra­tien ins Dik­ta­to­ri­sche ab­rutsch­ten. Die bei­den Har­vard-Pro­fes­so­ren Steven Levit­sky und Daniel Zi­blatt ha­ben in ihrem in den USA viel dis­ku­tiert­en Best­sel­ler „How Demo­cra­cies Die“ zahl­rei­che Bei­spiele ver­sam­melt, die ei­nen viel ge­fähr­li­cheren, weil weni­ger spür­ba­ren Weg der Ent­demo­kra­ti­sie­rung auf­zeigen: die schlei­chende Aus­höh­lung von inn­en, die selbst ge­fes­tigte, eta­blierte Demo­kra­tien tref­fen kann.
„Die Erosion der Demokratie geschieht für die meisten Bürger so gut wie un­merk­lich“, schrei­ben Levit­sky und Zi­blatt. Demo­kra­tien könn­ten heute „nicht von Gene­rä­len, son­dern von Prä­si­den­ten oder Premier­minis­tern um­ge­bracht wer­den (...), die genau je­nen Pro­zess, der diese an die Macht ge­bracht hat, unter­mi­nieren“.
Levitsky und Ziblatt analysieren mögliche Stationen auf dem Weg ins Autori­täre, und wer ihr diese Woche auch auf Deutsch er­schei­nen­des Buch liest, fühlt sich er­schreckend oft an die öster­rei­chi­sche Poli­tik er­innert. Die bei­den Poli­to­lo­gen brin­gen his­to­ri­sche und ak­tuel­le Bei­spiele wie Hugo Chávez in Vene­zuela und Viktor Orbán in Un­garn, sie nen­nen die Phi­lip­pinen, Polen oder die Tür­kei und Deut­schland der 1930er. Solide, gute Ver­fas­sungen sind im­mens wich­tig, eben­so wich­tig sind aber die un­ge­schrie­be­nen Re­geln und Normen der poli­ti­schen Aus­einander­set­zung. Levit­sky und Zi­blatt ver­glei­chen das mit ei­nem Bas­ket­ball­spiel in ei­nem Hinter­hof, das nach an­de­ren Spiel­regeln ab­läuft als NBA-Spiele, aber funk­tio­niert, so­lange sich alle da­ran hal­ten, weil sie ja mor­gen weiter­spie­len wol­len, auch wenn man heute ver­loren hat.
Zu diesen Regeln gehört etwa, den poli­ti­schen Geg­ner zwar scharf zu kri­ti­sieren, ihm aber nicht die grund­sätz­liche Legi­ti­mi­tät, am poli­ti­schen Pro­zess teil­zu­neh­men, ab­zu­spre­chen. Da­zu ge­hört auch, Schiedsr­ichter-arti­ge Ins­ti­tu­tionen wie Höchst­ge­richte nicht infrage zu stel­len. Aber auch die Pres­se, Inter­essen­ver­tre­tungen und die Geheim­dienste. Ein Blick zu­rück in die letz­ten bei­den Jahre zeigt, dass die FPÖ ge­rade das ge­macht hat. Sie hat ver­sucht, den Ver­fas­sungs­ge­richts­hof, den Ver­fas­sungs­schutz und jetzt ge­rade den ORF sys­te­ma­tisch zu desa­vouie­ren. „Wer ein Fuß­ball­spiel mani­pu­lie­ren will, nimmt sich zu­erst die Schieds­rich­ter vor“, schrei­ben die Autoren.

Besonders gefährlich ist es, wenn etablierte Main­stream-Par­teien in Kri­sen nicht das Wohl des Landes im Auge ha­ben, also „staats­tra­gend“ agie­ren, son­dern Ex­tre­mis­ten eine Chance ge­ben – in ihren ei­ge­nen Rei­hen wie als Koa­litions­partner. Levit­sky und Zi­blatt kri­ti­sie­ren aus US-Sicht natür­lich vor allem die Repu­bli­kaner, deren füh­rende Leute ent­setzt über Donald Trumps Kandi­da­tur waren, aber den­noch die­sem und nicht Hil­lary Clin­ton zum Sieg ver­halfen.
Auf Österreich umgelegt lässt sich fragen: War es ein Feh­ler, dass füh­rende ÖVPler zu­erst Sebas­tian Kurz mit sei­nem an der FPÖ an­ge­lehn­ten Paro­len an die Macht kom­men und dann auch noch eine Koa­li­tion mit der FPÖ ein­ge­hen ließen? Levit­sky und Zi­blatt stel­len diese Frage nicht, ihr Buch wurde vor Kurz’ Macht­über­nahme ge­schrie­ben. Aber sie brin­gen ein an­deres inter­es­san­tes Bei­spiel aus der öster­reichi­schen Poli­tik, um zu zei­gen, wel­che wich­tige Wäch­ter­funk­tion Main­stream-Par­teien haben. Sie loben jene hoch­ran­gigen ÖVPler, die sich in der über­par­teili­chen Wahl­be­we­gung für Bundes­prä­si­dent Alexan­der Van der Bellen enga­gier­ten, um den ­Ex­tre­mis­ten Nor­bert Hofer zu ver­hin­dern. Dass dann aus­ge­rech­net dieser Van der Bellen Hofer zum Ver­kehrs­mi­nis­ter ange­loben würde, wussten die Auto­ren da­mals noch nicht.

Posted by Wilfried Allé Sunday, January 12, 2025 9:16:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Das Prinzip Trotzdem 

Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen

von Roger de Weck

ISBN: 9783518128633
Verlag: Suhrkamp
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 224 Seiten
Format: Taschenbuch
Reihe: edition suhrkamp
Erscheinungsdatum: 13.10.2024
Preis: € 17,50

Kurzbeschreibung des Verlags

Autoritäre Populisten trumpfen auf. Des­infor­ma­tion und Fake News gras­sie­ren. Und der Jour­na­lis­mus, der dem weh­ren sollte? Er kommt aus der Kri­se nicht he­raus. Es gibt zwar mehr Me­dien, aber imm­er weni­ger Mit­tel für den Jour­na­lis­mus. Ver­lage wol­len ihre Ein­bußen wett­ma­chen, indem sie noch mehr laute Mei­nun­gen und Soft-The­men brin­gen. Doch die »Boule­vardigi­tali­sie­rung« nützt just den Popu­lis­ten, die sich der­sel­ben Stil­mit­tel be­die­nen: Zu­spit­zung, Skanda­li­sie­rung, Auf­re­gung.

Roger de Weck liebt Journalismus als Beruf. Er kennt ihn in al­len Fa­cet­ten – als Zei­tungs­ma­cher und Rund­funk­chef, Re­por­ter und Modera­tor. Und er macht sich Sor­gen, weil die Ge­set­ze des Medien­be­triebs und die des Jour­na­lis­mus imm­er wei­ter aus­ein­ander­lau­fen. Da­gegen setzt de Weck auf das »Prin­zip Trotz­dem«: Recher­chie­ren, ab­wägen, sich treu blei­ben – trotz Spar­maß­na­hmen, trotz X & Co. Doch wie geht das? Der Au­tor zeigt, wie sich Jour­na­lis­mus stär­ken lässt. Denn ohne diesen wert­vol­len Spiel­ver­der­ber läuft das Spiel nicht in der Demo­kratie.


