ELEC - Gutachten
2. April 2020
Europäischen Liga für Wirtschaftliche Zusammenarbeit – ELEC Rue Egmont 11 – Brussels
Als Nachfolger der Gründer der Europäischen Liga für wirtschaftliche Zusammenarbeit (ELEC *) teilen wir, die Präsidenten von ELEC International, die Nationalen ELEC Sektionen und die Internationalen Ausschüsse der ELEC die tiefe Besorgnis in der COVID-19-Pandemie, die in der EU zu einer Gesundheits- und Wirtschaftskrise in einer Größenordnung geführt hat, die niemand erwartet hat. Die Tiefe der Krise und ihre globale Natur erfordern eine große Solidarität und Zusammenarbeit auf allen Ebenen, insbesondere auf EU-Ebene. Es ist höchste Zeit, dass die europäischen Politiker mehr tun, es besser machen, schneller und gemeinsam zum Wohle aller EU-Bürger handeln.
Volle Unterstützung für alle Bemühungen der EU, die Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Folgen einzudämmen
Die gegenwärtige Gesundheitskrise, die durch das Corona-Virus ausgelöst wurde, zieht nun die Weltwirtschaft in eine globale Rezession, da drei Milliarden Menschen auf unserem Planeten in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind, während ganze Lieferketten und Unternehmen geschlossen wurden. Die Corona Pandemie führt zu einer Kombination aus Nachfrage-, Angebots- und Unsicherheitsschock. Das gefährdet die Beschäftigung und hat Auswirkungen auf die Ölpreise und die finanziellen Bedingungen.
Der medizinische und wirtschaftliche Kampf gegen COVID-19 ist miteinander verbunden.
Covid-19 stellt eine beispiellose Herausforderung für die europäischen Gesundheitssysteme und einen großen Schock für die EU-Wirtschaft dar. Die Tiefe der Rezession und das Tempo der anschließenden Erholung hängen entscheidend von 2 Faktoren ab: Der Effizienz der extremen Eindämmungspolitik, um die Katastrophe in den Krankenhäusern beherrschbar zu machen, um die Zahl der Todesopfer zu minimieren. Den massiven Unterstützungsmaßnahmen, die bereits unternommen wurden, um die Wirtschaft zu schützen und den darauffolgenden Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft.
ELEC unterstützt die Aktionen, die von den europäischen Institutionen durchgeführt wurden vollkommen. Sie lobt die Europäische Kommission für ihre Anstrengungen, insbesondere zur Stärkung der Investitionen durch die Coronavirus Response Investment Initiative, die Aussetzung der Fiskalischen Regeln und Grenzen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, um eine umfassende Soforthilfe zu gewährleisten und die temporäre Ermöglichung staatlicher Beihilfen, um europäische Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Sie begrüßt die kühnen und umfassenden Interventionen der EZB und den Beitrag der EIB zur Mobilisierung von Ressourcen.
Die nationalen Regierungen haben natürlich gehandelt, um ihre Bürger, Gesundheitssysteme und Volkswirtschaften zu unterstützen. Sie haben beispiellose „Whatever-it-takes“-Programme in Rekordgeschwindigkeit angenommen. Leider gibt es bei diesen nationalen Programmen zwei große Probleme. Sie sind unter den EU-Mitgliedsstaaten unkoordiniert und es fehlt an einem gemeinsamen Ansatz. Sie sind daher ungleich, bedrohen den Binnenmarkt und untergraben die Wirksamkeit der Maßnahmen.
In diesem Zusammenhang ist es zutiefst entmutigend, dass der Europäische Rat sich nicht auf eine gemeinsame fiskalische Reaktion auf den Gesundheitsnotstand und die damit verbundenen Budgetären Folgen einigen konnte. Der Mangel an europäischer Solidarität stellt eine existenzielle Gefahr für die EU dar. Die Notwendigkeit einer koordinierten und synchronisierten europäischen Reaktion wird von Stunde zu Stunde immer stärker. Die von der Pandemie am stärksten betroffenen EU-Mitgliedstaaten müssen auf die uneingeschränkte Solidarität der anderen zählen können, um öffentliche Meinungen und Finanzmärkte zu beruhigen. Ratsentscheidungen dazu, sind dringend erforderlich. Es ist an der Zeit, den Spielraum der europäischen Verträge voll auszuschöpfen.
Eine wirksame Zusammenarbeit, mutigere Aktionen und echte Solidarität
Da der medizinische und wirtschaftliche Kampf gegen COVID-19 miteinander verbunden ist, ist eine zweigleisige europäische Reaktion erforderlich, die sowohl medizinische als auch wirtschaftliche Herausforderungen bewältigt.
Erstens ist es notwendig, die Bereitstellung von Gesundheitsfürsorge in der gesamten EU zu gewährleisten, indem die Kosten für Tests, Präventionsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen und medizinische Behandlung in der gesamten EU geteilt werden. Jüngste Umfrageergebnisse legen nahe, dass unter den europäischen Bürgern erhebliche Unterstützung für einen wirksamen politischen Rahmen besteht, der die Beschaffung, Lagerung und Zuteilung von Arzneimitteln zentralisiert. Die Staats- und Regierungschefs der EU sollten dringend die gleiche Bereitschaft zeigen, Solidaritätsvereinbarungen zu akzeptieren, um mit Notsituationen im Gesundheitswesen fertig zu werden. ELEC unterstützt das Subsidiaritätsprinzip, aber die Pandemie hat deutlich gemacht, dass die Gesundheitssolidarität ein Ziel der EU ist, das eine kooperative oder gemeinsame Souveränität fordert, insbesondere in Notsituationen. Die gegenwärtige Krise zeigt die akute Notwendigkeit, enorme Investitionen in die Vorbeugung von Pandemie-Ereignissen auf EU-Ebene bereitzustellen. Ein kollektives Engagement auf EU-Ebene ist notwendiger denn je und sollte sich im neuen EU-Haushalt widerspiegeln.
