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Amerikas Albtraum 

Warum Donald Trump nicht zu stoppen ist - Psychogramm einer gespaltenen Nation - Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

von Mary L. Trump

ISBN: 9783453607163
Verlag: Heyne
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 304 Seiten
Format: Taschenbuch
Übersetzung: Astrid Becker, Christiane Bernhardt, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Monika Köpfer, Eva Schestag
Sammlung: Trump ist zurück
Erscheinungsdatum: 02.10.2024
Preis: € 13,40

Kurzbeschreibung des Verlags

Wie ist es möglich, dass Donald Trump wieder Präsident werden kann? – Die Autorin des Nr.-1-Bestsellers »Zu viel und nie genug« stellt die Diagnose für ihr zerrüttetes Land

Das Trauma der USA, tief verwurzelt in der ameri­kani­schen Ge­schichte — Skla­verei, Bür­ger­krieg und Ras­sen­tren­nung — gärt seit Jahr­zehn­ten un­ter der Ober­flä­che der eins­ti­gen Vor­bild-Demo­kra­tie. Trumps kor­rup­tes und un­mora­li­sches Re­gime ver­setz­te der Ge­sell­schaft ei­nen ver­nich­ten­den Stoß und hin­ter­ließ ein zu­tiefst ge­spal­te­nes, ge­schwächtes Land. Wie ein Krebs­ge­schwür wuchs das Trau­ma. Aus­brü­che von Wut und Hass, aber auch Hoff­nungs­losig­keit und Apa­thie sind die Fol­ge. Mary Trump, als Nichte des frü­he­ren US-Prä­si­den­ten wie als Psycho­lo­gin, lie­fert eine be­stechende Ana­lyse — un­ge­mein er­hel­lend für alle, die ge­rade an den Nach­richt­en aus den USA ver­zweifeln.

Erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe von »Das amerikanische Trauma«.

Posted by Wilfried Allé Saturday, January 25, 2025 10:41:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Eine grüne Revolution 

Eine neue Wirtschaftspolitik in Zeiten der Klimakrise

von Michael Soder

ISBN: 9783990466797
Verlag: ÖGB Verlag
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 296 Seiten
Format: Taschenbuch
Reihe: Varia
Erscheinungsdatum: 25.09.2024
Preis: € 27,90

Kurzbeschreibung des Verlags

In einer Welt, die zunehmend von den Folgen der Klima­krise ge­prägt ist, ste­hen Wirt­schaft und Poli­tik vor bei­spiel­losen Heraus­for­de­rungen und auch vor einem Wende­punkt. Unsere Ant­wort auf die Klima­krise muss daher nichts weni­ger als eine radi­kale Neu­aus­rich­tung der Wirt­schafts­poli­tik sein. Wir brau­chen eine grüne in­dus­triel­le Revo­lu­tion, die er­neuer­bare Ener­gien för­dert, nach­hal­tige Pro­duk­tions­metho­den ein­setzt, Wirt­schafts­pro­zes­se in einem Kreis­lauf denkt und die Aus­wir­kun­gen der Trans­for­ma­tion auf Un­gleich­heit und Ver­tei­lung be­rück­sich­tigt.Aus einem praxis­orien­tier­ten Blick­win­kel be­leuch­tet der Autor, ein Öko­nom und Sozio­öko­nom mit Schwer­punkt Wirt­schafts­poli­tik, die Heraus­for­de­rungen und Chan­cen, die sich aus einer Ver­bin­dung von Wirt­schaft, Sozialem und Um­welt er­geben. Er stellt inno­va­tive Kon­zepte vor, die eine nach­hal­tige und ge­rechte Zu­kunft er­mög­li­chen kön­nen, ins­be­son­dere in den Be­rei­chen Indus­trie- und Regio­nal­poli­tik, Finan­zie­rung so­wie Arbeits­markt­poli­tik. Mit vie­len Bei­spie­len ist die­ses Buch auch als Denk­an­stoß und Leit­faden für poli­ti­sche Ent­schei­dungs­trä­ger:innen, enga­gierte Bür­ger:innen und alle Inter­es­sier­ten in Öster­reich, Deutsch­land und da­rüber hi­naus zu ver­ste­hen. „Eine grüne Revo­lu­tion“ ist ein ein­dring­li­cher Auf­ruf, die Klima­krise als Chance für eine tief­grei­fende Trans­for­ma­tion zu be­grei­fen und ge­mein­sam eine lebens­werte und ge­rechte Zu­kunft zu ge­stal­ten. Ein un­ver­zicht­ba­res Buch für alle, die die Zu­kunft aktiv mit­ge­stal­ten wollen.

Michael Soder studierte Wirtschafts- und Sozial­wis­sen­schaf­ten und Sozio­öko­no­mie an der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien. 2017 pro­mo­vierte er am Insti­tute for Eco­lo­gi­cal Econno­mics an der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien zur poli­ti­schen Öko­no­mie der sozial-öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­tion.
Aktuell arbeitet er in der Ab­tei­lung Wirt­schafts­poli­tik der Arbeiter­kam­mer Wien zu den The­men des grünen Struk­tur­wan­dels, der grünen Indus­trie­poli­tik, der Ge­stal­tung eines ge­rech­ten Über­gangs (Just Tran­sition) so­wie For­schung, Techno­lo­gie und In­no­va­tion. Außer­dem lehrt er an der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien, der Fach­hoch­schu­le Campus Wien so­wie der Fach­hoch­schule des BFI Wien.
Im Zuge seiner Lehr­tätig­keit an der Wirt­schafts­uni­ver­si­tät Wien wurde er zwei­mal mit dem Preis für inno­va­ti­ve Lehre aus­ge­zeich­net und er­hielt 2018 den Kurt-Roth­schild-Preis für Wirt­schafts­publizistik.

Inhalt ->

Vorwort ->

Posted by Wilfried Allé Monday, October 7, 2024 10:02:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Die verwundbare Demokratie 

Strategien gegen die populistische Übernahme

von Maximilian Steinbeis

ISBN: 9783446281295
Verlag: Hanser, Carl
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 304 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 22.07.2024
Preis: € 25,70

Kurzbeschreibung des Verlags

Ungarn, Frankreich und die Niederlande sind eine Warnung: Die Demo­kratie ist in Ge­fahr. Noch ist Zeit, unse­re freie Ge­sell­schaft und Ver­fas­sung zu schützen.

Während Populisten überall auf der Welt die frei­heit­liche Rechts­ord­nung aus­he­beln, hal­ten wir unse­re Demo­kra­tie noch im­mer für un­ver­wund­bar. Die Feinde der demo­kra­ti­schen Viel­falt miss­brau­chen unter dem Vor­wand, die wah­ren Inter­ess­en des Volkes zu ver­tre­ten, das Recht. Was droht Deutsch­land? Maxi­mi­lian Stein­beis, Jurist und streit­ba­rer Ex­perte für alle Fra­gen zur Ver­fas­sung, zeigt am Bei­spiel Thürin­gen, wie Popu­lis­ten den frei­heit­li­chen Staat zer­stö­ren könn­ten, in­dem sie Ge­set­ze und Ins­ti­tu­tio­nen miss­brau­chen: Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten, Jus­tiz und Poli­zei, Me­dien und Kunst. Es bleibt nur noch wenig Zeit, unse­re Frei­heit ge­gen diese An­grif­fe zu ver­tei­di­gen. Maxi­mi­lian Stein­beis schärft unser Be­wusst­sein für die Be­dro­hungen, denen unse­re freie Ge­sell­schaft aus­ge­setzt ist.

Posted by Wilfried Allé Sunday, September 8, 2024 9:56:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Kickl beim Wort genommen 

von Nina Horaczek

ISBN: 9783707608557
Verlag: Czernin
Umfang: 176 Seiten
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 05.06.2024
Preis: € 20,00

Kurzbeschreibung des Verlags

Seit Monaten liegt die FPÖ in Wahlprognosen auf Platz eins. Ihr Partei­chef Herbert Kickl spricht von un­ge­zü­gel­ter Völ­ker­wan­de­rung, EU-Ver­rä­tern, lin­kem Ge­sinn­ungs­ter­ror und be­schimpft poli­ti­sche Geg­ner. Doch was pas­siert, wenn man den selbst­er­nann­ten »Volks­kanz­ler« beim Wort nimmt? Wel­ches Bild zeigt sich, wel­che Ideo­lo­gie wird sichtbar?

