Franz Nauschnigg[1]
Die ASFINAG als Modell für Infrastrukturfinanzierung
Zusammenfassung
Derzeit wird in der EU diskutiert wie die Investitionen und damit das Wachstum und die Beschäftigung angekurbelt werden können. Mit dem österreichischen ASFINAG Modell für Autobahnen und Schnellstraßen wurde seit 1997 außerbudgetär durch Infrastrukturinvestitionen die Inlandsnachfrage angekurbelt und langfristig durch bessere Infrastruktur der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt. Die ASFINAG ist eine Aktiengesellschaft im Staatseigentum mit Staatsgarantie für Schulden, die weil sie sich durch Nutzergebühren vollständig finanziert, dem privaten Sektor zugerechnet wird. Durch das ASFINAG Modell erfolgt der Übergang von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung für die Autobahnen; Es vereint die Vorteile des öffentlichen, niedrige Finanzierungskosten, mit jenen des Privaten Sektors, höhere Effizienz. Es ist gerechter, effizienter und kann auch antizyklisch eingesetzt werden. Das ASFINAG Modell könnte für Autobahnen auch in anderen EU Ländern eingesetzt und darüber hinaus für die Finanzierung des Ausbaus anderer Infrastruktur Bereiche wie Energie-, und Telekomnetze EU weit genutzt werden. Zusätzlich zum „Junker Plan“ könnten mit dem ASFINAG Modell für Infrastrukturfinanzierung, zusätzliche nationale Infrastrukturinvestitionen finanziert werden, um die gegenwärtige Stagnation in der EU zu überwinden.
Die österreichische Vignette für PKW wurde mit dem ASFINAG Modell 1997 nicht diskriminierend eingeführt und es gab für österreichische PKW Besitzer keine entsprechenden Steuersenkungen. Die derzeit vorgeschlagene deutsche Infrastrukturabgabe (Vignettenmodell) ist aus meiner Sicht EU rechtlich bedenklich und führt zu einer Ausländerdiskriminierung, da Inländer durch die gleichzeitige vorgesehene Senkung der KFZ-Steuer ökonomisch nicht belastet werden. Gegenmaßnahmen anderer Staaten sind zu erwarten.
JEL Codes E 22, E62, H41, R 48, H54
Keywords Investment, Fiscal policy, Public goods, Transportation, Infrastructure
- Einleitung
Derzeit wird in der EU heftig diskutiert wie am besten die Investitionen und damit das Wachstum und die Beschäftigung angekurbelt werden können. Die EU Kommission hat dazu einen „Investitionsplan für Europa“, auch „Junker Plan“ genannt (EU, 2014) vorgestellt, mit dem ein Volumen von 315 Mrd. Euro mobilisiert werden soll. Damit sollen die Investitionen in der EU die als Folge der Krise um 15 % gefallen sind, womit eine Investitionslücke entstand, wieder angekurbelt werden. In der EU gibt es ausreichend Investitionsnotwendigkeiten und ökonomisch sinnvolle Projekte, sowie auch ausreichende liquide Mittel die zur Finanzierung verwendet werden können.
Die bisherige EU Wachstumsstrategie war aus meiner Sicht bisher nicht ausreichend um das EU Wachstum substantiell zu erhöhen, da sie überwiegend auf Strukturreformen basierte, die erst mittel- bis langfristig wirken, am Anfang erfolgt sogar oft eine Verschlechterung der Wachstumsperformance - J curve Effekt.
Mit dem „Junker Plan“ wird erstmals offensiv die Nachfrage angekurbelt. Es ist jedoch fraglich ob er allein ausreichend für eine nachhaltige Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung in der EU sein wird, um die gegenwärtige wirtschaftliche Stagnation in der EU zu überwinden. Nationale Investitionen im öffentlichen Sektor sind jedoch durch die angespannte Budgetlage und die Restriktionen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in den meisten Ländern schwierig zu finanzieren.
