von Gerhard Zeiler
Verlag: |
Brandstätter Verlag |
Format: |
Hardcover |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Erscheinungsdatum: |
25.11.2019 |
Preis: |
€ 22,00 |
Rezension aus FALTER 48/2019
Gerhard Zeilers Plan B für Pamela Rendi-Wagner
Der Medienmanager will offensichtlich bei der Zukunft der SPÖ mitreden. Ob die Parteiführung seine Denkanstöße ernst nimmt?
Was wäre gewesen, wenn Gerhard Zeiler in den letzten drei Jahren die SPÖ geführt hätte? In seinem neuen Buch „Leidenschaftlich rot. Darum mehr Sozialdemokratie“ lässt der 64-jährige Medienmanager, der seine Karriere als SPÖ-Parteisekretär begonnen hat, keine Zweifel daran, dass er im Jahr 2016 gerne die Partei übernommen hätte. „Hätte ich nur annähernd geahnt, aus welchem Persönlichkeitsholz Christian Kern geschnitzt ist, wäre ich im Mai 2016 in einer Kampfabstimmung um den Parteivorsitz gegen ihn angetreten“, schreibt Zeiler.
Er stoppt aber auch gleich Gerüchte ab, er wolle 2019 einen zweiten Anlauf starten. Nein, seine – mit dem Journalisten Peter Pelinka gemeinsam verfasste – Streitschrift sei kein Bewerbungsschreiben. „Nicht, dass es nicht Zeiten gegeben hätte, in denen ich mir sehr gut vorstellen hätte können – und es auch explizit angestrebt hatte – mitzuhelfen, die SPÖ wieder zu einer erfolgreicheren Partei zu machen. Aber diese Zeiten sind vorbei.“ Pamela Rendi-Wagner sei für ihn die ideale Kandidatin einer progressiven Mitte-links-Partei des Jahres 2019. Weil Ärztin, Quereinsteigerin, Frau. Wenn auch von keinem idealen Beraterteam umgeben.
Was würde Zeiler anders machen? Zeiler ist Medienprofi genug, um konkrete Antworten zu liefern. Er würde zum Beispiel im Fall des Falles, dass die türkis-grünen Koalitionsgespräche scheitern, ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Duldung einer Minderheitsregierung vorschlagen, begrenzt auf zwei Jahre und unter klaren Bedingungen. Erstens „die Erhöhung des monatlichen gesetzlichen Netto-Mindestlohns auf 1700 Euro innerhalb des ersten Regierungsjahres“ und zweitens die „Verabschiedung eines akkordierten und wirksamen Klimapaketes, das eine CO2-Abgabe mit sozialem Ausgleich beinhaltet“. Eine Partei für die arbeitenden Menschen mit ökologischem Gewissen links der Mitte, das sollte in Zeilers Augen die SPÖ sein.
Man müsse den Begriff „Leistung“ wieder für sich erobern, ganz so, wie SPÖ-Chef Bruno Kreisky es im Jahr 1970 auf dem Programmparteitag tat. „Leistung, Aufstieg, Sicherheit“ waren damals die Kernslogans. Das verträgt sich zum Beispiel nicht mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, das Zeiler scharf ablehnt, genauso wenig mit klassenkämpferischen Parolen wie „Holt euch, was euch zusteht“ aus dem Kern-Wahlkampf des Jahres 2017.
Im neunten Kapitel legt Zeiler dann einen Entwurf für ein neues Parteiprogramm mit sechs Kernthesen vor. Die SPÖ sieht er als „Schutzpartei der sozial Schwächeren, Partei des sozialen Ausgleichs und der sozialen Gerechtigkeit“, als Kämpferin gegen den Klimawandel, aber als Wirtschaftsversteherin (Zeiler kritisiert das rote Nein zur Arbeitszeitflexibilisierung als „weltfremd“, und das ist nicht die einzige Kritik an den Gewerkschaften), als Bildungsreform-, Sicherheits- und Staatsreformpartei.
Hier spürt man: Zeiler wurde sozialisiert in einer Zeit, als seine geliebte Partei noch unhinterfragt die Mitte der Gesellschaft repräsentierte und die SPÖ-Chefs Kreisky, Fred Sinowatz (den er, als dessen Ex-Pressesprecher, als großen Politiker und Intellektuellen würdigt) und Franz Vranitzky hießen. So wie über Kern verliert Zeiler auch über Faymann wenig gute Worte, mehr noch: Er erwähnt ihn genau einmal, ganz so, als wären die immerhin acht Jahre, die er die Partei führte, verlorene Jahre gewesen. Was Zeiler über Rendi-Wagners Zukunft sagt, ist doppeldeutig. „Ob sie auf Dauer Parteivorsitzende bleiben wird, kann ich nicht vorhersagen. Ich weiß nicht einmal, ob ich es ihr wünschen soll.“ Ein ausführliches und beeindruckendes Bewerbungsschreiben für den Job als ihr Chefberater hat er jedenfalls abgegeben.
Barbara Tóth in FALTER 48/2019 vom 29.11.2019 (S. 24)
Gerhard Zeiler im Interview mit Michael Völker, vom 25. November 2019 ->