»Man muss dazu stehen, was man sagt«, meint Herbert Kickl. Doch was sagt er eigent­lich? »Falter«-Chef­re­por­terin Nina Horaczek hat sei­ne Zi­ta­te über Asyl, Bil­dung oder Coro­na ver­sam­melt; die feh­len­de Ab­gren­zung zu den Iden­ti­tären, die An­grif­fe auf die Me­dien oder die Men­schen­rechte; über die »Fes­tung Öster­reich«, die Tür­kei oder die Ukraine.

Der Zweck dieser Zitatensammlung liegt auf der Hand: Gerade im Wahl­jahr 2024 bie­tet sie eine um­fas­sen­de Ar­gu­men­ta­tions­hilfe für eine sach­liche Aus­ein­ander­set­zung über die Per­son Her­bert Kickl. Nicht um ihn zu über­füh­ren oder zu dif­fa­mie­ren, son­dern um sei­nen Cha­rak­ter und die rechts­ex­tre­me, popu­li­sti­sche Ideo­lo­gie zu zei­gen, die er und sei­ne FPÖ ver­treten.


FALTER-Rezension

Sprachreiseführer in die Dritte Republik

Sieglide Rosenberger in FALTER 25/2024 vom 21.06.2024 (S. 19)

Kickl kann beim Wort genommen werden. Anders als an­dere Poli­ti­ker der ex­tre­men und radi­ka­len Rech­ten, Geert Wil­ders oder Jörg Hai­der etwa, hat Her­bert Kickl bis­lang kein ei­ge­nes Buch publi­ziert. Aus­sa­gen und Zi­tate über sei­ne poli­ti­sche Wunsch­welt gibt es den­noch zuhauf.

Die langjährige Falter-Journalistin und Expertin für Rechts­ex­tre­mis­mus, Nina Horaczek, hat Aus­sa­gen über ei­nen 20-jäh­rigen Zeit­raum ge­sam­melt -seit 2004, als Kickl den Wahl­kampf für Hai­der in Kärn­ten führ­te. Die Quel­len sind Presse­aus­sen­dun­gen, State­ments in Me­dien, Tele­gram-Mit­tei­lun­gen, Re­den vor dem Heim­publi­kum wie an Ascher­mitt­wo­chen. Die Zi­ta­te sind alpha­be­tisch in 39 Rub­ri­ken ge­ord­net, von Asyl­poli­tik bis Zensur.

Dabei wird mehr als deutlich, dass es längst nicht mehr "nur" um Mi­gra­tion und Islam geht. Es geht um "uns". Wirt­schaft und Wis­sen­schaft tau­chen nicht als ei­gene Rub­ri­ken auf. Bio­gra­fi­sche Schlagl­ich­ter sind der Zi­ta­ten­sammlung voran­ge­stellt, von der Kind­heit in ein­fa­chen sozi­alen Ver­hält­nis­sen, der Schule, dem nicht ab­ge­schlos­se­nen Stu­dium, den ers­ten poli­ti­schen Schrit­ten in Kärn­ten bis zum Auf­stieg als In­nen­mi­nister.

Die Zitate bilden einen Pool an Fakten. Sie skiz­zie­ren die Zu­kunft, ma­chen klar, was sein soll: rück­wärts­ge­wandte natio­na­lis­ti­sche Ant­wor­ten auf trans­natio­nale Pro­bleme, die die­se nicht lö­sen; Ab­bau demo­kra­ti­scher Wer­te und Prin­zi­pien wie Men­schen­rechte, Pres­se­frei­heit; Ab­bau des Sozial­staates und Dro­hun­gen ge­gen­über vielen.

Der rechte, rechtspopulistische Weg ist konti­nu­ier­lich, ohne Ab­bie­gun­gen und Um­keh­rungen. Da­her kommt die­se Poli­tik vie­len als nor­mal vor. Der Kickl-Pfad ist aber nicht nur gera­de­aus, er wird brei­ter, radi­ka­ler, muni­tio­nier­ter. Die Be­schimp­fun­gen von demo­kra­ti­schen Re­prä­sen­tan­ten ge­hen wei­ter, mittler­weile wird nie­mand mehr ver­schont, jeder/­jede wird dem ver­ächt­li­chen Ge­läch­ter preis­ge­geben. Diese Res­pekt­losig­keit ge­gen­über demo­kra­ti­schen Ins­ti­tu­tio­nen nennt der His­to­riker Timothy Snyder in sei­nem Buch über die Tyrannei.

Der Neutralität ist eine umfangreichere Rubrik gewidmet. Tief ver­an­kert als iden­ti­täts­stif­ten­der Pfei­ler in der öster­rei­chi­schen poli­ti­schen Seele, thema­ti­siert sie Kickl zu­letzt im Kon­text des Krie­ges in der Ukra­ine. Demo­kra­tie­poli­tisch auf­schluss­reich ist auch, dass die Neu­tra­li­tät als Vehi­kel ge­gen zen­tra­le Ins­ti­tu­tio­nen der EU ins Tref­fen ge­führt wird: Sie sei ein Schutz ge­gen den Euro­pä­ischen Ge­richts­hof, der "uns" Men­schen­rechte auf­zwinge, die nicht die "unse­ren" seien. Die öster­rei­chi­sche Neu­tra­li­tät den EU-Ins­ti­tu­tio­nen ge­gen­über­ge­stellt, würde kon­se­quent ge­dacht den Öxit nach sich ziehen -den Her­bert Kickl aber nicht direkt verlangt.

Ähnlich lässt sich die rezente Propagandarede zum Volks­kanz­ler weiter­den­ken. Soll "Volks­kanz­ler" nicht nur Rhe­to­rik blei­ben, soll eine Ver­säulung von Volk und Kanz­ler tat­säch­lich poli­ti­sche Wirkl­ich­keit wer­den, dann sind Ver­fas­sungs­än­de­run­gen in Rich­tung ei­nes prä­si­den­tiel­len Sys­tems an­ge­sagt -näm­lich eine Kom­pe­tenz­an­häu­fung beim Kanz­ler-Präsi­den­ten, gleich­zei­tig eine Ab­wer­tung des Par­la­ments, der Ab­ge­ord­ne­ten und der Par­teien. Zu die­sen Über­le­gun­gen pas­sen die jüngs­ten Schmä­hungen der rot-schwarz-pink-grünen "Ein­heits­par­tei", die viel­leicht auch An­deu­tun­gen an den SED-Kom­mu­nis­mus sug­ge­rieren.

Verdienst dieses Buches ist es, durch die Verdichtung die an­vi­sierte auto­ri­täre Zu­kunft deut­lich les­bar zu ma­chen. "Wir haben es nicht ge­wusst", wird spä­ter ein­mal keine Recht­fer­ti­gung sein können.
 

Vilimsky und Wladimir

Nina Horaczek in FALTER 22/2024 vom 31.05.2024 (S. 12)

Hetzerisch und neokolonial sei die Poli­tik der EU im Bal­kan­staat Repu­blika Srpska, dem eng mit Russ­land ver­bün­de­ten Klein­staat. Nicht die Poli­tik des rus­si­schen Prä­si­den­ten Wladi­mir Putin, son­dern "die Ver­einig­ten Staaten und Russ­land" wür­den den Bal­kan de­sta­bi­li­sie­ren. Ziel müsse "ein sinn­vol­ler diplo­ma­ti­scher Kon­sens mit der Rus­si­schen Föde­ra­tion" sein. Noch ein Bei­spiel ge­fäl­lig? Als Putin 2014 die Krim völker­rechts­wid­rig an­nek­tie­ren ließ, war das kein Krieg, son­dern bloß ein "Kon­flikt".
So klingt es, wenn der FPÖ-Euro­pa­poli­ti­ker Harald Vi­lims­ky im Kor­rek­tur­modus ist. In den ver­gan­ge­nen Jah­ren be­an­trag­te der Frei­heit­liche im EU-Par­la­ment zahl­rei­che Än­de­rungen in of­fi­ziel­len Doku­men­ten. Nun könnte der blaue Kan­di­dat bei den EU-Wah­len am 9. Juni Wahl­sieger werden.