Mit dem ASFINAG Modell für Infrastrukturfinanzierung, welches die nationalen Budgets nicht belastet, könnten ergänzend zum „Junker Plan“ zusätzliche nationale Infrastrukturinvestitionen finanziert oder auch mit den EU Mitteln kofinanziert werden. Damit könnte die derzeit niedrige Zinsphase für die günstige Finanzierung von Infrastruktur genutzt werden um damit Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln. Die ASFINAG ist damit auch ein Modell dafür, wie die Flexibilität des EU Stabilitäts- und Wachstumspaktes für außerbudgetäre Infrastrukturinvestitionen genutzt werden kann.
In Österreich ist eine Infrastrukturgesellschaft, die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG), für die Planung, die Finanzierung, den Ausbau, die Erhaltung, den Betrieb und die Bemautung des österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßennetzes zuständig (ASFINAG, 2014). Die ASFINAG ist vollständig im Eigentum der Republik Österreich wird jedoch in der EU nach dem Europäischen System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) dem Privatsektor zugerechnet. Die ASFINAG finanziert sich durch Mauteinnahmen aus dem hochrangigen Straßennetz und erhält keine finanziellen Zuschüsse aus dem Staatsbudget. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Vignette, der Lkw Maut und Sondermauttrecken werden wieder in Bau, Betrieb und Sicherheit des hochrangigen Straßennetzes in Österreich investiert.
Die ASFINAG hat seit 1997 Eigenkapital aus Innenfinanzierung von 2,8 Mrd. Euro aufgebaut. Ihr Kapital betrug Ende 2013 insgesamt 3,3 Mrd. Euro, bei Schulden von 11,4 Mrd. Euro. Die ASFINAG kann ihre Verpflichtungen durch ihre Einnahmen abdecken. 2013 lagen die Einnahmen der ASFINAG mit 2 Mrd. Euro, weit über den Ausgaben von 1,1 Mrd. Euro (ASFINAG, 2014).
Als jemand der als wirtschaftspolitischer Berater des Finanzministers direkt in die Umgestaltung der ASFINAG 1996 eingebunden war, freut es mich besonders, dass das ASFINAG Erfolgsmodell auch von der EU bei der im November 2014 erfolgten Umstellung des Europäischen Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) anerkannt wurde und die ASFINAG damit weiter im privaten Sektor bleibt. Da ich das ASFINAG Modell auch bereits mehrfach in Berlin vorgestellt habe, freut es mich auch, dass die deutsche Bundesregierung überlegt, nach dem ASFINAG Modell, die deutschen Autobahnen in eine neue Gesellschaft zu überführen und von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung überzugehen (Handelsblatt, 2015).
- Historische Eckdaten ASFINAG
Die ASFINAG wurde 1982 als zentrale Finanzierungsgesellschaft für alle Autobahngesellschaften Österreichs gegründet.
Im Jahre 1997 übernahm die ASFINAG über einen Fruchtgenussvertrag die Gesamtverantwortung für das Autobahn- und Schnellstraßennetz in Österreich. Das Eigentum blieb beim Bund. Zur Finanzierung Einführung der Vignette für PKW – 1000 Schilling für Jahresvignette (etwa 73 Euro), zusätzlich zu Einnahmen aus Sondermautstrecken. Die ASFINAG übernimmt Altschulden aus dem Autobahnbau vom Bund in der Größenordnung von etwa 3 % des BIP und die Finanzierung (mit Staatsgarantie) und den Ausbau des Autobahn- und Schnellstraßennetzes in Österreich. Die ASFINAG wird von der EU nach dem ESVG 1995 trotz 100 % Eigentum des Bundes und Staatsgarantie für Schulden dem Privatsektor zugerechnet.
2004 problemlose Einführung der streckenabhängigen LKW Maut für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen.
2006 direkte Übernahme des Straßenbetriebes durch Beendigung der Werkverträge mit den Bundesländern.
2014 ASFINAG bleibt auch im neuen ESVG 2010 im Privatsektor, weil gezeigt werden konnte, dass sie sich selbst aus Markteinnahmen finanziert. 2013 lagen die Einnahmen mit 2 Mrd. Euro weit über den Ausgaben von 1,1 Mrd. Euro. Die ASFINAG hat über die Jahre Eigenkapital aus Innenfinanzierung von 2,8 Mrd. Euro aufgebaut, ihr Kapital beträgt Ende 2013 insgesamt 3,3 Mrd. Euro, und ihre Schulden 11, 4 Mrd. Euro.