Zweitens: Während COVID-19 ein exogener, symmetrischer Schock ist, der alle EU-Länder betrifft, ist die daraus resultierende wirtschaftliche und soziale Auswirkung differenziert, abhängig von der Ausbreitung der Pandemie, den herrschenden wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen, der Widerstandsfähigkeit und den verfügbaren Reserven. Ohne Maßnahmen, um die finanzielle und wirtschaftliche Last der Krise gemeinsam zu tragen, besteht das Risiko, dass die Pandemie-Krise zu starken wirtschaftlichen und sozialen Divergenzen führen und eine neue Staatsschuldenkrise im Euroraum auslösen könnte.
Daher ist es in den kommenden Tagen zwingend erforderlich, dass sich alle Mitgliedstaaten des Euroraums und die Europäische Union auf eine gemeinsame Fiskalischen Reaktion auf die Krise einigen. Diese sollte sicherstellen, dass die Haushaltskosten der Pandemie überall unter gleichwertigen und günstigen Bedingungen finanziert werden können.
Wir glauben, dass eine gemeinsame Ausgabe von Schuldverschreibungen des Euroraums (COVID Eurobonds) in einem angemessenen Umfang, sowohl zur Beruhigung der Märkte, als auch zur Unterstützung der Mitgliedsstaaten – beginnend mit den am stärksten betroffenen, aber nicht beschränkt auf sie – durch diese außergewöhnliche Krise von entscheidender Bedeutung ist. ELEC hat schon widerholt derartige Lösungen vorgeschlagen, z.B. Eurobill-Vorschlag einer kurzfristigen gemeinsamen Finanzierung. Wenn diese Lösung kurzfristig nicht umgesetzt werden kann, sollten alternative Optionen rasch umgesetzt werden.
Eine erste Option wäre eine neue oder die Umgestaltung einer bestehenden Fazilität im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), mit einer ultraleichten Konditionalität, die sich auf eine Ex-post-Überwachung der Mittelverwendung beschränkt. Die Mittel sollten zur Bekämpfung der Pandemie verwendet werden, mit extrem niedrigen Aufschlägen auf die ESM Finanzierungskosten versehen und für alle Länder des Euroraums nutzbar sein, selbst wenn sie nicht auf die Fazilität zugreifen, um jegliche Stigmatisierung zu vermeiden. Alternativ, oder vorzugsweise als Ergänzung, könnte im EU-Haushalt ein neues EU-Instrument eingerichtet werden, das die wirtschaftlichen Auswirkungen symmetrischer Schocks, wie z. B. Gesundheitsnotfälle, unterstützt. Eventuell ergänzt durch zusätzliche nationale Ressourcen. Diese mutigen Maßnahmen hätten den weiteren Vorteil, das Vertrauen in den Euro und seine internationale Rolle zu stärken, mit positiven Auswirkungen auf die Vollendung der Banken- und der Kapitalmarktunion.
Die Entscheidungen müssen die unterschiedlichen politischen Emotionen in den Mitgliedstaaten berücksichtigen. Empathie, gegenseitige Achtung, Mäßigung, Kreativität und echte Staatsmänner sind die Zutaten, die notwendig sind, um zu zeigen, dass die Europäische Union ein Projekt der Hoffnung, der Solidarität und der Verantwortung ist. Um Unterstützung und Vertrauen aufzubringen, sollten die Staats- und Regierungschefs der EU überzeugend kommunizieren, dass die Solidarität der EU eine notwendige Ergänzung und Stärkung der Wirksamkeit nationaler Bemühungen ist. Jetzt ist es an der Zeit, Leben und die Europäische Union zu retten.
Bernard Snoy et d’Oppuers (President ELEC International), Rainer Boden (Vice-President ELEC International), Servaas Deroose (Special Advisor to President ELEC International), François Baudu (Secretary General ELEC International), Andreas Grünbichler (ELEC Austria), Branco Botev (ELEC Bulgaria), Olivier Klein (ELEC France), Wim Boonstra (ELEC Netherlands & Monetary Commission), Maciej Dobrzyniecki (ELEC Poland), Antonio Martins da Cruz (ELEC Portugal), Radu Deac (ELEC Romania), Frances Homs Ferret (ELEC Spain), Thomas Cottier (ELEC Switzerland), Philippe Jurgensen (President ELEC Economic and Social Commission), Senén Florensa (President ELEC Mediterranean Commission), Javier Arias (ELEC International).
*) ELEC wurde 1946 gegründet und unterstützt seit Beginn das europäische Projekt. ELEC, ein Gründungsmitglied der Europäischen Bewegung, ist eine internationale gemeinnützige Vereinigung, die auf die Förderung der Integration innerhalb der EU abzielt und den Geist der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten und Menschen auf institutioneller, wirtschaftlicher, sozialer, politischer und kultureller Ebene fördert, um die Rolle Europas weltweit zu stärken.
ELEC-website: www.elec-lece.eu