FALTER Rezension

"Viele Journalisten sind auf dem Ego-Trip"

Tessa Szyszkowitz in FALTER 49/2024 vom 06.12.2024 (S. 22)

Roger de Weck ist auf dem Sprung. Er leitet ein Semi­nar in Wien und unter­rich­tet Stu­die­rende in Brügge. Der 71-jäh­rige Jour­na­list, der viele Jahre Print-und Fern­seh­me­dien ge­lei­tet hat, prä­sen­tiert ge­rade sein neues Buch "Das Prinzip Trotzdem" in den deutsch­spra­chi­gen Lan­den. Es ist ein Plä­doyer für den klas­si­schen Jour­na­lis­mus, der sich ge­gen Click­baiting und Con­tent-Mana­ge­ment weh­ren muss. Und für eine star­ke, kluge Medien­poli­tik, die ge­nau die­sen fördert.
Falter: Herr de Weck, warum müssen wir den Journalismus vor den Medien retten?

Roger de Weck: Der Medienbetrieb ist zusehends emotional, der Jour­na­lis­mus aber sollte nüch­tern blei­ben. Die Medien bie­dern sich an, der Jour­na­lis­mus hält Dis­tanz. Die Me­dien pushen die Nach­frage, die Klicks. Der Jour­na­lis­mus inter­es­siert sich zu­nächst für das An­gebot. Das sind zwei Paar Schuhe.

Ist es per se schlecht, wenn Journalismus auch darauf aus­ge­rich­tet ist, was die Leute lesen wollen?

de Weck: Der Klick-Journalismus bedient genau die­sel­ben Ins­tinkte, die auch die Popu­listen be­wirt­schaf­ten. Bei­de emo­tio­na­li­sie­ren, pola­ri­sie­ren und set­zen auf das Pri­mi­tive. Doch sol­cher Wechs­el von der Auf­merk­sam­keits­öko­no­mie zur Auf­regungs­öko­no­mie stößt mehr und mehr Nut­zer­innen und Nut­zer ab. In ohne­hin ner­vö­sen Zei­ten ent­fer­nen sie sich still und leise vom hyper­ner­vö­sen Medien­bet­rieb. Rapide nimmt die Zahl der soge­nannten Nach­rich­ten­ver­mei­der zu. Das ver­lei­tet wiede­rum die "Con­tent Mana­ger", die an die Stel­le her­kömm­li­cher Chef­redak­tionen tre­ten, erst recht, alle Knif­fe an­zu­wen­den, um die Klick­zahl zu meh­ren. Ein Teufels­kreis. Das Publi­kum bin­det man lang­fris­tig nicht mit kurz­fris­ti­ger Klick­maxi­mierung.

Wir konsumieren aber alle dank der Digitalisierung Informationen heute schneller als früher?

de Weck: Ja, und das verstärkt den Trend, die sozialen Medien zu imi­tie­ren. Auf X muss ein Post pla­ka­tiv sein, um Be­ach­tung zu fin­den -und auch der Jour­na­lis­mus wird ten­den­ziell noch zu­ge­spitz­ter als ohneh­in. Insta­gram ist ein Jahr­markt der Eitel­kei­ten -und eben­so sind viele Jour­na­lis­ten auf dem Ego-Trip. Der Ich-Jour­na­lis­mus wu­chert, manch­mal ist der Be­richt­er­stat­ter wich­ti­ger als der Ge­gen­stand der Be­richt­er­stat­tung. Prin­zi­piell habe ich nichts ge­gen Ich-Jour­na­lis­mus, den ein Norman Mailer und ein Truman Capote er­fan­den. Aber wenn junge Kol­le­gen ihre Pri­vat­sphäre jour­na­lis­tisch ver­wer­ten, wird's ex­hibi­tionis­tisch. Wer schützt sie ge­gen das, was Richard Sennett schon 1977 die "Tyran­nei der In­ti­mi­tät" nannte?

Das ist das "Prinzip Trotzdem", das Sie propagieren: Der Jour­na­lis­mus soll sich sel­ber treu blei­ben. de Weck: Das Recher­chieren ist das Wich­tigste. Die Fak­ten muss man su­chen, prü­fen, analy­sie­ren, ein­ord­nen. So kann man sie ge­wich­ten und er­läu­tern. Erst dann kommt die fakul­ta­tive Auf­gabe des Kom­men­tie­rens. Am Ende ei­ner seriö­sen Ver­ar­bei­tung von Infor­ma­tion wird bei Be­darf aktua­li­siert oder kor­ri­giert, da wir ja ein schnel­les Ge­werbe be­trei­ben. In so­zia­len Me­dien aber wird haupt­säch­lich die fakul­ta­tive Funkt­ion er­füllt: das Kom­men­tie­ren, es herrscht Meinungs­in­fla­tion. Bis zu dem Punkt, an dem Mei­nun­gen x-belie­big wer­den -wie auf X von Elon Musk.

Elon Musk ist nicht unbedingt mit X erfolgreich, aber er nutzte das ehe­ma­lige Twit­ter, um seine poli­ti­sche Macht aus­zubauen.

de Weck: Nie hat ein Mensch dermaßen viele Dimensionen der Macht auf sich ver­einigt: die Medie­nmacht, die Propa­ganda­macht, Geld­macht, Techno­logie­macht, die poli­ti­sche und geo­poli­ti­sche Macht -selbst im Ukra­ine­krieg spielt er mit. Das ist krass un­demo­kra­tisch. Ein wach­se­nder Teil von Sili­con Val­ley denkt anti­demo­kra­tisch. Der Groß­inves­tor Peter Thiel, der Sebas­tian Kurz als Be­rater holte, hält die Demo­kra­tie für frei­heits­feind­lich, nur die Techno­lo­gie bringe Frei­heit. Wider jede Spiel­art des Autori­taris­mus sollte der Jour­na­lis­mus an den Maß­stä­ben der Auf­klär­ung fest­hal­ten. Das ist kein ver­lo­re­ner Kampf. Wer han­delt, ist opti­mistisch.

Wie können sich Medienhäuser am besten wappnen?

de Weck: In der Blüte gedruckter Zeitungen finanzierten sich die Ver­lage bis zu drei Vier­teln mit Klein­an­zei­gen und Wer­bung. Die An­zeigen frei­lich ha­ben sich zu On­line-Märk­ten ver­la­gert, die Wer­bung zu Such­ma­schi­nen und so­zi­alen Me­dien, wo sie ziel­si­cherer das Publi­kum er­reicht. Also muss sich der Jour­na­lis­mus nun­mehr selbst fi­nan­zie­ren. An­ders ge­sagt muss er sub­stan­ziel­ler wer­den, denn es ver­kauft sich nur, was Subs­tanz hat. Jene Qua­li­täts­me­dien fah­ren am bes­ten, die in die Redak­tion und ins An­ge­bot in­ves­tieren. Me­dien wie die Frank­fur­ter All­ge­meine oder in Frank­reich Le Monde fah­ren ziem­lich gut. Der Monde-Eigen­tümer Xavier Niel hat die Redak­tion von 300 auf 550 auf­ge­stockt, wo­rauf sich die Zahl der Abon­nen­tinnen und Abon­nenten auf 600.000 ver­dop­pelte. Auch mein frü­heres Blatt Die Zeit hat dank kon­ti­nuier­licher Inves­ti­tio­nen der Ge­brüder Holtz­brinck mas­siv zu­ge­legt und ist zu einer blü­hen­den Ver­lags­gruppe gediehen.