- Wirtschaftspolitische Überlegungen zur ASFINAG
Mitte der 1990er Jahre wurde insbesondere zur Erfüllung der budgetären Konvergenzkriterien für den Euro Beitritt eine Wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung in Österreich durchgeführt. Das notwendige Sparpaket zur Senkung des Defizits wurde 1996 durch ein Wachstums- und Konjunkturförderungspaket ergänzt (Nauschnigg, 2006, 2010) und damit eine wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung gewährleistet. Das Problem, das Österreich nach dem EU Beitritt hatte, war das die negativen Effekte in den bisher geschützten Bereiche unmittelbar eintraten, während die positiven Effekte längere Zeit benötigten. Die Strukturreformen durch den EU Beitritt wirkten erst mittel- bis langfristig, am Anfang erfolgte eine Verschlechterung der Wachstumsperformance, insbesondere in den betroffenen Sektoren die Beschäftigung abbauten. Die positiven Effekte überwogen erst mittel- bis langfristig, es kam zu einem J curve Effekt auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung. Diese negativen Struktureffekte wurden kurzfristig durch expansive Fiskalmaßnahmen, insbesondere außerbudgetäre Infrastrukturinvestitionen überkompensiert (Nauschnigg, 2010).
Die ASFINAG war ein wesentlicher Teil dieser Maßnahmen wodurch außerbudgetär durch Infrastrukturinvestitionen die Inlandsnachfrage angekurbelt und langfristig durch bessere Infrastruktur der Wirtschaftsstandort Österreich gestärkt wurde. Das Autobahn- und Schnellstraßennetz in Österreich wurde in eine Gesellschaft (ASFINAG zu 100 % im Bundesbesitz, Bundesgarantie für Schulden, dadurch günstige Finanzierung) ausgegliedert. Diese übernahm Schulden von Staat (etwa 3 % des BIP), dadurch Erfüllung des Konvergenzkriteriums sinkender Schuldenstand. Die ASFINAG Investitionen werden nicht mehr defizitwirksam verrechnet, da sie durch Mauten, PKW Vignette und seit Anfang 2004 durch LKW Maut finanziert werden.
Das Prinzip für diese Ausgliederungen war – Investitionen werden aus öffentlichen in privaten Sektor transferiert, sodass diese das Budget nicht mehr belasten. Der Bund behält das Eigentum und überträgt nur das Fruchtgenussrecht an die ASFINAG. Die ASFINAG bekommt zusätzlich Bundesgarantien für die Schuldenaufnahme, sodass die Finanzierung günstiger als durch Private erfolgen kann. Wir überlegten uns damals auch klassische öffentlich private Partnerschaften (ÖPP), kamen aber zu dem Schluss das Private nie die niedrigen Finanzierungskosten des Staates erreichen werden. Da die Finanzierungskosten einer der größten Kostenblöcke sind, werden Private daher immer teurer als das ASFINAG Modell sein. Die Effizienzvorteile sollten durch privatwirtschaftliche Organisationsmodelle erreicht werden.
Die Infrastrukturfinanzierung die traditionell für Autobahnen, aus dem Budget erfolgte, wurde damit aus dem Budget ausgegliedert und einer dem Privatsektor zuzurechnenden, allerdings zur Gänze im öffentlichen Eigentum stehenden Gesellschaft übertragen. Die Straßenbausektion des zuständigen Wirtschaftsministeriums war darüber nicht sehr glücklich. Die rechtliche Umsetzung erfolgte mit dem Infrastrukturfinanzierungsgesetz 1997. Der Staat agierte damit nicht mehr traditionell über Budget und Bürokratie sondern über eine private Gesellschaft. Diese kann durch die Ausgliederung aus dem öffentlichen Sektor effizienter agieren.