Seit Juli 2014 ist Vilimsky Abgeordneter des EU-Parlaments. Da­mals sollte eigent­lich der lang­jäh­rige FPÖ-Poli­ti­ker Andreas Möl­zer als blauer Spitzen­mann in Brüs­sel be­stä­tigt wer­den. Möl­zer musste aber weni­ge Wo­chen vor der Wahl zu­rück­tre­ten, er hat­te die EU zu­nächst mit dem Drit­ten Reich ver­gli­chen und dann wurde auch noch be­kannt, dass er in ei­nem Vort­rag sagte, die EU müs­se sich fra­gen, ob sie ein "Neger­kon­glo­me­rat" sein wol­le. So wurde Vi­lims­ky frei­heit­li­cher Dele­ga­tions­lei­ter in Brüs­sel. In die­ser Funk­tion zeigt er sich von An­fang an auf­fal­lend russ­land­freundlich.

All dies lässt sich auf Parltrack nachlesen, einer europä­ischen Ini­tia­tive zur Ver­bes­se­rung der Trans­pa­renz im EU-Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren, die auf ihrer Inter­net­seite alle In­for­ma­tio­nen aus amt­li­chen Quel­len der EU bün­delt. Auf Parl­track fin­det man zahl­rei­che Ände­rungs­an­trä­ge zu EU-Be­rich­ten. EU-Ab­ge­ord­nete ha­ben die Mög­lichk­eit, zu von Ver­tre­tern des EU-Par­la­ments er­stell­ten Be­rich­ten Ände­rungs­an­trä­ge ab­zu­geben. Die­se wer­den proto­kol­liert und im Plenum ab­ge­stimmt.

Vilimsky war in den vergangenen Jahren bei den Themen­be­rei­chen Russ­land, Ukra­ine, aber auch Bal­kan fleißig am Ein­fügen von Kor­rek­tur­vor­schlä­gen. Im Früh­jahr 2015 ar­bei­tete das EU-Par­la­ment an ei­nem Re­port über den Stand der Be­zie­hun­gen zwi­schen der EU und Putins Reich. Ein Jahr zu­vor, im Früh­jahr 2014, hat­ten des­sen Trup­pen und Söld­ner die Krim völker­rechts­wid­rig annek­tiert.

Berichterstatter war der litauische Abgeordnete Gabrielius Lands­bergis von der kon­ser­va­ti­ven Frak­tion. Er schrieb in sei­nem Be­richts­ent­wurf, in An­be­tracht der direk­ten und in­di­rek­ten Be­tei­li­gung Russ­lands an dem Krieg in der Ukra­ine und der vor­sätz­li­chen Ver­let­zung demo­kra­ti­scher Grund­sätze und Wer­te kön­ne die EU nicht "busi­ness as usual" mit Russ­land be­treiben.

Vilimsky und sein Parteifreund, der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer, wollten das so nicht ste­hen las­sen. Sie füg­ten ihren Ab­ände­rungs­an­trag ein: An­ge­sichts der in­di­rek­ten Ver­wick­lung der EU in den Kon­flikt in der Ukra­ine sollten die Mit­glieds­staaten, die EU und alle ihre Ins­ti­tu­tio­nen auf­ge­for­dert wer­den, "ihr Vor­gehen zu über­den­ken, um eine wei­te­re Es­ka­la­tion zu ver­hin­dern, so dass ein sinn­vol­ler diplo­ma­ti­scher Kon­sens mit der Rus­si­schen Föde­ra­tion er­reicht wer­den kann". Kein Wort mehr der Kri­tik an Russ­lands völker­rechts­wid­riger An­ne­xion der Krim.

Landsbergis kritisierte in seinem Entwurf auch die militä­ri­sche Ag­gres­sion Russ­lands ge­gen Geor­gien, die 2008 im Kau­ka­sus­krieg mün­de­te. Vi­limsky und Mayer woll­ten hier die rus­si­sche Ag­gres­sion und die Ver­let­zung der ter­ri­to­ria­len Inte­gri­tät Geor­giens durch Russ­land aus dem Text strei­chen las­sen. Auch die Tat­sache, dass Russ­land die Krim 2014 völker­rechts­widrig an­nek­tier­te und An­stif­ter eini­ger ein­ge­fro­re­ner Kon­flik­te in der Re­gion sei, etwa in Trans­nis­trien und Süd­osse­tien, sollte ge­löscht wer­den. Die we­gen der Anne­xion der Krim ge­gen Russ­land ver­häng­ten EU-Sank­tio­nen woll­ten die bei­den FPÖ-Poli­ti­ker per Ab­ände­rungs­an­trag in "un­nö­tig strenge Maß­nah­men" um­be­nannt wissen.

Zur Anmerkung, dass das Eindringen russischer Kampfjets in den Luft­raum von Nato und EU die Sicher­heit zivi­ler Flüge gef­ähr­det, wollten die bei­den blauen Brüs­sel-Poli­ti­ker auch noch "und die zahl­rei­chen NATO-Manö­ver in den Grenz­regio­nen zu Russ­land" ein­ge­fügt wissen.

Was treibt Vilimsky an? Nur ein Jahr später, im Jänner 2016, ist er Teil jener hoch­ka­rä­ti­gen FPÖ-Dele­ga­tion, die nach Mos­kau fliegt, um einen Freund­schafts­ver­trag mit Putins Par­tei "Eini­ges Russ­land" ab­zu­schließen. Es ist eine "Ver­ein­ba­rung über Zu­sam­men­wir­ken und Ko­ope­ra­tion", in der ne­ben der "Er­zie­hung der jun­gen Gene­ra­tion im Geiste von Patrio­tis­mus und Ar­beits­freude" auch regel­mäßige Be­ra­tun­gen zu poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Fra­gen ver­ein­bart wur­den. Ein In­sider der rus­si­schen Bot­schaft in Wien legte die wah­ren Ab­sich­ten in ei­nem Pa­pier ge­gen­über dem Fal­ter of­fen: Lob­by­ing ge­gen die Sank­tionen.

Zumindest legen das zahlreiche Änderungsanträge in Doku­men­ten des EU-Parla­ments nahe, die Vi­limsky al­leine oder mit Kol­legen aus der rechts­ex­tre­men EU-Frak­tion "Iden­ti­tät und Demo­kra­tie" ein­brachte.

Zu Jahresbeginn 2017 störte ihn an einem Bericht der EU-Kommission über den Stand der An­nä­he­rung Ser­biens an die EU, dass Ser­bien auf­ge­for­dert wird, sei­ne Außen-und Sicher­heits­poli­tik ein­schließ­lich der Poli­tik ge­gen­über Russ­land an­zu­pas­sen. Statt­des­sen wollte Vi­limsky in das of­fi­ziel­le Doku­ment ein­fü­gen las­sen, die EU müs­se die ser­bi­sche Poli­tik ge­gen­über Russ­land res­pek­tieren.

Ähnlich war es im April 2022. Da stand in einem weiteren Bericht zu Serbien, man be­daure, dass das Land sich nicht den EU-Sank­tio­nen ge­gen Russ­land an­ge­schlos­sen habe. Vi­limsky wollte diese Text­stelle ge­än­dert wis­sen: Ser­bien habe das Recht, seine Außen­poli­tik und seine diplo­ma­ti­schen Bünd­nisse im Ein­klang mit sei­nen his­to­ri­schen Tradi­tio­nen zu be­stimmen.

Serbien ist ein enger Verbündeter des russischen Präsi­den­ten Putin. Auch im rus­si­­schen Angriffs­krieg ge­gen die Ukra­ine steht Ser­bien auf der Seite Russ­­lands. Erst vergan­ge­nen Feb­ruar be­rich­te­­te die deutsche "Tagess­chau", dass ser­bi­sche Be­hörden Jagd auf rus­si­sche Oppo­si­tio­nel­­le machen und diese an Russ­land ausliefern.

Den Serbien-Abänderungsantrag brachte Vilimsky mit zwei Politi­kern des fran­zö­si­schen Ras­semblement Natio­nal ein. Der fran­zö­sische Rechts­außen-Poli­ti­ker Thierry Mariani ist als kreml­freund­lich be­kannt. Er ist Präsi­dent der fran­zö­sisch-russi­schen Ge­sell­schaft für Dia­log und be­reiste zwei Mal in of­fi­ziel­ler Mis­sion die von Russ­land annek­tier­te Krim. Des­sen Par­tei­kol­lege Jean-Lin Laca­pelle gilt eben­falls als russ­land­affin. Er reiste auch als Wahl­beo­bach­ter nach Russ­land und auf die von russi­schen Trup­pen okku­pierte Krim.