Nicht jeder hat diese finanziellen Möglichkeiten.

de Weck: In der Tat fehlt vielen Lokal-und Regional­medien das nötige Geld. Und hier kommt mein Punkt: Der Jour­na­lis­mus ist eine elemen­tare Infra­struk­tur der Demo­kratie. Also ist es eine ele­men­tare Staats­auf­gabe, die­se Infra­struk­tur in­stand zu hal­ten und öffent­liche Gel­der für lo­kale und regio­nale Me­dien be­reit­zu­stel­len. Medien­wüsten sind ger­ade in födera­lis­ti­schen Län­dern ver­heerend. Siehe die Bundes­re­pu­blik: Ein Teil von Thürin­gen ist Medien­wüste, da er­scheint kein Lokal-und Regio­nal­me­dium mehr. Also in­for­mie­ren sich die Men­schen über so­ziale Me­dien. Und dort radi­ka­li­sieren sie sich.

Was sind gute Beispiele für Medienförderung?

de Weck: Kanada hat Anreize geschaffen, um insbesondere älteren Leuten -trotz ihrer Schwel­len­angst - den Wech­sel von einer ge­druckten Zei­tung zu einem Online-Abo zu er­leich­tern: Bis 2024 durf­ten sie den Preis für das digi­tale Abon­ne­ment von der Steuer ab­set­zen. Die Maß­nahme wurde nicht ver­län­gert, weil sie nicht mehr nö­tig war. Auch in Nord­eu­ropa gibt es be­völ­ke­rungs­arme Flä­chen­staaten: Hat ein Ver­lag alle 50 Kilo­meter drei Abon­nen­tinnen, ist der Zei­tungs­ver­trieb rui­nös. Da­rum haben die Nord­euro­päer vor Jahr­zehnten schon För­der­mo­delle ent­wickelt. Schwe­den hat sys­te­ma­tisch die Num­mer zwei und drei in einem Ein­zugs­gebiet unter­stützt. Dank dem hat jede Klein­stadt unab­hän­gige Lokal­me­dien, die nicht von der Zen­tral­redak­tion eines Kon­zerns ab­hängen. In Däne­mark über­nimmt die öf­fent­liche Hand einen Pro­zent­satz des Redak­tions­bud­gets: Kürzt der Ver­lag die­ses Bud­get, gibt's weni­ger Zu­schuss. För­der­model­le kön­nen sehr wohl Erfolg haben, wenn un­ab­hän­gige Ver­gabe­ins­tan­zen das Geld ge­mäß fes­ten Regeln quasi-automa­tisch zu­teilen -fernab partei­poli­ti­scher Inter­es­sen wie in Öster­reich. Nord­euro­pa ist spitze in den Rang­listen der Medien­frei­heit, der Medien­viel­falt, des Medien­ver­trauens - und der Medien­förderung.

Sie kritisieren in Ihrem Buch das österreichische Förder­system, weil Sie sagen, es sei eine An­samm­lung unter­schied­licher Töpfe, die eine kohä­rente Stra­te­gie ver­hin­dern. Das wie­de­rum nähre den Filz. Wie könnte man das ändern?

de Weck: Es ist natürlich schwierig, trotz "Freunderlwirtschaft" auto­nome In­stan­zen ein­zu­setzen. Eine un­ab­hän­gige kri­tische Presse stärkt aber die Demo­kra­tie und liegt an sich also im ur­eige­nen Inter­esse demo­kra­ti­scher Poli­tiker­innen und Poli­tiker. Die autori­tären Reak­tionäre -die ich in mei­nem vori­gen Buch "Die Kraft der Demo­kratie" erör­terte - wol­len ja im­mer die ganze Macht. Sie miss­ach­ten das Parla­ment, instru­men­ta­li­sie­ren die Justiz und möch­ten die Presse als Vierte Gewalt zähmen. Sie funk­tio­nieren nach dem Prin­zip: "Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich -also ist eine jour­na­lis­tisch-unab­hän­gige Hal­tung gegen mich."

In Schweden werden auch fremdenfeindliche Blätter be­zu­schusst. Sollte man alle finan­zieren, auch wenn es Neonazi-Zeitungen wären?

de Weck: Nein, und trotzdem ein bisschen ja. Es hängt von der Tradi­tion eines Staates ab. Schwe­den war 1766 das erste Land, das die Presse­frei­heit in die Ver­fas­sung schrieb: Diese "Druck­freiheits­ver­ordnung" geht so weit, dass eine Straf­tat be­geht, wer nach den Infor­man­ten einer Zei­tung fahn­det. Schwe­den will den aller­größten Frei­raum. Tief sitzt in Deutsch­land und Öster­reich je­doch das Trauma, was die Nazis an­rich­teten und wie­der an­richten könnten. Be­greif­lich, dass man eher Grenzen setzt.

Roger de Weck, 71, war Generaldirektor des Schweizer Radios und Fern­sehens und Chef­redak­teur der deut­schen Wochen­zei­tung Zeit. Heute ist er Gast­pro­fes­sor am College of Europe in Brügge. Er war Mit­glied des Zukunfts­rats für Revformen bei ARD, ZDF und Deutsch­land­funk. Mode­ra­tor von "Stern­stun­den Philo­so­phie"(3Sat / SRF) und Chair­man of the Board des Geneva Graduate Insti­tute of Inter­national and Develop­ment Studies

Sollen Redaktionen Haltung zeigen?

de Weck: Journalismus und Demokratie sind Kinder der Auf­klä­rung. Die libe­rale Demo­kra­tie ist auf einen un­ab­hän­gigen Jour­nalis­mus an­ge­wiesen, der un­ab­hän­gige Journa­lis­mus auf die libe­rale Demo­kratie -sie sind Zwil­linge. Die jour­na­lis­tische Grund­hal­tung wur­zelt also in den Wer­ten der Auf­klä­rung: gute Infor­ma­tion für eine er­kennt­nis­orien­tierte De­batte, Re­spekt der Men­schen­würde, Zu­sam­men­halt der Ge­sell­schaft, Ein­bezug der Minder­heiten, Förde­rung der Kul­tur. Ob aus die­ser Hal­tung sich auch mal eine Wahl­empfeh­lung ab­leitet, ist nach­rangig. Vor­ran­gig ist, beim Fakti­schen zu blei­ben: die Kraft der Fak­ten zu be­stär­ken in einer zu­sehends post­fak­tischen Ge­sell­schaft. Gel­ten die Fakten nicht mehr, lau­fen näm­lich so­wohl die Demo­kratie als auch der Jour­na­lis­mus auf; sie brau­chen eine Wahr­heits­umgebung.