Vorteile dieses Public-Private ASFINAG Finanzierungsmodells
- Höhere Infrastrukturinvestitionen – bei der ASFINAG etwa 0,2 – 0,4 % des BIP. Zusätzlich noch flexibel der Konjunktur entsprechend einsetzbar – 2007 geringe Ausgaben von 0,8 Mrd. €, diese wurden bis 2010 auf 1,7 Mrd. € erhöht.
- günstige Finanzierung durch Bundesgarantie für Schulden
- Bessere Darstellung und buchhalterische Behandlung von Investitionen. Im Budget, wie generell im öffentlichen Sektor in der Kameralistik, wurden öffentliche Infrastrukturinvestitionen zur Gänze als Aufwand im Jahr der Erstellung behandelt, welche das Budgetdefizit erhöhen. Im Privatsektor gibt es selbstverständlich die doppelte Buchhaltung mit Abschreibungsmodellen, mit Abschreibungen je nach Lebensdauer der Investition.
- Der Druck zur Bezahlung der Wegekosten durch Benützer wird erhöht. Die PKW Jahresvignette kostete 2014 82,7 Euro. Für LKW ab 3,5 Tonnen waren je nach Achslast und Umweltstandard zwischen 0,16 – 0,44 Euro/km zu bezahlen. Wie ich schon in meiner Diplomarbeit feststellte (Nauschnigg, 1982) trägt der LKW seine Straßenkosten nicht und es kommt dadurch zu Verzerrungen zwischen den Verkehrsträgern[2]. Warum soll der Steuerzahler den Verkehr subventionieren? Es erfolgt ein Übergang von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung.
- Gesellschaften können im Allgemeinen effizienter und flexibler agieren als die Staatliche Verwaltung. Das WIFO stellte bereits 2005 fest „Die bisherige Korporatisierung bringt bereits spürbare Effizienzgewinne“ (WIFO, 2005). Die Einführung der LKW Maut erfolgte in Österreich, wie geplant, Anfang 2004 ohne Probleme und Zeitverzögerungen. Insbesondere die Übernahme des Straßenbetriebes durch die ASFINAG nach Beendigung der Werkverträge mit den österreichischen Bundesländern wirkte Effizienz steigernd. Bis die Übernahme des Straßenbetriebes von den Bundesländern abgeschlossen war dauerte es allerdings fast 10 Jahre. Es war daher richtig die Aufgabe der Verhandlung mit den Ländern der ASFINAG zu übertragen und nicht schon 1996 eine fertige Lösung mit den Bundesländern zu suchen, da sich dadurch alles verzögert hätte.
- Die Vorteile des Privatsektors (Effizienz, Flexibilität) werden mit denen des öffentlichen Sektors (niedrigere Finanzierungskosten) kombiniert.
- Die Ausbauprioritäten erfolgen nach den Verkehrsströmen und nicht nach den politischen Prioritäten des jeweiligen Ministers. In Österreich wurde mir in meiner Zeit im Wirtschaftsministerium erzählt das es früher vorgekommen sein soll das die Bundesländer aus denen der jeweilige Minister kam bevorzugt behandelt wurden.
- Es wird das ganze Netz verwaltet, womit Synergien genutzt und Transaktionskosten, wenn private nur Teile des Netzes bauen, gespart werden können.
Die Bauwirtschaft wurde durch diesen beschleunigten Ausbau der Infrastruktur zur Konjunkturstütze. Die Bauinvestitionen stiegen von 1996 bis 2000 in Österreich durchschnittlich um 0,6 % (in Deutschland sanken sie durchschnittlich um 1, 3 %) (Europäische Wirtschaft Nr. 5/2002).
Damit gelang es von 1995 - 1999 in Österreich sowohl Wachstum, zwischen 2,1 und 3,6 %, als auch Budgetkonsolidierung, das Defizit sank von 5,8 % auf etwas über 2 % des BIP, miteinander zu vereinbaren. Die Arbeitslosigkeit stieg nur leicht an und erreichte 1999 wieder den Wert von 1995 von 3,9 % (Nauschnigg, 2010). Es erfolgte damit eine wachstumsfreundliche Budgetkonsolidierung.