Einen Bericht des EU-Parlaments zum Kosovo im Frühjahr 2022 korri­gier­ten die drei Poli­ti­ker eben­so ge­mein­sam. Im Ent­wurf zu die­sem Be­icht wird lo­bend er­wähnt, dass die par­la­men­ta­rische Ver­samm­lung des Ko­sovo den rus­si­schen Ein­marsch in die Ukra­ine ver­ur­teilte und Sank­tio­nen ge­gen Russ­land be­schloss. Vi­limsky und seine Rechts­außen-Freun­de aus Frank­reich stör­te die­ser Ab­satz im Doku­ment. Sie for­der­ten die Strei­chung.

Zu diesen Abänderungsanträgen passt das Abstimmungsverhalten der drei FPÖ-Ab­ge­ord­ne­ten im Ple­num des EU-Par­la­ments. Sie stimmten ge­gen ver­schie­dene Ukra­ine-Hilfs­pa­kete, und als das EU-Parla­ment Russ­land im No­vem­ber 2022 offi­ziell zu ei­nem staat­li­chen Ter­roris­mus-Unter­stüt­zer er­klärte, ent­hiel­ten sich die Frei­heit­lichen ihrer Stim­me. Nur als das EU-Parla­ment ent­schied, russi­sche Reise­pässe aus den von Russ­land be­setz­ten Regi­onen der EU nicht an­zu­er­ken­nen, stimmte die FPÖ mit der Mehr­heit mit.

Im Mai 2022 lag dem EU-Parlament wiederum ein Bericht der EU-Kommission zu Bosnien und Herze­go­vina vor. Da­rin wer­den die Ver­su­che Russ­lands, die­se Region poli­tisch zu de­sta­bi­li­sieren, klar ver­ur­teilt. Vi­limsky for­dert auch hier eine Kor­rek­tur. Statt Russ­land möchte er eine De­sta­bi­li­sie­rung des Bal­kans "durch die Ver­einig­ten Staaten und Russ­land" ver­ur­teilt wis­sen. Schon zu­vor hat­te er in ei­nem Ab­ände­rungs­an­trag be­haup­tet, in Sachen Russ­land-Sank­tio­nen würde sich die EU aus­schließ­lich von den USA leiten lassen.

Auch was die Republika Srpska betrifft, ist Vilimsky im EU-Parlament auf Kreml-Linie. Milo­rad Dodik, bos­ni­scher Serben­füh­rer und Präsi­dent der Repu­blika Srpska, ist Putins Ver­bün­deter. Im Mai 2024 schrieb der Wis­sen­schaft­ler und Bal­kan-Ex­per­te Vedran Dzihic im Stan­dard, für Dodik sei "die Leug­nung des Geno­zids in Sreb­reni­ca zu sei­nem täg­li­chen poli­ti­schen Brot ge­wor­den, mit dem er vom ab­so­lu­ten Re­gie­rungs­ver­sagen in der Repu­blika Srpska und den kor­rupt-krimi­nel­len Machen­schaf­ten sei­ner Clique ab­lenken will".

Die EU-Kommission kritisierte in einem Anfang 2023 dem Parlament vor­ge­leg­ten Be­richt über Bos­nien und Herze­go­wina die "het­ze­ri­sche Rhe­torik und se­zes­sio­ni­sti­sche Poli­tik der Füh­rung der Repu­blika Srpska". Vi­limsky und der deut­sche AfD-Poli­ti­ker Bern­hard Zimniok wollten hin­ge­gen in ei­nem Ab­än­de­rungs­an­trag die "wieder­keh­rende hetze­ri­sche Rhe­torik und neo­kolo­nia­lis­ti­sche Poli­tik von Mit­glie­dern der EU Kom­mis­sion, des Euro­pä­ischen Par­la­ments und ande­ren poli­ti­schen Per­sön­lich­keiten so­wohl in Euro­pa und den USA in Be­zug auf die in­ne­ren An­ge­legen­heiten der Re­publika Srpska" ver­ur­teilt wissen.

In einem Berichtsentwurf vom April 2023 lobte der Bericht­er­stat­ter, der bul­ga­ri­sche Ab­ge­ord­ne­te Ilhan Kyuchyuk, Nord­maze­do­niens ein­deu­tige Ant­wort "auf die Ag­gres­sion ge­gen die Ukra­ine". Denn das Land habe sich den "res­trik­ti­ven Maß­nah­men der EU ge­gen Russ­land und Weiß­russ­land", also den EU-Sank­tio­nen, an­ge­schlos­sen. Vi­limsky wollte die­se Pas­sa­ge auf "die Um­set­zung der weit­ge­hend un­wirk­sa­men res­trik­ti­ven Maß­nah­men ge­gen Russ­land und Belarus" ge­än­dert haben.

Überraschend ist das Eintreten von Vilimsky pro Atomkraft. In einem Berichts­ent­wurf vom April 2023 be­grüßte das EU-Parla­ment die Fort­schrit­te Nord­maze­do­niens in der Ener­gie­wende weg von Kohle und hin zu Solar-und Wind­ener­gie. Vi­limsky, der seine Ände­rungs­an­trä­ge mit dem AfD-Poli­ti­ker Zim­niok ein­brachte, kor­ri­gier­te, er sei "äußerst be­sorgt über die fort­schrei­ten­de Ener­gie­wende weg von Kohle hin zu Solar und Wind­ener­gie". Im ge­mein­samen Ab­ände­rungs­an­trag for­der­ten FPÖ und AfD so­gar die "Hin­wen­dung zu nukle­aren Ener­gie­lö­sungen". Bei der AfD ist be­kannt, dass sie für den Aus­bau der Atom­ener­gie ist. Die FPÖ ins­ze­niert sich hin­ge­gen in Öster­reich stets gegen Atom­energie.

Mit politischen Freunden aus seiner Fraktion, darunter der AfD-Euro­pa­poli­ti­ker Maxi­milian Krah, for­derte Vi­limsky im Herbst 2021 auch eine Ände­rung in ei­nem Be­richt über die Men­schen­rechte und Demo­kra­tie welt­weit. Da­rin äußert der FPÖ-Frak­tions­führer "se­ine tiefe Be­sorg­nis über die Poli­tik der um­ge­kehr­ten Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung und Dis­kri­mi­nie­rung in Süd­afrika" und ver­ur­teilt, dass diese Über­griffe von der inter­natio­na­len Ge­mein­schaft "in ihrem stän­di­gen Stre­ben nach poli­ti­scher Korrekt­heit" igno­riert würden.

Abgesehen davon habe die EU nicht das Mandat, der Welt ihre Vor­stel­lung von Men­schen­rech­ten und Demo­kra­tie auf­zu­er­legen. Vi­limsky und sei­ne Freunde von Rechts­außen be­ton­ten, "dass die EU nicht die Men­schen­rechts­hüte­rin der Welt ist und dies auch nicht sein sollte".

Speziell zu Krah pflegte Vilimsky engen Kontakt. Erst im Februar tra­ten die bei­den in Wien auf. Damit ist es der­zeit vor­bei. Krah ist zwar Spitzen­kandi­dat der AfD für die Euro­pa­wahl. Seine Par­tei hat al­ler­dings ein Auf­tritts­ver­bot über ihn ver­hängt. Denn gegen Krah laufen Er­mitt­lun­gen, weil er mut­maß­lich Geld aus Russ­land und China er­hal­ten habe. Es gilt die Un­schulds­ver­mutung.

Wegen Krah ist auch die rechtsextreme Fraktion "Identität und Demo­kratie", der die FPÖ an­ge­hört, mas­siv zer­strit­ten. Weil er kürz­lich in ei­nem Inter­view er­klärt hatte, nicht jeder SS-Mann sei ein Ver­brecher ge­we­sen, wurde die AfD aus der ge­mein­samen EU-Frak­tion aus­ge­schlos­sen. Die FPÖ stimmte aller­dings ge­gen die­sen Aus­schluss. Vor ei­nem Mo­nat be­rich­tete das deut­sche Nach­richten­ma­ga­zin Spie­gel, dass im Kreml ein ei­genes Strate­gie­papier für die AfD aus­ge­ar­bei­tet worden war.

