Wenig Anlass zu nationaler Begeisterung bietet auch der laufende Prozess gegen einen ehemaligen Bundeskanzler und seinen Gehilfen wegen falscher Zeugenaussage. Vieles daran ist einfach Frage eines peinlich schlechten persönlichen Geschmacks, etwa wenn Sebastian Kurz den Tod von Christian Pilnacek, kaum eingetreten, vor Gericht dafür zu verwerten sucht, sich selber als einen Märtyrer dunkler Mächte darzustellen. Schon der Vergleich war haarsträubend falsch, denn bei Pilnacek sollen es die Staatsanwälte gewesen sein, bei Kurz war es aber ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss.
Nun ist ein U-Ausschuss eine Kontrollinstanz des Nationalrates, und zwar zur Kontrolle der Regierung und ihrer Mitglieder. Kurz war nicht der erste Bundeskanzler, der sich schwer damit tat, dass eine Regierung dem Parlament verantwortlich ist, und nicht umgekehrt. Aber noch keiner hat in einem derartigen Ausmaß versucht, diese in der Verfassung verankerte Tatsache rhetorisch auszuhebeln, indem er den Ausschuss als eine Art Folterkammer für arglose Verwalter zu diffamieren versucht. "Man wollte mich zerstören. Die Angst hat meine Formulierungen geprägt", klagte er vor Gericht. Was nicht ganz verständlich ist, wo er doch "ein starker Kanzler" sein wollte.
Über seine Glaubwürdigkeit als Zeuge urteilt das Gericht, über seine politische Glaubwürdigkeit ist nicht eine "boshafte Menschenjagd" hinweggegangen, sondern ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der sich kritische Fragen erlaubte. Ihn aus Eigeninteresse zu verteufeln heißt, der Demokratie einen schlechten Dienst zu erweisen.