Verzerrt Haltung faktenbasiertes Berichten? de Weck: Ich bin Gast­pro­fessor am Col­lege of Europe in Brügge. Mit den Stu­den­ten und Stu­den­tinnen er­ör­tere ich gern das Fall­bei­spiel guter ara­bi­scher und israe­lischer Me­dien, die über diesel­ben Tat­be­stände auf völ­lig andere Weise be­richten. Jede Redak­tion hat - selbst wenn sie alle jour­na­lis­ti­schen Stan­dards ein­hält - ihre kul­tu­relle und sozio­lo­gische Prä­gung. Ein wei­te­res Bei­spiel: So­lange in Redak­tionen lau­ter Herren saßen, über­sa­hen sie, dass die Medi­zin in Diag­nose und Thera­pie auf die Män­ner ab­stellt. Erst als end­lich auch Redak­teurinnen mit­reden durf­ten, wurde thema­ti­siert, dass die bis­herige Medi­zin von ihrem An­satz her sexis­tisch ist.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist vor allem vonseiten der Popu­lis­ten unter Be­schuss. ORF oder ARD wir­ken zu­weilen schon be­häbig in dem Ver­such, alle Sei­ten gleich­mäßig zu Wort kommen zu lassen?

de Weck: Ein britischer Journalismus-Dozent lehrte mal seine Studen­tin­nen und Stu­den­ten: Wenn der eine sagt, es reg­net, und die andere er­widert, nein, draußen ist es trocken, dann müsst ihr das Fens­ter öffnen -statt euch damit zu be­gnü­gen, die beiden zu zi­tieren. Sonst ent­steht eine "false balance" fun­dierter und hoh­ler Aus­sagen. Gerade die öffent­lichen Medien­häuser haben dank öffent­li­cher Finan­zie­rung nicht den ge­rings­ten Grund, sich dem kom­mer­ziel­len Er­regungs­betrieb hinzugeben.

Schauen die Jüngeren noch fern?

de Weck: In meinem Land, der Schweiz, verlangte ein Volks­begehren die fak­tische Ab­schaf­fung des öffent­li­chen Medien­hauses. Knapp 72 Pro­zent der Bür­ge­rinnen und Bür­ger lehn­ten das im Jahr 2018 ab. Die Alters­grup­pe, die die­ses popu­lis­tische An­sinnen am stärksten ver­warf, waren die 18 bis 28-Jährigen. Mit 80 Pro­zent! Die junge Gene­ra­tion ist bes­ser aus­ge­bil­det als je in der Ge­schichte, sie ent­faltet ihren Ini­tia­tiv­geist in Start-ups, sie bringt sich poli­tisch in NGOs und Bürger­be­we­gungen ein. Ein be­trächt­licher Teil der jun­gen Jahr­gänge ist wie eh und je an einer ernst­haf­ten, um­fas­sen­den Infor­ma­tion inter­essiert: am Handy und am Laptop.
 

Am Montag, den 28. Oktober, 19.00 Uhr,
war der Schweizer Publizist und Medienmanager Roger de Weck mit seinem aktuellen Buch
"DAS PRINZIP TROTZDEM. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen"
Gast von Robert Misik im Bruno Kreisky Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien.
Die Diskussion wurde aufgezeichnet und ist auf YouTube abrufbar. mehr ->

Posted by Wilfried Allé Wednesday, December 4, 2024 6:57:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Troll 

Roman

von Michal Hvorecky

ISBN: 9783608504118
Verlag: Tropen
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Umfang: 215 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Mirko Kraetsch
Erscheinungsdatum: 25.08.2018
Preis: € 18,50

Kurzbeschreibung des Verlags

Osteuropa in naher Zukunft. Ein Heer aus Trollen be­herrscht das Inter­net, kom­men­tiert und hetzt. Zwei Freunde ent­wickeln im­mer stär­kere Zwei­fel und be­schließen, das Sys­tem von in­nen heraus zu stö­ren. Da­bei ge­ra­ten sie selbst in die Un­kon­trol­lier­bar­keit der Netz­welt – und an die Gren­zen ihres ge­gen­sei­ti­gen Ver­trauens.

Die europäische Gemeinschaft ist zerfallen und wurde durch die Fes­tung Euro­pa er­setzt. Ihr gegen­über steht das dik­ta­to­risch ge­führte Reich, in des­sen Pro­tek­to­ra­ten ein gan­zes Heer von Inter­net­trol­len die öf­fent­liche Mei­nung lenkt. Einer von ihnen ist der namen­lose Held die­ser in einer allzu nahe­lie­gen­den Zu­kunft an­ge­sie­del­ten Ge­schichte. Ge­mein­sam mit sei­ner Ver­bün­det­en Johan­na ver­sucht er, das staat­liche Sys­tem der Fehl­in­for­ma­tionen von in­nen heraus zu stö­ren – und wird dabei selbst Opfer ei­nes Shit­storms. Mit sei­ner ra­san­ten, litera­risch ver­dich­teten Er­zäh­lung be­weist Michal Hvorecky er­neut, wa­rum er der erfolg­reichste Autor der Slowakei ist.


Rezension

»Dieses Buch erzählt vom Albtraum der Auf­klä­rung. Von einer Welt, in der Wahr­heit und Lüge gleich viel wert sind. Es spielt in ei­ner nahen Zu­kunft, die sich aber wie eine un­ab­wend­bare Gegen­wart an­fühlt. Ein um­nach­te­tes Euro­pa, dem der Kom­pass ab­han­den ge­kom­men ist, in der Hand derer, denen nichts mehr hei­lig ist. Ein muti­ges Buch. Ein wich­ti­ges Buch. Bes­ser als Michal Hvorecky kann man die Wahr­heit nicht er­finden.«
David Schalko, 30.10.2018

»Ich habe mich - wie soll ich sagen - sofort gebeugt, der Kom­plexi­tät und der Weis­heit in Sachen Ver­gan­gen­heit, die in dem Buch "Troll" steckt, sei­ner Ra­sanz, sei­nem ver­hal­te­nen Opti­mis­mus am Ende.«
Michael Kumpfmüller, 17.10.2018


FALTER Rezension

Sebastian Fasthuber in FALTER 44/2018 vom 02.11.2018 (S. 28)

Nach jahrelanger Krankheit kommt der Held von „Troll“ mit 20 aus der Kli­nik. Vor der Ver­blö­dung hat ihn dort Jo­han­na ge­ret­tet, die nur ei­nes mehr liebt als rus­si­sche Lite­ra­tur – Heroin. Ge­mein­sam be­schließen sie, ge­sund zu wer­den und einer großen Mis­sion zu fol­gen: Sie sa­gen den von Fir­men, Par­teien und mili­tan­ten Grup­pie­run­gen be­zahl­ten Inter­net-Meinungs­ma­chern den Kampf an. Da­für müs­sen sie zu­erst selbst Trolle werden.