Das ASFINAG Model wurde auch von der EU bei der 2014 erfolgten Umstellung des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (ESVG) anerkannt. Hier gab es einige Diskussionen mit einzelnen Hardlinern in EU Kommission und Eurostat, die von einzelnen Ländern unterstützt wurden. Weil aber überzeugend demonstriert werden konnte, das die ASFINAG ihre Verpflichtungen durch ihre Einnahmen (2013 LKW Maut 1,1 Mrd. €, Vignette 0,4 Mrd. €, Sondermauten 0,15 Mrd. €) abdecken kann, bleibt die ASFINAG weiter im privaten Sektor. Wichtig war auch das sich EZB Präsident Draghi für die Nutzung der Flexibilität des Stabilitäts- und Wachstums Paktes (SWP) aussprach[3]. Nachdem nunmehr sogar die deutsche Bundesregierung überlegt das ASFINAG Model anzuwenden (Handelsblatt, 2015), ist auch von deutscher Seite kein Angriff gegen das ASFINAG Model mehr zu erwarten.
- Andere Finanzierungsmodelle in Österreich in den 1990er Jahren
Aufbauend auf dem ASFINAG Modell des Finanzministeriums gab es in den 1990er Jahren auch weitere Finanzierungsmodelle insbesondere für Schienen- (Verkehrsministerium) und Gebäude Infrastruktur (Wirtschaftsministerium) in Österreich.
SCHIG später ÖBB
Errichtung einer Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (SCHIG zur Gänze im Bundesbesitz) zur außer budgetären Finanzierung des Eisenbahnausbaus. Wurde später Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) übertragen. Forcierter Ausbau der Eisenbahnen jährlich 2 – 2,4 Mrd. Euro – Strecken, Tunnels, Bahnhöfe allein in Wien 2 große Bahnhöfe umgebaut, bzw. komplett neu errichtet; der neue Wiener Zentralbahnhof war zeitweise die größte Baustelle Europas die ohne Bürgerproteste abgewickelt wurde. Wird nach ESVG nunmehr dem staatlichen Sektor zugerechnet, da die ÖBB die Schulden von 22 Mrd. € nicht selbst abtragen kann, diese zählen daher zu den Staatschulden. Österreich ist damit langfristig aus meiner Sicht besser aufgestellt als Deutschland, wo die Deutsche Bahn insbesondere auf Grund der wesentlich geringeren Investitionen in die Infrastruktur nicht dem Öffentlichen Sektor zugerechnet wird.
BIG
Übertragung von Bundesliegenschaften (Schulen, Universitäten usw.) an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG zur Gänze im Bundesbesitz) gegen Entrichtung eines Entgeltes von etwas über 1 % des BIP. Finanzierung durch Vermietung der Gebäude an den Bund. Die verlangten Mieten führen zu einer rationelleren Nutzung der Mietobjekte durch die öffentliche Verwaltung. Die Bau Investitionen werden durch diese außerbudgetäre Finanzierung angekurbelt, was die Bauwirtschaft belebt. Wurde 2014 nach ESVG dem staatlichen Sektor zugerechnet, weil die Erträge überwiegend aus der Vermietung an den Bund kommen.
- ASFINAG als Modell für Infrastrukturausbau in Österreich und der EU
Die gegenwärtige schwache Konjunktur erfordert eine offensive Wirtschaftspolitik zur Vermeidung einer Rezession, Stabilisierung der Nachfrage und Vermeidung eines starken Anstiegs der Arbeitslosigkeit. Auf Grund der hohen Staatsschulden als Folge der Finanzkrise sollte dies allerdings nicht über eine Erhöhung des Budgetdefizits erfolgen, sondern es sollte der eingeschlagene moderate Konsolidierungskurs fortgesetzt werden. Dies um die derzeitige günstige Finanzierung für Österreich aber auch andere Euroraumländer nicht zu gefährden.