In einem weiteren Abänderungsantrag, wieder mit dem AfD-Poli­tiker Krah, for­der­te Vi­limsky das EU-Parla­ment auf, dass NGOs, die Mi­gran­ten aus dem Mit­tel­meer ret­ten oder auf eine an­dere Wei­se "der irre­gu­lä­ren Mi­gra­tion auf dem See-oder Land­weg Vor­schub leis­ten", keine EU-Gel­der mehr er­hal­ten dürfen.

Vilimsky will in der EU tätige NGOs auch verpflichten, ihre gesamten Finanzen offen­zu­legen so­wie al­le Tref­fen mit Euro­pa­ab­ge­ord­ne­ten, de­ren Mit­ar­bei­tern oder ande­ren EU-Ein­rich­tun­gen um­ge­hend on­line zu ver­öffent­li­chen. Die Ände­rungs­an­trä­ge wa­ren aber nicht er­folg­reich. Die Posi­tion der FPÖ ist in Brüs­sel der­zeit noch ein Minder­heiten­pro­gramm.

Der Falter bat Vilimsky vorigen Freitag um Stellungnahme zu seinen Ab­än­de­rungs­an­trä­gen, wollte wis­sen, ob der FPÖ-Poli­ti­ker im­mer noch der Mei­nung sei, die An­ne­xion der Krim durch Russ­land sei keine ille­ga­le Hand­lung ge­we­sen, welche Be­lege er da­für habe, dass die USA den Bal­kan de­sta­bi­li­sie­ren, und wieso er für Atomenergie plä­diert. Bis Redak­tions­schluss ver­gan­ge­nen Mon­tag gab es keine Reaktion.

Posted by Wilfried Allé Monday, July 22, 2024 8:55:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Raus aus der Globalisierungsfalle 

Wie wir die sozial-ökologische Transformation schaffen

von Nikolaus Kowall

ISBN: 9783218014342
Verlag: Kremayr & Scheriau
Umfang: 240 Seiten
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 10.07.2024
Preis: € 25,00
Kurzbeschreibung des Verlags

Intervention als Chance.

Turbo-Kapitalismus, Klimakrise, Ungleichheit: Wie schaffen wir die sozial-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­tion der Wirt­schaft? Ein Plä­do­yer für Demo­kra­tie und Markt­ein­griff.

Ungezügelte Märkte und Hyper-Globalisierung haben uns in die to­tale Ab­hän­gig­keit des Welt­markts ge­führt. Aber wie weg­kom­men von Roh­stoff-Raub­bau, Soja, Fast Fashion und an­de­ren bil­li­gen Im­port-Dro­gen? Und jetzt auch noch die De­kar­bo­ni­sie­rung schaf­fen? Ist das der Todes­stoß für unse­re Indus­trie?

Es ist eine echte Chance, meint Nikolaus Kowall. Denn die öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­tion führt zu hö­he­rer regio­na­ler Wert­schöp­fung. Im­por­te von Roh­stof­fen und Ener­gie wer­den durch Eigen­pro­duk­tion und Re­cyc­ling er­setzt, die Weg­werf­ge­sell­schaft durch die Kreis­lauf­wirt­schaft.

Damit der grüne Umbau der Wirtschaft nicht durch ruinösen Wett­be­werb ver­hin­dert wird, brau­chen wir aber mehr Demo­kra­tie­lo­gik und weni­ger Markt­lo­gik. Wachen wir auf, sonst pas­siert die Zu­kunft ohne uns.

FALTER-Rezension

Der Traum der ökologischen Re­indus­tria­li­sie­rung

Markus Marterbauer in FALTER 29/2024 vom 19.07.2024 (S. 19)

Deindustrialisierung, Verlust an Wett­be­werbs­fähig­keit, über­bor­den­de Um­welt­büro­kra­tie: Die Unter­neh­mer­ver­bände üben sich in Pes­si­mis­mus. Niko­laus Ko­wall tut das Ge­gen­teil. Der Wie­ner Öko­nom legt ein opti­mis­ti­sches und kon­struk­ti­ves Buch vor, das mit gu­ter Ana­lyse und muti­gen Politik­vor­schlä­gen nach vorne schaut.

Kowall unterscheidet zwei grundlegende Politik­kon­zepte: das Pri­mat der Demo­kra­tie samt Inter­ven­tion in die Märkte, das zwi­schen 1945 und 1980 einen natio­nal-und so­zial­staat­lich ge­zähm­ten Kapi­ta­lis­mus auf­bau­te; und das Pri­mat der Märk­te samt markt­kon­for­mer Demo­kra­tie in der neo­libe­ra­len Glo­ba­li­sie­rung seit den 1980er-Jah­ren. Kowall pro­pa­giert den Über­gang in eine drit­te Pha­se: ambi­tio­nier­te so­zi­al-öko­logi­sche Trans­for­ma­tion, in der die euro­pä­ische Demo­kra­tie den Märk­ten kla­re Re­geln vor­gibt, etwa kla­re so­zia­le und öko­lo­gi­sche Min­dest­stan­dards im Außen­han­del oder ei­nen ho­hen Stel­len­wert für Ver­sor­gungs­sicher­heit.

Und Österreich? Aus Kowalls Sicht war das Land in beiden Pha­sen der Ver­gan­gen­heit er­folg­reich und hat ei­ne viel­ver­spre­chen­de Aus­gangs­posi­tion für die drit­te Pha­se. Er be­legt dies mit der Me­tall­in­dus­trie, dem Herz­stück der hei­mi­schen Wirt­schaft. Die Er­folgs­ge­schichte be­ginnt im frü­hen 19. Jahr­hun­dert mit der Grün­dung der Mon­tan­uni­ver­si­tät in Leo­ben ("die Denk­fa­brik der öster­rei­chi­schen In­dus­tri­ali­sie­rung") durch Er­zher­zog Jo­hann ("die letz­te poli­tisch be­mer­kens­werte Fi­gur des Hauses Habsburg").

Österreich war ab 1970 wirtschaftlich auf der Überhol­spur, hat sich aber auch in der Glo­ba­li­sie­rung gut ge­schla­gen. Mit star­kem So­zial­staat, gu­ter Infra­struk­tur, öf­fent­li­chem Bil­dungs­sys­tem und er­folg­rei­chen Mit­tel­ständ­lern, die in ih­ren Ni­schen zu Welt­markt­füh­rern wur­den. Nun soll die Poli­tik mit dem Ziel der grü­nen Re­in­dus­tria­li­sie­rung ge­zielt je­ne techno­lo­gi­schen Vor­rei­ter­be­trie­be unter­stüt­zen, die in der treib­haus­gas­freien Pro­duk­tion Cham­pions wer­den kön­nen. Etwa das In­ves­ti­tions­pro­gramm in Elek­tro­licht­bogen und Was­ser­stoff beim Spe­zial­stahl­er­zeu­ger Voest, das Re­cycling­pro­gramm in der Alu­minium­pro­duk­tion der Amag oder die Clus­ter in der Pro­duk­tion von Schie­nen und Bahn­bau­ma­schi­nen. Die De­kar­boni­sie­rung der In­dus­trie, die Kreis­lauf­wirt­schaft und die Wen­de zu öf­fent­li­cher Mobi­li­tät und er­neuer­ba­rer Ener­gie kön­nen die Ba­sis für den star­ken In­dus­trie­stand­ort der Zu­kunft bil­den.

Doch derzeit fehlt eine vorausschauende Indus­trie­poli­tik. Die Per­spek­tive ist rück­wärts­ge­rich­tet ("Auto­land","Ver­bren­ner") und markt­gläu­big. Doch: "Der Markt kann die öko­lo­gi­sche Frage im 21. Jahr­hun­dert genau­so we­nig lö­sen wie die so­zia­le Fra­ge im 19. Jahr­hun­dert." Es braucht kla­re demo­kra­tisch er­wirk­te Vor­ga­ben für die Trans­for­mation.