Der Slowake Michal Hvorecky siedelt die Geschichte in einem ost­euro­pä­ischen Land in na­her Zu­kunft an, wo ein „Infor­mations­krieg“ herrscht. Ein neues Re­gime ist an der Macht, doch die Men­schen trau­ern dem ver­bli­che­nen, grau­samen „An­füh­rer-Vater“ und sogar dem schwa­chen „An­führer-Sohn“ hinter­her. „Troll“ ver­dich­tet ak­tuel­le poli­ti­sche und ge­sell­schaft­liche Ten­den­zen zu ei­ner glaub­haf­ten Schreckens­vi­sion. Kon­se­quent: Auch die schmuck­lose Spra­che bie­tet kei­nen Trost an.

Posted by Wilfried Allé Saturday, November 30, 2024 8:03:00 PM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
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Machttechnik Populismus 

von Robert Müller

ISBN: 9783943897838
Verlag: Verlag Text & Dialog
Genre: Philosophie
Umfang: 78 Seiten
Format: Taschenbuch
Sammlung: Populismus
Erscheinungsdatum: 05.08.2024
Preis: € 10,20

Kurzbeschreibung des Verlags

Das Thema Populismus ist kein neues. Aber es ist ak­tu­el­ler denn je. Seit ei­nem Jahr­zehnt be­stim­men popu­lis­ti­sche Ak­teure in ei­nem aber­wit­zi­gen Aus­maß die öf­fent­li­chen De­bat­ten. Sie trei­ben die Poli­tik vor sich her. Sie ver­än­dern das ge­sell­schaft­li­che Kli­ma. Die popu­lis­ti­sche Freund/Feind-Logik durch­seucht schein­bar un­auf­halt­sam al­le Ebe­nen des zwi­schen­mensch­li­chen Mit­ein­an­ders. Und nach Jah­ren der mul­ti­plen Kri­sen rückt für die Popu­lis­ten auch die poli­ti­sche Macht in greif­bare Nähe.
Um den Populismus zu verstehen ist es not­wen­dig, ihn zu de­kons­tru­ieren. Das heißt, ihn in sei­ne Ele­men­te zu zer­glie­dern und sei­ne inne­re Lo­gik zu stu­die­ren, die ge­sell­schaft­li­chen und psy­cho­lo­gi­schen Be­din­gun­gen zu ana­ly­sie­ren, aus de­nen er er­wächst und die er sich zu­nut­ze macht, so­wie zu dia­gnos­ti­zie­ren, was der (Un-)Geist des Popu­lis­mus mit unse­rer Ge­sell­schaft macht, wenn er nur lan­ge ge­nug in ihr spukt.
Schließlich müssen wir uns ent­schei­den, ob wir in so einer Ge­sell­schaft leben wollen – oder nicht.


Rezension

Reviewed in Germany on 23 September 2024

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in den neuen Bundes­län­dern im Herbst 2024 zei­gen es mehr als deut­lich, wir müs­sen das Phäno­men Popu­lis­mus ver­ste­hen, um damit um­ge­hen zu kön­nen. Robert Müller se­ziert das The­ma in sei­nem neuen Buch. Er wid­met sich da­rin aus­führ­lich As­pek­ten wie "Droge Popu­lis­mus", "Radi­kali­sie­rungs­dy­na­mik" bis­hin zur Be­trach­tung der "Schwei­gen­den Mehr­heit". Nicht nur we­gen des Vor­mar­sches popu­lis­ti­scher Par­teien hier­zu­lande und des An­wach­sens popu­lis­ti­scher Be­we­gun­gen welt­weit eine un­be­dingte Lese-Empfehlung!

Posted by Wilfried Allé Sunday, November 10, 2024 2:15:00 PM Categories: Philosophie
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Die Achse der Autokraten 

Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten

FRIEDENSPREIS DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS 2024 FÜR ANNE APPLEBAUM

von Anne Applebaum

ISBN: 9783827501769
Verlag: Siedler
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 208 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Jürgen Neubauer
Erscheinungsdatum: 10.10.2024
Preis: € 27,50

Kurzbeschreibung des Verlags

Wie Xi Jinping, Putin, Chamenei & Co. sich Geld, Macht und Straf­frei­heit ver­schaf­fen und zu­gleich unsere Demo­kratie zer­stö­ren: Eine hoch­ak­tu­elle Ana­lyse der neu­en auto­ri­tären Netzwerke.

FRIEDENSPREIS DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS 2024 FÜR DAS GESAMTWERK VON ANNE APPLEBAUM

Autokratische Herrschaft besteht im 21. Jahrhundert nicht länger nur aus einem Ty­ran­nen an der Spitze, der mit Ge­walt sein Volk unter­drückt: Heute wer­den Auto­kra­tien durch aus­ge­klü­gel­te Netz­werke ge­führt, es hat sich eine neue inter­natio­nale auto­kra­tische Alli­anz ge­bil­det, wie Best­seller­auto­rin Anne Apple­baum in ihrem neuen Buch zeigt. Von China bis Weiß­russ­land, von Sy­rien bis Russ­land unter­stüt­zen sich Auto­kra­ten von heute ge­gen­sei­tig mit Res­sour­cen und Equip­ment made in Iran, Myan­mar oder Vene­zuela: von Pro­pa­ganda-Troll­farmen und Bots über Inves­ti­tions­mög­lich­keiten für ihre kor­rup­ten Staats­unter­neh­men bis hin zum Aus­tausch mo­dernster Über­wachungs­techno­lo­gien. Apple­baum of­fen­bart, wie die Dik­ta­to­ren der Welt hin­ter den Ku­lis­sen zu­sam­men­ar­bei­ten und sich mit ag­gres­si­ven Tak­ti­ken ge­gen­sei­tig Sicher­heit und Straf­frei­heit ver­schaf­fen. Und sie macht deut­lich, wie diese auto­kra­ti­sche Al­lianz unsere Demo­kra­tie unter­gräbt.

»Das ist die eigentliche Lehre aus der deutschen Geschichte: Nicht, dass Deut­sche nie wie­der Krieg füh­ren dür­fen, son­dern dass sie eine be­son­dere Ver­ant­wor­tung da­für haben, sich für die Frei­heit ein­zu­set­zen und dabei auch Risi­ken ein­zu­gehen.« (Aus der Dankes­rede von Anne Apple­baum zum Frie­dens­preis 2024)


FALTER-Rezension

Geldgier als Kitt für eine neue Achse von Autokraten

Tessa Szyszkowitz in FALTER 45/2024 vom 08.11.2024 (S. )

Der BRICS-Gipfel im russischen Kasan machte es gerade wie­der deut­lich. Die auto­kra­ti­schen Füh­rer Russ­lands und Chinas stan­den Seite an Seite mit jenen des Irans und Vene­zue­las. Der alte Sys­tem­kon­flikt - Kommu­nis­ten ge­gen Kapi­ta­listen - ist vor­bei. "Ihre Bande unter­einan­der sind keine Ideale, son­dern Ge­schäfts­be­zie­hungen, die der Auf­wei­chung inter­natio­naler Sank­tio­nen, dem Aus­tausch von Über­wachungs­techno­lo­gie und der ge­gen­sei­ti­gen Be­reiche­rung die­nen", schreibt Anne Apple­baum in "Die Achse der Autokraten".
Es ist trotzdem nicht ungefährlich, von einer "Achse der Auto­kraten" zu spre­chen. Im eng­li­schen Ori­gi­nal heißt der Band "Autocracy. Inc", was den In­halt des Buches bes­ser be­schreibt. Denn: "Es gibt er­heb­liche Unter­schiede zwi­schen dem Kom­mu­nis­mus Chinas, dem Natio­na­lis­mus Russ­lands, dem boli­va­ri­schen Sozia­lis­mus Vene­zue­las, der Dschutsche-Ideo­lo­gie Nord­koreas und der radi­ka­len Schia der Is­la­mi­schen Re­pu­blik Iran", schreibt sie: "Im Gegen­satz zu frü­heren mili­tä­ri­schen und poli­ti­schen Bünd­nis­sen tritt diese Grup­pe nicht als Block auf, son­dern eher wie eine Ko­ope­ra­tion von Unternehmen."