Präsident Junker hat dafür ein 315 Mrd. Euro Finanzierungspaket vorgeschlagen. Dieses könnte durch nationale Infrastrukturfinanzierung nach dem ASFINAG Modell in den EU Mitgliedstaaten ergänzt werden und damit einen wesentlich höheren Wachstumsimpuls bringen.
Infrastrukturinvestitionen haben gerade in der derzeitigen Phase mit unterausgelasteten Kapazitäten einen hohen Fiskalmultiplikator. Der IWF hat in seinem Word Economic Outlook (IWF, 2014) im Herbst 2014 in einem eigenen Kapitel 3 festgestellt das öffentliche Infrastrukturinvestitionen das Wirtschaftswachstum kurz- und langfristig erhöhen. Dies besonders in Zeiten hoher Reservekapazitäten in der Volkswirtschaft. Sogar schuldenfinanzierte Projekte steigern über den Fiskalmultiplikator das Wachstum stark und auch die Staatsschuldenquote steigt dadurch nicht, wenn die Projekte effizient sind.
Der Multiplikator für Fiskalpolitik ist besonders wirksam wenn die Geldpolitik wegen Erreichen der Nullzinsgrenze nicht mehr voll handlungsfähig ist. Die US Notenbank Federal Reserve (Hills, Nakata, 2014) kommt auf Multiplikatoren zwischen 1,1 und 2,5 wodurch die Fiskalpolitik das Wachstum wirksam ankurbeln kann und im günstigsten Fall der BIP Anstieg den Schuldenanstieg überkompensiert, sodass die Staatsschulden in Relation zum BIP sogar sinken.
In einer Metastudie (Gechert, Will, 2012) in der insgesamt 89 Studien über Multiplikatoren Effekte untersucht wurden, ergab sich für Öffentliche Investitionen der höchste Multiplikator von 1,2. Gerade in einer Phase ökonomischer Unterauslastung wie sie derzeit gegeben ist, sind sogar noch höhere Multiplikatoren zu erwarten.
Auch die EU Kommission (Carnot, Castro, 2015) kommt zu dem Schluß das in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Fiskalmultiplikatoren höher sind, wobei die Multiplikatoren auf der Ausgabenseite zwei- bis dreimal höher sind als auf der Einnahmenseite.
In der derzeitigen Phase ökonomischer Unterauslastung der EU Volkswirtschaften sind daher öffentliche Infrastrukturinvestitionen besonders wachstumswirksam.
Österreich sollte hier als best practice Modell vorangehen. Das erfolgreiche ASFINAG Modell sollte wie schon 1997- 2000 und 2008 – 2010 zur Ankurbelung der österreichischen Bauwirtschaft durch verstärkte Baumaßnahmen der ASFINAG verwendet werden. Aus Umweltgesichtspunkten sollte eine Querfinanzierung des Schieneninfrastrukturausbaus durch EU rechtlich mögliche höhere Mauten für LKW auf den jeweiligen Transitstrecken überlegt werden. Weiters Anwendung des ASFINAG Modell für die Finanzierung des Ausbaus anderer Infrastruktur Bereiche wie Energie-, und Telekomnetze. Eventuell mit der Schaffung einer Infrastrukturholding mit einer zentralen Finanzierungsfunktion - Stromnetz, Gasnetz, Breitbandnetz der Telekom, eventuell auch für Wohnbau und Gebäudeinfrastruktur.
Insbesondere der sehr teure Ausbau der Elektrizitätsnetze zu „smart grids“ könnte durch das ASFINAG Modell wesentlich billiger erfolgen. In Österreich sollte überlegt werden, ob man nicht das Elektrizitätsnetz vom Verbund an die ASFINAG überträgt, oder nach dem ASFINAG Modell finanziert. Dies würde zu einer billigeren Finanzierung des Netzausbaus zu einem Smart Grid führen. Der Verbund bekommt dafür derzeit eine Verzinsung etwas über 6 %; er braucht es auch nach seinen verlustreichen Auslandsabenteuern in Italien und Frankreich. Mit dem ASFINAG Modell könnten die Zinskosten wahrscheinlich um über die Hälfte gesenkt werden, was den österreichischen Stromkunden im Vollausbau Ersparnisse in der Größenordnung etwa 100 Euro je Haushalt bringen könnte.