Kowall sieht vor allem die EU als Vorreiter, etwa im Emissions­handel, im In­ves­ti­tions­pro­gramm Next Gene­ra­tion EU, beim Lie­fer­ket­ten­ge­setz und im CO2-Grenz­aus­gleich. Hier ist der Au­tor zu blau­äu­gig, for­mie­ren sich doch ge­ra­de kon­ser­va­ti­ve Kräf­te, die un­ter der Über­schrift von Wett­be­werbs­fä­hig­keit und Ent­büro­kra­ti­sie­rung den fun­da­men­ta­len so­zia­len und öko­lo­gi­schen Fort­schritt ver­hin­dern wollen.

Doch soll man das einem jungen Ökonomen vor­werfen, der die Welt ver­bes­sern will? Niko­laus Ko­wall kämpft um Vor­zugs­stim­men bei den Natio­nal­rats­wah­len. Die öster­rei­chi­sche Poli­tik kann von ei­nem Öko­no­men mit dem An­lie­gen der grü­nen Re­in­dus­tri­ali­sie­rung und der Fähig­keit, se­ine Ein­sich­ten über­zeu­gend vor­zu­brin­gen, nur profi­tieren.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, July 17, 2024 9:07:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Europa neu gedacht 

Wie ein aktives Österreich zu einem starken Europa beitragen kann

Verlag: Czernin
Herausgegeben von: Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
Umfang: 352 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 28.02.2024
Vorwort: Franz Vranitzky
Format: Hardcover
ISBN: 978-3-7076-0838-0
Preis Buch: € 22,00
Format: ePub
ISBN: 978-3-7076-0839-7
Preis e-Book: € 19,99
Kurzbeschreibung des Verlags

Vor 30 Jahren, am 12. Juni 1994, stimmten die Öster­reicher­:innen für den Bei­tritt zur Euro­pä­ischen Union. Heute muss sich das Land ak­tu­el­len und rich­tungs­wei­sen­den Ent­wick­lun­gen stel­len: Statt Ab­leh­nung und Zöger­lich­keit braucht es eine opti­mis­ti­sche Neu­defi­ni­tion der euro­pä­ischen Schwer­punkte.

Die Herausforderungen, vor denen die EU steht, sind so groß wie nie: Der rus­si­sche An­griffs­krieg auf die Ukra­ine stellt die Sicher­heits­ord­nung Euro­pas in­frage; der Klima­wan­del for­dert zu­kunfts­orien­tier­tes Han­deln; Migra­tion und der Schutz der Außen­gren­zen ver­lan­gen ge­mein­same Stra­te­gien und Lö­sun­gen; die Ein­fluss­nahme ex­ter­ner Ak­teur­:innen auf libe­rale Demo­kra­tien wird im­mer pro­ble­ma­ti­scher und nicht zu­letzt ge­ra­ten Rechts­staat­lich­keit und ge­meins­ame Grund­werte unter Druck.

Wie kann mit all dem umgegangen werden? »Europa neu gedacht« ver­sam­melt rund 30 span­nen­de Kom­men­tare von Ex­pert­:innen aus unter­schied­li­chen Be­rei­chen der Ge­sell­schaft, die zei­gen, wie sich Öster­reich für ein star­kes Eu­ro­pa ein­set­zen kann.

Mit einem Vorwort von Franz Vranitzky.

Posted by Wilfried Allé Sunday, June 2, 2024 8:51:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Kickl 

und die Zerstörung Europas

von Gernot Bauer, Robert Treichler

ISBN: 9783552075030
Verlag: Zsolnay, Paul
Umfang: 256 Seiten
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 15.04.2024
Preis: € 25,70

Kurzbeschreibung des Verlags

Fast drei Jahrzehnte war Herbert Kickl der Mann im Schat­ten: der­jenige, der für Jörg Haider die Re­den schrieb; der­jenige, des­sen (heftig um­strit­tene) Slo­gans Heinz-Chris­tian Strache zum Vize­kanz­ler der Repu­blik Öster­reich mach­ten; der ein­zi­ge Minis­ter seit 1945, der aus sei­nem Amt ent­las­sen wurde. Einst stan­den Kickls rhe­to­ri­sche Radi­kali­tät, die schar­fe Ar­gu­men­ta­tion und Agi­ta­tion sei­ner Kar­riere im Weg, jetzt ent­spre­chen diese Eigen­schaf­ten einem Zeit­geist, der die libe­ra­le Demo­kra­tie nicht nur in Öster­reich, son­dern im Ver­bund mit Alice Weidel, Viktor Orbán, Marine Le Pen und an­de­ren Rechts­popu­lis­ten auch in ganz Euro­pa ab­schaf­fen will. Gernot Bauer und Robert Treich­ler ha­ben sich auf Spuren­suche be­ge­ben und lie­fern eine neue Sicht auf einen as­ke­ti­schen Ideo­lo­gen, einen wan­kel­mü­ti­gen Volks­tri­bun – und einen brand­ge­fährl­ichen Poli­tiker.


FALTER-Rezension

Wer ist FPÖ-Chef Herbert Kickl?

Nina Horaczek in FALTER 16/2024 vom 19.04.2024 (S. 26)

"Wenn es eine Eigenschaft gibt, die in Herbert Kickls Wesen be­son­ders aus­ge­prägt ist, dann ist es das Miss­trauen", schrei­ben die Profil-Jour­na­lis­ten Gernot Bauer und Robert Treichler in ihrer Bio­gra­fie über den FPÖ-Par­tei­chef. In ei­ner Art Psycho­gramm auf 251 Sei­ten ar­bei­ten sie he­raus, dass Kickl ein Poli­ti­ker ist, der nicht ge­liebt, son­dern ge­fürch­tet wer­den will, der stän­dig und über­all eine Ver­schwö­rung bö­ser Mächte wit­tert und der als Innen­minis­ter Dinge tat, die bis da­hin un­vor­stell­bar wa­ren. "Sein Kabi­nett führt ein Schreckens­regi­ment", steht da­rin über Kickls Zeit im Innen­minis­te­rium. "Selbst er­fah­rene Poli­zis­ten füh­len sich unter Druck ge­setzt." Es geht so weit, dass Be­su­cher ihre Mobil­tele­fone ab­ge­ben mussten und eine Spezial-Über­wachungs­kamera vor den Minis­ter­räum­lich­keiten in­stal­liert wurde, die "selbst SMS-Texte auf Handy­dis­plays ent­zif­fern" kann.
Bauer und Treich­ler be­schrei­ben akri­bisch die Sta­tio­nen von Kickls Le­ben, von sei­ner Kind­heit als Ar­bei­ter­kind in Kärn­ten bis zum An­führer des Wider­stands ge­gen die Corona-Maß­nah­men der Re­gie­rung, wo Kickl -und das ist doch ziem­lich ein­zig­artig in der Zwei­ten Repu­blik - als An­füh­rer einer Par­la­ments­par­tei die Straße mobi­li­siert. Es ist die Ge­schichte einer Ver­wand­lung, die in die­sem akri­bisch recher­chier­ten Buch nach­er­zählt wird. Die Ver­wand­lung eines jun­gen, be­lieb­ten und durch Hilfs­be­reit­schaft und Schmäh auf­fal­len­den jun­gen Man­nes zu ei­nem ver­bis­se­nen, von Miss­trauen und Recht­ha­be­rei ge­präg­ten Poli­ti­ker, der auf der Kla­via­tur des Rechts­ex­tre­mis­mus spielt. Zu­sätz­lich span­nen die Auto­ren einen Bo­gen zu ande­ren Par­teien der ex­tre­men Rech­ten in Euro­pa und da­zu, was der Auf­stieg die­ser Par­teien für den Kon­ti­nent be­deutet.

