von Ned O'Gorman
ISBN |
9783312012107 |
Übersetzung: |
Stephanie Singh |
Verlag: |
Nagel & Kimche |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik |
Umfang: |
360 Seiten |
Format: |
Hardcover |
Erscheinungsdatum: |
17.05.2021 |
Preis: |
€ 24,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags:
Ein zeitgemäßer Zugang zu Hannah Arendts Denken
- In der heutigen Zeit denken viele, dass wir mit weniger statt mehr Politik besser dran wären. Ned O’Gorman sieht das anders. Mit Hannah Arendt argumentiert er für ein Mehr an Politik. Politik ist für Arendt nicht die letztgültige Lösung für das gedankenlos Böse, doch stellt sie ein wichtiges Gegenmittel dar – weil sie uns dazu aufruft, mit anderen, die sich von uns unterscheiden, zu reden. Politik besteht in der Auseinandersetzung mit Menschen, die anders sind als wir, in der Einbeziehung anderer Sichtweisen und Bedürfnisse und in der Vermeidung von gedankenlosen Vorurteilen und instinktiven Reaktionen.
Was machen wir aus der Tatsache unseres Zusammenlebens? Eben dies ist laut Arendt die entscheidende politische Frage. O’Gorman macht Hannah Arendts Gedankengänge allen verständlich und setzt sie dabei gewinnbringend in Bezug zur heutigen Zeit.
FALTER-Rezension
Warum Politik mehr als ein „Game of Thrones“ ist
Politik erzeugt Elend, Depression, Apathie, Empörung und Wut. Diesen Gemeinplatz möchte Ned O’Gorman mit seinem Buch widerlegen. Es heißt „Politik für alle. Hannah Arendt lesen in unsicheren Zeiten“, denn für seine Ehrenrettung der Politik ruft der Professor für Kommunikationswissenschaften der Universität Illinois die deutsch-amerikanische Philosophin als Kronzeugin auf.
Hannah Arendt (1906–75) vertrat den Standpunkt, dass Politik nicht nur wenige angehe, die Politiker, Privilegierten, Reichen, Durchtriebenen oder Experten – sondern alle. O’Gorman nennt sein Buch deswegen eine „Verteidigungsschrift für jene Menschen, die den Glauben an die Politik verloren haben“ – und deren kennt er selbst persönlich viele. Trotzdem sieht er die Situation nicht als hoffnungslos an, denn Politik sei ein Weg, ein „Merkmal des Zusammenlebens“, und kein Ziel – und müsse deswegen immer von neuem in Angriff genommen werden.
„Politik ist letztlich die Kunst, in Freiheit und Gleichheit mit anderen zusammenzuleben“, definiert O’Gorman. Damit sei die Politik nicht das Problem, sondern Teil der Lösung, ein Heilmittel gegen das „gedankenlose Böse“, dem Arendt den berühmten Begriff der „Banalität des Bösen“ verliehen hat.
O’Gorman bedauert, dass Politik in den Medien, aber auch in Serien wie „Game of Thrones“ so oft als ein bloßes Spiel um Macht, Intrigen, Lügen, Manipulation und Herrschaftsstreben dargestellt wird. Vieles von dem, was wir heute Politik nennen, sei nur die Korruption von Politik, meint O’Gorman, deswegen brauche es nicht weniger, sondern eine bessere Politik.
Politik bedeute aber noch mehr: das in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung prominent erwähnte Verfolgen von Glück, das zu den unveräußerlichen Rechten gezählt wird. Aber privates Glück, so lautete die Hauptthese von O’Gorman, hängt vom öffentlichen Glück ab – und ein gelingendes öffentliches Leben von der Freiheit und Gleichheit der an ihm Teilnehmenden. Man könne Politik nicht entgehen, man könne sie nur „konstruktiver oder destruktiver machen, demokratischer (als Vorrecht der Bürger) oder oligarchischer (als Privileg der Wenigen) gestalten“.
Eine konstruktive Politik beruhe auf Denken, Sprechen und Handeln. Sie ereignet sich, „wenn Menschen frei als Gleiche zusammenkommen und gemeinsam Anliegen im Gespräch oder handelnd begegnen“ – und das auch oder gerade in Krisenzeiten, betont O’Gorman, wo statt auf politische häufig auf technologische oder wirtschaftliche Lösungen gesetzt würde.
Autoritarismus, Zwang, Effizienz und Kontrolle stellt O’Gorman mit Arendt das „Wunder“ einmaliger, unvorhersehbarer Handlungen entgegen, dem Glauben in die freien Märkte des Kapitalismus, die in Wahrheit volatil und destruktiv sein könnten, eine Wiedergewinnung des Begriffs von Politik, der auf Argumenten und der Verantwortung einer frei gebildeten Meinung beruht. Politisches Handeln müsse immer auf Überzeugung beruhen und stelle somit das Gegenteil von Gewalt und Manipulationen dar. Vielmehr sei die Politik ein Raum, in dem die Menschen die Freiheit hätten, unterschiedlicher Meinung zu sein.
Gormans gut verständliche Ausführungen lassen sich auch als Einführung in das Denken einer der profiliertesten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts lesen, weniger als ein Buch über Hannah Arendt denn als ein „arendtianisches Buch“ – in jedem Fall aber stellen sie aber eine optimistische, Mut machende Bestimmung der Politik als „Kunst der freien Kooperation und Koordination und des Kompromisses“ dar. In Krisenzeiten notwendiger denn je.
Kirstin Breitenfellner in Falter 29/2021 vom 23.07.2021 (S. 15)