Das ASFINAG Modell könnte dann auch auf andere EU Länder und auch dort auf andere Infrastruktur Bereiche wie Transport-, Energie-, Telekomnetze ausgeweitet werden. Das ASFINAG Modell könnte von den einzelnen EU Ländern flexibel je nach ihren Infrastrukturbedürfnissen eingesetzt werden.
Zentral ist das bei all diesen Projekten für Einnahmenströme gesorgt wird, sodass die durch den Staat garantierten Schulden über die Laufzeit der Projekt zurückgezahlt werden können. Weiters das die Synergieeffekte durch das gesamte Netz und den Betrieb des Netzes genutzt werden können.
- Österreichisches und Deutsches Vignettenmodel
Österreichisches Vignettenmodel
Die Vignette dient der Einhebung der Straßenbenützungsgebühr für PKW. Gegenüber einer Treibstoffsteuer hat sie den Vorteil, dass sie unabhängig von der Antriebsart – Benzin, Diesel, Gas, Strom ist und auch in welchem Land der Treibstoff gekauft wurde. Dies ist bei einem kleinen Transitland wie Österreich bedeutsam, damit auch ausländische PKW für die Straßenbenützung ihren Beitrag leisten. Sie ist billig und einfach zu kontrollieren.
Die Vignette wurde 1997 nicht diskriminierend eingeführt und es gab für österreichische PKW Besitzer keine entsprechenden Steuersenkungen. Eine fahrleistungsabhängige Maut wurde damals überlegt, jedoch wegen der dafür notwendigen langen Vorlaufzeiten, höheren Einhebungskosten und der schwierigen politischen Akzeptanz wieder verworfen. Die Vignette wird bei PKW auf der Windschutzscheibe angebracht.
Die Tarife für 2015 betragen:
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10-Tages-Vignette
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2-Monats-Vignette
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Jahres-Vignette
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Motorrad
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5,00
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12,70
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33,60
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Auto und Kfz bis einschl. 3,5t
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8,70
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25,30
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84,40
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Will man das österreichische Autobahnen- und Schnellstraßennetz befahren, ist eine gültige Vignette unerlässlich und bewahrt Pkw-Lenker vor einer möglichen Ersatzmautzahlung in Höhe von 120,- Euro.
Für Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen höchstzulässigem Gesamtgewicht, das sind alle Lkw, Busse und schwere Wohnmobile, gilt im Straßennetz der ASFINAG eine fahrleistungsabhängige Maut. Die Tarife hängen von der Anzahl der Achsen, den zurückgelegten Kilometern und der EURO-Emissionsklasse der Fahrzeuge ab und gehen von 0,16 – 0,44 Euro/km. Insbesondere bei alpenquerenden und daher besonders teuren Autobahnen gibt es auch noch Sondermauten.
Die ASFINAG ist damit ein Model dafür, wie die Flexibilität des EU Stabilitäts- und Wachstumspaktes für Infrastrukturinvestitionen genutzt werden kann. Da sich die ASFINAG selbst finanziert werden durch sie die Staatschulden nicht erhöht. Die Staatsgarantien sind dadurch nur mit einem äußerst geringen Risiko verbunden. Die ASFINAG sorgt für gut ausgebaute Autobahnen und stützt damit Wachstum und Beschäftigung. Eine Autobahnfahrt von Wien nach München zeigt, dass dies nicht in allen Ländern der Fall ist.
Deutsches Vignettenmodel
Die derzeitige vorgeschlagene deutsche Infrastrukturabgabe (Vignettenmodell) ist aus meiner Sicht EU rechtlich bedenklich und führt zu einer Ausländerdiskriminierung. In der ökonomischen Wirkung werden durch die deutsche Infrastrukturabgabe nur die Ausländer belastet, während die Inländer durch die gleichzeitige vorgesehene Senkung der KFZ-Steuer ökonomisch nicht belastet werden.