Der Fokus liegt aber auf Kickls Vita. So sagt etwa ein eins­ti­ger Schul­kol­lege, er würde den FPÖ-Chef gerne unter vier Augen tref­fen, würde ihn gerne fra­gen, wie er sich so ver­än­dern, so sehr radi­kali­sie­ren konnte. Eine Ant­wort da­rauf haben auch die bei­den Auto­ren nicht ge­funden. Die­se Frage kann wohl nur Kickl selbst be­ant­worten.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, April 17, 2024 5:55:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Die besten Tagespresse- Meldungen 2023 

Nur eine Aktivistin notwendig: Skigebiet in Tirol lahmgelegt

von Die Tagespresse

ISBN: 9783701736034
Verlag: Residenz
Umfang: 240 Seiten
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 13.11.2023
Preis: € 19,00
Kurzbeschreibung des Verlags

Im Jahr 2023 fanden wieder einige große und kleine Polit­beben statt, doch auch in an­de­ren Be­rei­chen steckte das Jahr vol­ler Über­ra­schun­gen. Kön­nen Sie sich noch da­ran er­in­nern, als eine Hofer-Kas­sie­re­rin aus Wien einen neuen Welt­re­kord auf­ge­stellt hat und mit ihrer Kas­sier­ge­schwin­dig­keit die Schall­mauer durch­bro­chen hat? Oder als die Sili­con Val­ley Bank Co­ro­na-Hil­fe in Öster­reich be­an­tragte und sich da­durch ret­tete? Die nieder­öster­reichi­sche Landes­haupt­frau Johan­na Mikl- Leit­ner hat in der Zwi­schen­zeit die ORF-„NÖ Heute“-Mode­ra­tion über­nom­men, da es eh schon wurscht war … Diese und viele an­dere Er­eig­nis­se aus dem Jahr 2023 ver­sam­melt der legen­däre Jahres­rück­blick der Tages­presse, den Sie un­be­dingt le­sen müssen.

Posted by Wilfried Allé Thursday, January 25, 2024 2:30:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Die chauvinistische Bedrohung 

Russlands Kriege und Europas Antworten | Putins Autokratie, Nationalismus und Sexismus zerstören die Ukraine und bedrohen liberale Demokratie und Freiheit weltweit

von Sabine Fischer

ISBN: 9783430210959
Verlag: Econ
Umfang: 288 Seiten
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Erscheinungsdatum: 28.09.2023
Preis: € 25,70
Kurzbeschreibung des Verlags

Russlands aggressiver Ver­nich­tungs­krieg ge­gen die Ukra­ine lässt sich nicht be­grei­fen und stop­pen, ohne den russi­schen Chau­vi­nis­mus zu ver­stehen. Der speist sich aus natio­na­lis­tischen und miso­gynen Ideen und dient dem auto­kra­ti­schen Putin-Regime zur Selbst­legi­ti­ma­tion. Die chau­vi­nis­tische Poli­tik Russ­lands greift nicht nur die Ukra­ine an. Sie be­droht auch sig­ni­fi­kante Tei­le der russi­schen Ge­sell­schaft und will die auf Re­geln und Wer­ten ba­sie­ren­de euro­pä­ische Sicher­heits­ordn­ung zer­stö­ren. An ihre Stelle soll das Recht des Stär­ke­ren, Ag­gres­siv-Impe­rial­en treten.

Der russische Chauvinismus betrachtet alles, was mit Libe­ra­lis­mus zu tun hat, als feind­lich – und auch in Euro­pa brei­tet sich diese Hal­tung aus. Sabine Fischer, Ost­eu­ro­pa-Ex­per­tin bei der re­nom­mierten Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik, lie­fert uns einen ganz neuen Blick auf die Macht- und Ex­pan­sions­poli­tik Russ­lands. Sie er­klärt, wie ag­gres­si­ver Natio­na­lis­mus, miso­gyner Chau­vi­nis­mus und Auto­kra­tie in Russ­land zu­sam­men­hän­gen, und wie Eu­ro­pa und die west­liche Welt sich auf­stel­len müs­sen, um dem russi­schen Chau­vi­nis­mus zu trotzen.

FALTER-Rezension

Putin ist, wie einen Schläger in der Familie zu haben

Tessa Szyszkowitz in FALTER 1-2/2024 vom 12.01.2024 (S. 20)

Nicolas Chauvin wäre wohl kein Fan dieses Buches. Der Le­gende nach war der mut­maß­liche Namens­geber des Chau­vi­nis­mus nicht nur ein "hyper­patrio­tischer Bauern­soldat", er war auch laut Sabine Fischer "ein pri­mi­ti­ver Macho". Die deut­sche Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin hat selbst Jahre in Russ­land ge­lebt und ist heute als Senior Fellow der For­schungs­grup­pe Ost­eu­ropa und Eu­ra­sien der Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik in Berlin tä­tig. An­ge­sichts der Gewalt­ex­plo­sion, die Putins In­va­sion in der Ukra­ine aus­ge­löst hat, hat sie über jene Bau­steine ge­forscht, aus denen sich das rus­sische Sys­tem zu­sam­men­setzt: "Natio­na­lis­mus, Sexis­mus und Auto­kratie."
Schon knapp nach dem Zusammenbruch der Sowjet­union waren im neuen Russ­land natio­na­lis­tische Par­teien er­folg­reich - im Falle der KP mit Sow­jet­nos­tal­gie ge­mischt, die LDPR unter Waldimir Schiri­now­ski und Leonid Sluzki zeigte bei­spiel­haft, wie sich "Natio­na­lis­mus, Sexis­mus und auto­ri­tä­res Ge­dan­keng­ut" ver­schmel­zen lassen.

Machismo im Kreml Es gab zwar nach der bolsche­wis­ti­schen Revo­lu­tion 1917 und auch nach dem Ende der Sow­jet­union je­weils kurze Pha­sen, in denen eman­zi­pa­tor­ische Poli­tik femi­nis­tischen Frauen kurz Hoff­nung auf Gleich­be­rech­ti­gung gab. Doch sie währ­ten nur kurz. Seit der Wahl von Wladi­mir Putin zum Prä­si­den­ten im Jahr 2000 ist der Machismo im Kreml ein­ge­zo­gen. Nicht nur dort. Er mach­te sich auch in Regie­rungs­kabi­net­ten, den Vor­stän­den von Fir­men und in den Wohn­zim­mern breit. Hetze gegen Mi­gran­ten und ge­gen Ame­rika sind seit 2014 eben­falls fes­ter Be­stand­teil des Polit­mixes. Seit der Anne­xion der Krim und dem Be­ginn des Krie­ges in der Ost­ukra­ine wird die Ukra­ine außer­dem ver­stärkt als Hure dif­fa­miert und vom russi­schen Prä­si­den­ten Wladimir Putin zum Ver­ge­wal­ti­gungs­opfer sti­li­siert.

Was dem Chauvinismus aber erst so richtig zum Durchbruch ver­holfen hat, sind Pu­tins Kriege. Tschet­sche­nien, Geor­gien, Syrien, Ukra­ine. Die Feld­züge bru­ta­li­sie­ren die Sol­da­ten, die oft nicht mehr aus dem Trau­ma der Ge­walt auf dem Schlacht­feld heraus­tre­ten kön­nen. In die­sem per­ma­nen­ten Gewalt­ex­zess ha­ben sich das Pri­vate und das Poli­ti­sche längst ver­mischt. Die weni­gen Frauen, die es unter Putin in die erste Rei­he schaff­ten, tra­gen seine Poli­tik mit: Walen­tina Ma­twi­jenko, die Vor­sit­zende des Föde­rations­rates, oder Elwira Nabi­ul­lina, Chefin der Zentral­bank. Die russ­ische Frau­en­recht­lerin Alyona Popova sagt: "Un­sere Staats­macht ver­hält sich wie ein Schlä­ger in seiner Familie."

Feminismus in der EU Die EU dagegen setze dem puti­nis­ti­schen Chau­vi­nis­mus zu wenig ent­ge­gen. Sie sei durch den Er­folg der haus­ei­ge­nen Rechts­popu­li­sten ge­schwächt, ana­ly­siert Fischer. Marine Le Pen, Gior­gia Meloni oder Alice Weidel ge­ben der neu­en Rech­ten ein "pseudo­eman­zi­pier­tes Ant­litz". Doch da­hin­ter steht die alte Fratze des ultranationalistischen Chauvinismus. In den Worten von Björn Höcke, dem rechtsextremen Spitzenkandidaten der AfD in Thüringen: "Wir müssen unsere Männ­lich­keit wie­der ent­decken! Nur wenn wir mann­haft wer­den, wer­den wir wehr­haft."

Gegen Ende schenkt Fischer der Leserschaft einen kleinen Lichtblick: Anna­lena Baer­bock habe Deutschland zumindest eine feministische Außenpolitik verpasst. Und das bedeute nicht etwa Pazifismus. Sondern die geschundene Ukraine mit Waffen zu ihrer Verteid­igung ge­gen Russ­land aus­zu­stat­ten.

