"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen", lautet Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Jede Freiheit, die wir einfordern, müssen wir als wertvolles und zerbrechliches Gut begreifen, als Aufgabe. Aber mit unserer Freiheit können wir uns selbst und andere in Gefahr bringen, genau daraus entsteht die Verpflichtung, besonnen mit ihr umzugehen. Ignorieren wir diese Tatsache, verwechseln wir Freiheit mit Fahrlässigkeit. Der Schritt in die Freiheit ist gewissermaßen ein Schritt in die Selbstständigkeit. Je freier ich bin, desto mehr trage ich die Konsequenzen für mein Tun. Das heißt natürlich auch: Alles, was wir tun, hat Auswirkungen, deren wir uns bewusst werden müssen,
Niemand kann frei sein, ohne selbstständig zu sein, stellte Maria Montessori schon vor über 100 Jahren fest. Je mehr Zusammenhänge wir verstehen, desto freier können wir leben. Wenn wir klare Denkbilder besitzen, hielt Montessori fest, und die Fähigkeit haben, Entscheidungen zu treffen, so gibt uns das ein Gefühl von Freiheit. Wir sind dadurch nämlich nicht von anderen abhängig.
Anders gesagt: Je mehr Wissen wir uns aneignen, desto freier können wir nicht nur sein, sondern sind es tatsächlich. Je genauer ich einschätzen kann, wohin meine Aktionen führen, desto mehr Wahlfreiheit besitze ich. Freiheit ist immer ein Abwägen, ein Differenzieren. Sie ist nie absolut und schließt auch stets die Freiheit ein, das, was sich als Freiheit ausgibt, zu hinterfragen oder abzulehnen.
Füge ich im Ausleben meiner Freiheit anderen Schaden zu, bin ich nicht frei, sondern asozial, eine Gefahr für die Allgemeinheit. Das ist ein universelles Gesetz, so ungern wir es hin und wieder hören. Die meisten von uns haben diese Grundvoraussetzung der Freiheit in ihrer Erziehung oder Schulbildung kennengelernt, es gehört zum Repertoire einer demokratischen Gesellschaft.
Lebensgefühl ohne moralische Bedingungen auszuleben ist nicht Freiheit, sondern Rücksichtslosigkeit. Dort, wo wir uns der Rücksichtslosigkeit hingeben, weil wir es nicht schaffen, ein Bewusstsein zu entwickeln, muss der Staat eingreifen. Woraus wiederum folgt, dass der Staat Gesetze, Verbote, bis Zwangsmaßnahmen erlassen muss, um das zu regeln, was in solidarisch gelebter Freiheit selbstverständlich wäre.
Liest man in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bis Artikel 27 weiter, findet man, dass jeder Mensch das Recht hat, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, doch schon der übernächste Artikel sagt, dass er Beschränkungen unterworfen ist, um die Achtung der Freiheiten anderer zu sichern und den Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles zu genügen. Ich darf, erkenne ich Freiheit als das an, was sie ist, andere nicht durch meine Freiheitsausübung einengen und gefährden.
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