In Österreich erfolgte die Einführung der Vignette für PKW, 1000 Schilling (etwas über 70 Euro) für Jahresvignette, ohne gleichzeitige Entlastung der inländischen Autofahrer. Dies vor allem wegen des Nicht Diskriminierungsgebotes der EU gegenüber Ausländern. Es gab damals sehr wohl Stimmen in Österreich die ähnliche Konstruktionen wie jetzt in Deutschland vorschlugen; diese wurden jedoch auch nach informellen Gesprächen mit der EU Kommission, die sich gegen derartige Konstruktionen aussprach, abgelehnt. Die Befürworter der deutschen Regelung wie (Jaenichen, 2015) sollten bedenken, dass wenn das deutsche Modell genehmigt wird, zu erwarten ist das andere EU Länder entsprechende Gegenmaßnahmen setzen. Österreich könnte z.B. nach dem deutschen Modell eine Erhöhung der Vignettenpreise bei gleichzeitiger Entlastung der inländischen PKW Lenker vornehmen. Dies würde vor allem wieder deutsche PKW Lenker treffen. Die EU kann eine derartige Politik bei der die Lasten ökonomisch jeweils nur den Ausländern aufgebürdet, da die Inländer gleichzeitig entlastet werden, nicht wollen. Sie wäre auch ökonomisch kontraproduktiv.
Literatur:
ASFINAG (2014): ASFINAG Geschäftsbericht 2013
Carnot, N, Castro, F. (2015): The Discretionary Fiscal Effort: an Assessment of Fiscal Policy and its Output Effect; in Europäische Wirtschaft, Economic Papers 543, February 2015
EU (2014): An Investment Plan for Europe, European Commission, 26.11. 2014 COM(2014) 903 final
Europäische Wirtschaft (2002): In Europäische Wirtschaft Nr. 5/2002
Gechert, Will (2012): Fiscal Multipliers: A Meta Regression Analysis. IMK Working Papers 97, Juli 2012
Handelsblatt (2015): Milliarden gegen den Stau, Mittwoch 11. 2. 2015 Seite 1
Hills, Nakata (2014): Fiscal Multipliers at the Zero Lower Bound: The role of Policy Inertia, Federal Reserve Board, 2014-107
IWF (2014): Word Economic Outlook, Chapter 3, October 2014
Jaenichen, S. (2015): Verkehrswegegebühren und Ausländerdiskriminierung Wirtschaftsdienst 2015/1
Nauschnigg, F. (1982): Die Verkehrsträger Schiene und Straße; Entwicklung in Österreich von 1960 – 1980. Diplomarbeit zur Erlangung des Grades eines Magisters der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Universität Graz, bei Univ. Prof. Dr. Gunther Tichy
Nauschnigg, F. (2006): Macroeconomic policymaking – lessons from Austro-Keynesianism. In: Konferenzband, Delivering the Lisbon goals – The role of macroeconomic policy; Europäischer Gewerkschaftsbund und European Trade Union Institute
Nauschnigg, F. (2010): Growth-friendly fiscal consolidation, ETUI Policy Brief, Issue 4/2010 Download
WIFO (2005): Effizienzsteigerungen in der Verkehrsinfrastruktur durch Privatisierungsschritte; Monatsbericht 3/2005
[1] Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank, Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen. Franz Nauschnigg war wirtschaftspolitischer Berater der österreichischen Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger von 1995 bis 1999 und war in die Schaffung ASFINAG involviert. Der Artikel stellt seine persönliche Meinung dar.
[2] „Im grenzüberschreitenden Warenverkehr zeigte sich eine Gleichläufigkeit der Warenstruktur bei den Verkehrsträgern Schiene und Straße. Das zeigt, daß sich die spezifische technische Überlegenheit des einzelnen Verkehrsmittels nicht durchsetzen konnte. Das läßt den Schluß auf Kostenverzerrungen zu. In diesem Bereiche wäre ein Ansatzpunkt für die Verkehrspolitik gegeben.“
[3] Mario Draghi speech in Jackson Hole 2014 “the existing flexibility within the rules could be used to better address the weak recovery and to make room for the cost of needed structural reforms.”