Pazifismus nicht um jeden Preis Als Autorin und Journa­listin hat die US-Ameri­ka­ne­rin, die in Yale stu­dierte, die Grund­lagen für diese Ent­wick­lun­gen er­forscht, seit sie 1988 in War­schau Korres­pon­den­tin für den Eco­no­mist ge­wor­den war. Für ihr Werk "Der Gulag" ge­wann sie 2003 einen Pulit­zer-Preis. Ge­rade hat sie den Frie­dens­preis des Deut­schen Buch­han­dels in Frank­furt er­hal­ten. In ihrer Rede sprach Apple­baum da­von, dass Frie­den und Demo­kra­tie manch­mal auch mit Waf­fen ver­teidigt werden müssen.

Wenn es bei Applebaum im ersten Kapitel um Russlands Weg in die Auto­kra­tie geht, kommt auch Wien vor. 1967 traf sich in der alten Habs­burg-Metro­pole die deut­sche und öster­rei­chi­sche Gas-und Stahl­indus­trie. In Si­bi­rien waren Gas­felder ge­fun­den wor­den. 1970 wur­den die ers­ten Pipe­lines ge­baut. Die Ost­poli­tik Deutsch­lands ba­sierte auf Wan­del durch Han­del, die öster­rei­chi­sche, möchte man iro­nisch hin­zu­fügen, hofft da­rauf bis heute. Als Putin zur Jahr­tausend­wende Russ­land über­nahm, ließ er den Wes­ten im Glau­ben, an ei­ner ko­opera­ti­ven, demo­kra­ti­schen Ent­wick­lung inter­es­siert zu sein. Und bau­te sich seine, wie Apple­baum schreibt "auto­kra­ti­sche Klepto­kra­tie" auf, ei­nen "Mafia­staat", der nur ein ein­zi­ges Ziel hat­te: die Selbst­be­rei­che­rung sei­ner Anführer.

Hetzen gegen Richter Was diese modernen Autokratien absichert, ist ein eng­maschi­ges Netz an Des­in­for­ma­tions-und Pro­pa­gan­da­maß­nah­men. Nicht nur hat China der ei­ge­nen Be­völ­ke­rung das freie Inter­net ab­ge­dreht. Die Volks­re­pu­blik küm­mert sich bei der digi­ta­len Er­schließung Afri­kas mit großem Eifer da­rum, dass ihre Welt­sicht, die äußerst kri­tisch ge­gen­über der west­li­chen Demo­kra­tie ist, weiter­ver­breitet wird.

Nach innen schwächen Autokraten gerne die demokratischen Institutionen ihrer Länder, um ihre Inter­es­sen un­ge­stört durch­set­zen zu kön­nen. Im Falle von Donald Trump, schreibt Anne Apple­baum, ging es wäh­rend und nach sei­ner Amts­zeit ge­gen Rich­ter und Wahl­hel­fer. Um ihre Inter­es­sen durch­zu­setzen, wol­len Auto­kra­ten -jeder für sich, aber auch ge­meinsam -die inter­natio­na­len Or­gani­sat­io­nen wie die Ver­ein­ten Natio­nen los­werden. Inter­natio­na­les Recht oder Men­schen­rechte sind für sie un­ge­fähr so ge­fährl­ich wie für den Teu­fel das Weihwasser.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, November 6, 2024 10:26:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Abgelenkt 

Wie uns die Konzentration abhandenkam und wie wir sie zurückgewinnen

Wie uns die Konzentration abhandenkam und wie wir sie zurückgewinnen. Der New York Times Bestseller. Für alle, die ihre Aufmerksamkeit und ihren Fokus wieder finden wollen

von Johann Hari

ISBN: 9783742322388
Verlag: riva
Genre: Ratgeber/Lebenshilfe, Alltag/Lebensführung, Persönliche Entwicklung
Umfang: 368 Seiten
Format: Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 18.10.2022
Preis: € 20,60

Kurzbeschreibung des Verlags

Warum haben wir unsere Fähig­keit ver­loren, uns zu kon­zen­trie­ren? Was sind die Gründe da­für? Und am wich­tigs­ten: Lässt sich Auf­merk­sam­keit wie­der an­trai­nieren?
Um diese und viele weitere spannende Fragen zu be­ant­worten, hat Johann Hari über drei Jahre lang For­schun­gen be­trie­ben. Er hat vom Silicon Valley über eine Favela in Rio bis zu einem Büro in Neu­see­land mit den welt­weit füh­ren­den Ex­per­ten und Fach­leuten ge­spro­chen, zwölf ent­schei­dende Gründe, die für den Ver­lust unse­rer Auf­merk­sam­keit ver­ant­wort­lich sind, ent­larvt und zeigt Wege auf, wie wir unse­ren Fokus end­lich wie­der zu­rück­gewinnen.


FALTER-Rezension

"Unsere Aufmerksamkeit wurde gestohlen"

Katharina Kropshofer in FALTER 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 25)

Digital Detox ist für Johann Hari kein Fremd­wort. Drei Mo­nate ver­brachte er im US-ameri­ka­ni­schen Ferien­ort Cape Cod, Handy und Lap­top hatte er in einem Bun­ker in Boston ge­las­sen. Seine Tage ent­schleu­nig­ten sich, die ers­ten Wo­chen nach dem Ex­peri­ment waren schön, seine Kon­zen­tra­tions­fähig­keit war ge­stei­gert, sein Stress­level ge­senkt. Doch es dau­erte kei­nen Monat, bis er wie­der in der täg­li­chen Rou­tine zwi­schen You­tube, Twit­ter und Face­book hing und merkte: Irgend­was läuft hier schief. Struk­tu­rell. Also reiste der Jour­na­list um die Welt, sprach mit Ex­per­tinnen und Ex­per­ten, die zu Auf­merk­sam­keit, Algo­rith­men und Medien­nut­zung for­schen. In seinem neuen Buch "Abgelenkt" schreibt er über zwölf Fak­to­ren, die unsere Auf­merk­sam­keit ver­bes­sern oder ver­schlech­tern können.
Falter: Herr Hari, ich starte mit einem Ge­ständ­nis: Ich habe be­gon­nen Ihr Buch zu le­sen, dann klin­gelte mein Handy un­nach­giebig, ich be­gann Ihre Videos an­zu­sehen, gleich­zei­tig Abend­essen zu ko­chen und auf Social Media zu scrol­len. Stimmt etwas nicht mit mir?

