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Es vergeht keine Woche, in der es Nichts zum Staunen gibt.

25. November 2022

SZ Österreich

https://nl-link.sueddeutsche.de/custloads/783191557/md_1693807.png Alexandra Föderl-Schmid, Stellvertretende Chefredakteurin

 

Lieber Herr Karl!

Eines muss man den politischen Entscheidungs­trägern in Öster­reich las­sen: Es ver­geht keine Woche, in der sie nicht zum Stau­nen An­lass geben. Wer ge­glaubt hat, dass sich in die­sem Land nach all den be­kannt ge­wor­denen Miss­stän­den tat­säch­lich etwas än­dert und gar Kon­se­quen­zen ge­zogen werden, der wurde in den ver­gan­genen Tagen eines Bes­seren be­lehrt.

Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Aus­ge­rech­net Gerald Fleisch­mann, den Ver­trau­ten von Sebas­tian Kurz und Mit­be­schul­dig­ten in der Inse­raten­af­färe, machte Kanz­ler Karl Ne­ham­mer zum neuen Kom­mu­ni­kations­chef der ÖVP. Fleisch­mann ist jener Mann, der in Re­dak­tionen an­rief, wenn sich Kurz un­ge­recht be­han­delt oder nicht po­si­tiv genug dar­ge­stellt fühlte. Der Er­fin­der des Mes­sage Con­trol, wo­run­ter der Ver­such der to­ta­len Kon­trol­le der Me­dien zu ver­ste­hen ist, soll nun die Kom­mu­ni­kations­ar­beit für jene Par­tei ver­ant­wor­ten, die gerade durch diese Machen­schaf­ten ins Zwie­licht ge­ra­ten ist. Hier wird der Bock zum Gärt­ner ge­macht. Und man fragt sich mit Blick auf die ÖVP: Sind die so?

Dabei hat Nehammer Anfang November so etwas wie eine Dis­tan­zie­rung er­ken­nen las­sen; wenn auch mit einer Ein­schrän­kung ver­sehen: „Wenn es diese Vor­gän­ge ge­ge­ben hat, dann ver­ur­tei­le ich sie aufs Schärfste. Kor­rup­tion hat in Öster­reich defi­ni­tiv keinen Platz“, ver­si­cherte er im Parla­ment und be­teu­erte: „So bin ich nicht, und so sind wir nicht.“ Er be­haup­te­te auch noch: „Die, die ge­fehlt ha­ben, müs­sen Kon­se­quen­zen tragen.“

Offenbar nicht – oder nicht alle. Denn für Fleisch­mann gilt, das wird nun über­all be­tont, selbst­ver­ständ­lich die Un­schulds­ver­mu­tung. Die gilt aber wie­de­rum zu­min­dest in der Par­tei nicht für Thomas Schmid, mit dem Kurz, Fleisch­mann und all die an­de­ren so gern ge­chattet ha­ben. Und der mit­hilfe fri­sier­ter Um­fra­gen des­sen Auf­stieg an die Spitze der ÖVP und schließ­lich ins Kanzler­amt be­för­dert hat.

Der ÖVP-Ethikrat hat mit der erstaunlichen Be­grün­dung, Schmid habe schwere Straf­ta­ten ge­stan­den, den Partei­aus­schluss empfoh­len. Nun könnte man auf den Ge­dan­ken kom­men, dass wo­mög­lich der Haupt­profi­teur der „Wer zahlt-schafft-an“-Aktio­nen der Volks­par­tei min­des­tens ge­nau­so ge­scha­det hat. Denn schließ­lich ist seit Be­kannt­wer­den der Af­fären die Par­tei in den Um­fra­gen so weit ab­ge­stürzt, dass sie längst nicht mehr an der Spitze liegt.

Aber weit gefehlt! Für Sebastian Kurz gilt selbst­ver­ständ­lich in der ÖVP wei­ter­hin die Un­schulds­ver­mu­tung, und die Par­tei über­nimmt so­gar noch die Rech­nung für den An­walt. Die Kos­ten für die mani­pu­lier­ten Um­fragen hat im Übri­gen der Steuer­zahler ge­tra­gen. Kurz hat erst jüngst als Reak­tion auf Schmid mit Blick auf das Bud­get des Außen­minis­teri­ums den be­mer­kens­wer­ten Satz for­mu­liert, er hat­te diese Mittel „zur Ver­fügung“ – Geld der Steuer­zahler als per­sön­li­che Ver­fü­gungs­masse.

Angesichts der jüngsten Ent­wick­lungen würde es auch nicht über­raschen, dass Sebas­tian Kurz das ge­lingt, was Fleisch­mann ge­schafft hat: ein Come­back an der Spitze der ÖVP. Alles scheint mög­lich zu sein in die­sem Land, des­sen Poli­tik so viel zum Stau­nen und Wun­dern bietet.

Schönes Wochenende!

Alexandra Föderl-Schmid

Posted by Wilfried Allé Saturday, November 26, 2022 8:41:00 PM
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