Johann Hari: Jahrelang spürte ich, wie meine eigene Auf­merk­sam­keit im­mer schlech­ter wurde. Dinge, die mir wich­tig sind, aber Fokus er­for­dern - Bücher lesen, lange Ge­sprä­che führen -fühl­ten sich so an, als würde ich eine Roll­trep­pe auf­wärts­ren­nen. Also dachte ich mir so wie Sie: Ich habe nicht genug Wil­lens­kraft, um der Ver­su­chung zu wider­stehen. Beim Schrei­ben mei­nes Buches habe ich ge­lernt, dass das völlig falsch ge­dacht ist. Es gibt zwar Dinge, die wir als Einzel­per­sonen tun kön­nen, aber in Wahr­heit stecken wir in einer struk­tu­rel­len Krise. Der durch­schnitt­liche ameri­ka­ni­sche Büro­an­ge­stellte kon­zen­triert sich drei Minu­ten auf eine Auf­gabe. Auf jedes Kind mit Auf­merk­sam­keits­pro­blemen, die es gab, als ich sie­ben Jahre alt war, kom­men heute 100. Mit Ihnen ist also alles in Ord­nung, Sie rea­gie­ren nur auf tief­grei­fende sozi­ale Ver­ände­rungen, die in unserer Um­welt stattfinden.

Wie groß ist die wissenschaftliche Basis für Ihre Argumente?

Hari: In den 1990ern warnten Leute davor, dass Rap-Musik Leute gewalt­tä­tig und ag­gres­siv mache. Am Ende war das Hys­terie. Aber es gibt eine bes­sere his­to­ri­sche Analo­gie: In den spä­ten 1970ern be­gan­nen Leute vor Fett­leibig­keit zu war­nen. Sie trat häu­figer auf, die Men­schen sahen es als Reak­tion auf struk­tu­rel­le Fak­toren wie Stadt­pla­nung mit Auto­fokus und die Fast-Food-Lebens­mittel­indus­trie. Viele spra­chen da­mals auch von mora­li­scher Panik. Heute wis­sen wir, dass sie recht hatten und die Krise wohl leich­ter zu bewäl­tigen wäre, hät­ten wir da­mals ge­han­delt. Das Glei­che gilt für die Klima­krise. Die Auf­merk­sam­keits­krise gleicht mehr der Fett­leibig­keits- und weni­ger der Rap-Musik-Panik.

In welchem Stadium der Krise befinden wir uns momentan?

Hari: Es hängt ganz davon ab, was wir jetzt tun. Ein Bei­spiel: Ich habe mit Pro­fes­sor Earl Miller ge­spro­chen, einem der füh­ren­den Neuro­wis­sen­schaft­ler der Welt. Er sagt, Men­schen kön­nen nur an ein oder zwei Dinge gleich­zei­tig den­ken - eine grund­le­gende Ein­schrän­kung des men­schli­chen Ge­hirns. Trotz­dem glaubt der durch­schnitt­liche Teen­ager, sechs oder sieben Medien gleich­zei­tig fol­gen zu kön­nen. Da­bei jon­gliert unser Ge­hirn ein­fach nur schnell zwi­schen Auf­gaben. Das ist mit hohen Kos­ten ver­bun­den, der Fach­be­griff ist "switch-cost effect". Wenn Sie ver­su­chen, mehr als eine Sache gleich­zei­tig zu tun, machen Sie mehr Feh­ler, er­innern sich weni­ger daran, sind weni­ger krea­tiv. Wir wis­sen, dass dieses Jon­glie­ren unsere Auf­merk­sam­keit mas­siv be­ein­träch­tigt und dass das mas­siv zu­ge­nom­men hat. Wir leben also in einem Sturm des kogni­ti­ven Verfalls.

Wie groß ist der Effekt?

Hari: Die Druckerei Hewlett-Packard beauf­tragte ein­mal einen Wis­sen­schaft­ler, sei­ne Mit­ar­bei­ter zu unter­su­chen und teil­te diese in zwei Grup­pen: Der ers­ten wurde ge­sagt, sie sol­len weiter­ar­bei­ten, egal was pas­siert. Die zwei­te wurde mit E-Mails und An­rufen bom­bar­diert. Am Ende tes­te­ten sie den IQ der Grup­pen: Die erste hatte zehn IQ-Punkte mehr. Wenn Sie und ich einen fet­ten Joint rau­chen, würde unser IQ kurz­fris­tig um fünf Punkte sin­ken. Wir sollten na­tür­lich weder noch machen, aber kurz­fris­tig ge­sehen ist eine chro­ni­sche Unter­bre­chung dop­pelt so schlecht für die Intel­li­genz, wie be­kifft zu arbeiten.

Es ist kein Zufall, dass Ihr Buch auf Englisch "Stolen Focus", also ge­stoh­lene Auf­merk­sam­keit heißt. In­wie­fern wurde diese ge­klaut und geht nicht zu­fäl­lig verloren?

Hari: Ich habe das Buch geschrieben, weil ich mir Sorgen um meinen Paten­sohn ge­macht habe. Mit 15 brach er die Schule ab, mit 19 ver­brachte er fast seine ganze Zeit ab­wech­selnd mit seinem iPad, iPhone, Lap­top, zwi­schen Whatsapp, Youtube, Porno­seiten. Der durch­schnitt­liche College-Stu­dent schläft heute so wenig wie ein Sol­dat im ak­ti­ven Dienst. Und junge Leute sind be­son­ders im Vi­sier von Big-Tech-Unter­nehmen. Unse­re Auf­merk­sam­keit ist also nicht zu­sam­men­ge­bro­chen, sie wurde ge­stoh­len. Ich habe viel Zeit im Sili­con Valley mit Leu­ten ver­bracht, die Schlüs­sel­techno­lo­gien ent­wor­fen haben. Jaron Lanier, ein ein­fluss­rei­cher Tech-Desig­ner, hat frü­her Regis­seure für Filme wie "Minority Report" be­raten. Er musste damit auf­hören, weil Unter­neh­men diese Dinge dann wirk­lich ent­warfen. All diese Leute er­zäh­len das Glei­che: Wir sind keine Kun­den von Apps wie Tik­Tok, Face­book, Twit­ter, unsere Auf­merk­sam­keit ist das Pro­dukt, das die Unter­nehmen an die ech­ten Kun­den, die Werbe­trei­ben­den, ver­kaufen. Jedes Mal, wenn Sie die App schließen, ver­siegt die Ein­nahme­quelle. Algo­rithmen sind also da­rauf aus­ge­rich­tet, heraus­zu­fin­den, dass Sie die App so oft und so lange wie mög­lich nut­zen. Eine Ma­schine, die ent­wickelt wurde, um Auf­merk­sam­keit zu ernten.

Klingt das nicht zu verschwörerisch, nach einem großen, bösen Plan?

Hari: Sie haben recht, niemand hat einen Master­plan aus­ge­heckt, um die Auf­merk­sam­keit der Welt zu unter­gra­ben. Die Desig­ner die­ser Techno­lo­gie dach­ten an­fangs, dass sie etwas Gutes tun. Sie hal­fen den Men­schen, sich zu ver­bin­den. So wie die Grün­der von McDonald's kei­nen bö­sen Plan hat­ten, Men­schen fett­lei­big zu machen. Doch an einem be­stimm­ten Punkt kom­men die Unter­neh­men in eine mora­li­sche Ver­ant­wor­tung: Wir wis­sen, dass Face­book ei­gene Daten­for­scher hatte, die vor dem Schaden an der kol­lek­ti­ven Auf­merk­sam­keit warn­ten. Laut Wall Street Jour­nal soll Mark Zucker­berg da­rum ge­beten haben, dass ihm die For­schung nicht noch ein­mal vor­gelegt werde.

Was sind die Folgen für Demokratien, wenn wir alle permanent ab­ge­lenkt sind?

Hari: Algorithmen sind agnostisch gegenüber dem, was Sie sehen. Sie wol­len nur wis­sen, was Sie am Lau­fen hält. Aber es gibt ei­nen so­ge­nannten "negativity bias", einen Nega­tivi­täts­effekt: Men­schen star­ren län­ger auf Dinge, die sie auf­re­gen, als auf jene, die sie glück­lich machen. Schon zehn Wochen alte Babys schauen län­ger auf wü­ten­de Ge­sich­ter als auf lächelnde. Kom­bi­niert man diese Ver­zer­rung mit Algo­rith­men, die ver­su­chen, Enga­ge­ment zu maxi­mie­ren, führt das zu katas­tro­pha­len Er­geb­nis­sen. Stel­len Sie sich zwei Teen­ager-Mäd­chen vor, die auf der­sel­ben Party waren. Eines lädt ein Video auf Tik­Tok und sagt, wie toll es war. Das ande­re sagt: Beth ist eine Schlampe und ihr Freund ein Idiot. Der Al­go­rith­mus wür­de das zwei­te Video in die Feeds von weit­aus mehr Leu­ten brin­gen. Die feind­seligs­ten Men­schen be­kom­men eine Art Ver­stär­ker in die Hand. Die For­schung zeigt, dass ein Drit­tel all jener, die Neo­nazi-Grup­pen auf Face­book bei­ge­tre­ten sind, das ta­ten, weil der Algo­rith­mus dies aus­drück­lich empfoh­len hatte.

Die Krise hat also eine politische Dimen­sion, das Ge­schäfts­mo­dell auch mit dem Er­folg von Popu­lis­ten wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolso­naro in Bra­si­lien zu tun. Sie argu­men­tie­ren, dass auch sozi­ale Be­we­gun­gen da­runter le­iden. Wür­den kol­lek­tive Maß­nahmen, wie das Vor­gehen ge­gen das Ozon­loch, heute noch auf die­selbe Weise funk­tio­nieren?

Hari: Wir setzten damals Chemikalien namens FCKWs in die Atmos­phäre frei, die zum Bei­spiel in Haar­sprays ent­hal­ten waren - es waren die 1980er, wir lieb­ten Haar­spray. Dann ent­deck­ten Wis­sen­schaft­ler den Ef­fekt auf die Ozon­schicht, er­klär­ten es Men­schen auf der gan­zen Welt und die­se üb­ten Druck auf Re­gie­run­gen aus, bis sie FCKWs ver­bo­ten. Die Ozon­schicht heilte. Würde die­se Krise heute statt­fin­den, wäre al­les an­ders. Leute wür­den sa­gen: "Wo­her wis­sen wir über­haupt, dass die Ozon­schicht exis­tiert? Viel­leicht wur­de das Loch von George Soros ge­macht." Wir wä­ren nicht in der Lage, die Wahr­heit von Lü­gen zu unter­scheiden und unsere kol­lek­tive Auf­merk­sam­keit auf­recht­zu­erhalten.

Soziale Bewegungen existieren weiterhin. Der Arabische Frühling konnte sich durch soziale Medien erst organisieren.

Hari: Soziale Medien helfen, die Gründung von progres­siven Be­we­gun­gen zu er­leich­tern. Men­schen pos­ten Videos von Poli­zei­ge­walt, den­ken Sie an Black Lives Matter. Wir ha­ben diese be­frei­ende Dyna­mik, aber auch eine toxi­sche, die durch das ak­tuel­le Ge­schäfts­mo­dell an­ge­trie­ben wird. Wir sind aber nicht in die­ser Matrix ge­fangen. Die Axt exis­tierte 1,4 Mil­lio­nen Jahre, be­vor irgend­je­mand auf die Idee kam, einen Griff an­zu­brin­gen. Und das ge­samte Inter­net exis­tiert seit weniger als 10.000 Tagen.

Was also können wir tun -auf individueller und gesellschaft­licher Ebene?

Hari: Einerseits können wir uns und unsere Kinder schüt­zen: Ich habe zu­hause einen K-Safe, eine Art Plas­tik­tre­sor. Sie neh­men den Deckel ab, ge­ben Ihr Tele­fon rein, und es wird zwi­schen fünf Minu­ten und einem gan­zen Tag ein­ge­schlos­sen. Wenn meine Freunde zum Abend­essen kom­men, stecken wir alle unse­re Handys ins Tele­fon­ge­fäng­nis. Aber das alleine reicht nicht. Es wäre so, als würde uns je­mand mit Juck­pul­ver über­schüt­ten und dann ver­lan­gen, wir sol­len ler­nen zu medi­tie­ren. Früher ent­hiel­ten Ben­zin und Lacke Blei, bis wir ent­deckten, dass das unse­ren Ge­hirnen scha­det. Dann gab es einen Auf­stand. Wa­rum las­sen wir zu, dass die­se ge­winn­orien­tier­ten Indus­trien das Ge­hirn unse­rer Kin­der ver­mas­seln? Nie­mand sagt, wir soll­ten die Techno­lo­gien ab­schaf­fen. Aber wir müs­sen das ak­tu­elle Ge­schäfts­modell verbieten.

Wie soll das gehen?

Hari: Alternativen könnten Abo-Modelle wie Net­flix sein: Sie zah­len ei­nen monat­li­chen Be­trag und er­hal­ten Zu­gang. Plötz­lich wären wir nicht mehr das Pro­dukt, son­dern Kunde. Checkt das Unter­neh­men, dass Sie ger­ne Freunde off­line tref­fen, an­statt durch deren Fo­tos zu scrol­len, wird die App Sie er­mu­ti­gen raus­zu­gehen. Ein zwei­tes Modell: Be­vor wir Ab­was­ser­ka­näle hat­ten, gab es Krank­hei­ten wie Cho­lera. Dann zahl­ten wir ge­mein­sam für den Bau und die War­tung einer Kana­li­sa­tion. Wir könnten auch Infor­ma­tions­ka­näle kol­lek­tiv be­sit­zen. Für all das brau­chen wir eine Auf­merk­sam­keits­be­we­gung, die sagt: Wir tole­rie­ren das nicht! Wir wol­len eine Techno­lo­gie, die für uns funk­tio­niert, um unser Le­ben zu verbessern.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, October 30, 2024 10:28:00 AM Categories: Alltag/Lebensführung Persönliche Entwicklung Ratgeber/Lebenshilfe
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