Die Autorin Sabine Fischer spricht am 25. Jänner im Kreisky Forum über ihr Buch unter dem Titel: Machismo und Macht

Weitere Rezensionen

»Viele reden über Russland – Sabine Fischer kennt es von innen, bes­ser als kaum je­mand sonst in Deutsch­land. In luzi­der Ana­ly­se ent­hüllt sie den chau­vi­nis­tischen Charak­ter sei­ner ag­gres­si­ven Poli­tik und sei­nes Präsi­den­ten. Wer Wla­di­mir Putins zer­stö­reri­schen und selbst­zer­stö­re­ri­schen Krieg ver­ste­hen will, muss die­ses Buch lesen.« - Rüdiger von Fritsch

Russlands Aggression gegen die Ukraine ist kein Krieg in Euro­pa, son­dern gegen Europa. Wer daran Zwei­fel hat, lese Sabine Fischers starkes Buch über die Ursprünge und Folgen von Putins chauvinistischer und revisionistischer Politik.« - Ivan Krastev

»Eine präzise, wunderbar geschriebene Analyse, die dank Fischers femi­nis­ti­scher Per­spek­tive end­lich um­fas­send er­klärt, wa­rum der rus­si­sche An­griffs­krieg auf die Ukra­ine keine Über­raschung war und was wir für die Zu­kunft ler­nen kön­nen. Ein Buch über Russ­land, das wirk­lich heraussticht.« - Alice Bota

»Mit diesem Buch, das Analyse und persönliche Erinnerungen mit­ei­nan­der ver­bin­det, ver­mit­telt Russ­land­ex­per­tin Sabine Fischer einen tie­fen Ein­blick in das ge­gen­wär­tige poli­ti­sche Sys­tem Russ­lands und in die rus­si­sche Ge­sell­schaft. Kon­zep­tio­nell in­no­va­tiv und zu­gleich in­tui­tiv führt sie an­hand des Be­griffs ‚Chau­vi­nis­mus‘ durch die Trias aus Natio­na­lis­mus, Sexis­mus und Auto­kra­tie, die Russ­lands Posi­tio­nie­rung ge­gen­über west­li­chen Lebens­mo­del­len und den Weg in den Krieg ge­gen die Ukra­ine nach­zeich­net und ei­nen Blick in denk­bare Zu­künfte Russ­lands er­öffnet.« - Gwendolyn Sasse  

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Posted by Wilfried Allé Tuesday, January 23, 2024 9:45:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Revanche 

Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat

von Michael Thumann

ISBN: 9783406799358
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 14.03.2023
Preis: € 25,70
Kurzbeschreibung des Verlags:

ARCHIPEL PUTIN - INNENANSICHTEN AUS DEM BEDROHLICHSTEN REGIME DER WELT

Kaum einer kennt Russland besser als Michael Thumann, der seit über 25 Jahren aus Osteuropa für die ZEIT berichtet. Er legt nun ein atemberaubend geschriebenes Buch vor, das Russlands Absturz in eine zunehmend totalitäre Diktatur und den Weg in Putins imperialistischen Krieg aus nächster Nähe nach­zeich­net. Das Motiv des Dik­ta­tors und sei­ner Ge­treuen: Re­van­che zu neh­men für die demo­kra­ti­sche Öff­nung nach 1991 und die ver­meint­liche Demü­ti­gung durch den Wes­ten. Putins Herr­schaft radi­kali­siert sich wei­ter. Es ist das be­droh­li­chste Re­gime der Welt.

"Unter Wladimir Putin verabschiedet sich ­, das ei­gent­lich größte euro­pä­ische Land, aus Eu­ro­pa. Er­neut senkt sich ein Eiser­ner Vor­hang quer durch den Kon­ti­nent. Reise ich in die­ses Land, werde ich am Flug­ha­fen in al­ler Re­gel auf­ge­halten. Der Grenz­beamte hält mei­nen Pass fest und tele­fo­niert lange mit sei­nen Vor­ge­setz­ten. Ein Men­sch im dunk­len An­zug, wahr­schein­lich Ge­heim­dienst, holt mich ab und führt mich in einen Kel­ler­raum. Da­rin ein Schreib­tisch, eine alte Ma­trat­ze mit Sprung­fe­dern, ka­put­te Stühle, Staub in den Ecken. Ich muss Fra­gen be­ant­wor­ten: Wo wohnen sie? Was den­ken sie über die Mili­tär­ope­ra­tion? Was haben sie vor in Russ­land? Ich ant­worte knapp und frage mich selbst: Kom­me ich über­­haupt noch in das Land? Und kom­me ich wie­der he­raus?"
Michael Thumann

Russlands Absturz in die Diktatur und der Weg in Putins im­peria­­li­s­ti­­schen Krieg – in ei­nem fes­­seln­­den Mix aus jour­­na­­lis­ti­scher Re­por­­tage und poli­­ti­sch-his­­to­ri­­scher Ana­­ly­­se
Michael Thumann ist einer der letz­ten deut­schen Kor­­respondenten, die noch in Moskau leben
Das Buch basiert auf zahl­reichen Be­geg­nun­gen und ex­klu­si­ven Ge­sprä­chen mit Pro­ta­go­nis­ten der rus­si­schen Poli­tik und Ge­sell­schaft

FALTER-Rezension

Reisebericht für echte Russlandversteher

Sebastian Kiefer in FALTER 13/2023 vom 31.03.2023 (S. 17)

Westeuropa wiegte sich lange in der süßen Illu­sion, die Welt werde, wenn man nur freund­lich ge­nug bliebe, bald wie Europa wer­den - Krieg würde dann kein Mit­tel der Poli­tik mehr sein, Kon­flik­te über­all per Di­plo­ma­tie und Ver­trag ge­re­gelt, der Se­gen des Freihandels die Men­sch­heit ver­söh­nen. Dass nur der ato­mare Schutz­schild der USA die im­peria­lis­tische Aggres­si­vi­tät der ­begrenzte, unterschlug man gern.
Michael Thumann, langjähriger Moskaukorrespondent der Zeit, ahnte früh, dass Wladimir Putin die europäischen Illusionen zerstören werde. Er traf Putin das erste Mal 1999, als der Krieg in Tschetschenien Putin die Präsidentschaft gesichert hatte. Heute sieht Thumann das tschetschenische Schreckensregime als "Versuchslabor", in dem die Umwandlung Russlands in einen revanchistischen, schrankenlos korrupten Terrorstaat erprobt wurde. .

Seit je bewunderte Putin wie so viele Rus­sen star­ke, ge­walt­be­rei­te Füh­rer, die nach Re­van­che für mehr ge­fühl­te denn reale Krän­kungen der ei­ge­nen Größe dür­sten. In den 2000er-Jah­ren gab sich Putin zu­nächst mit ei­ner "hy­bri­den" Ord­nung aus auto­kra­ti­schen Ele­men­ten, so­zia­len Wohl­ta­ten und re­prä­sen­ta­ti­ven Bau­pro­jek­ten zu­frie­den - die hohen Roh­stoff­pre­ise er­mög­lich­ten pater­na­lis­ti­sche Wohl­stands­illu­sio­nen, wäh­rend die öko­no­mi­sche und zi­vi­le Mo­derni­sie­rung aus­blieb.

Den Umschwung brachte für Thumann der Winter 2011/12: Landes­­weit pro­­tes­­tier­­ten hun­­dert­­tau­­sen­de Rus­­sen ge­­gen die dreist ge­­fälsch­­ten Wah­­len. Putin war fas­­sungs­los. Jetzt erst ent­­deck­te er das Ins­­tru­­ment des von Para­­noia und Krän­­kung dik­­tier­­ten, eth­­nisch ge­­grün­­de­­ten Natio­­na­­lis­mus, um den Zorn des Vol­­kes um­zu­­len­­ken auf ei­­nen Feind, dem man - wie­der ein­­mal - alle Schuld am rus­­si­schen De­­sas­ter zu­­schrieb: dem "Wes­ten", wahl­­weise als Libe­­ra­­li­s­mus, Säku­­lar­is­­mus, Par­la­­men­tarismus, als EU, USA oder Nato zu ver­stehen.
Zu Beginn seiner Amtszeit gab Putin zumindest im Westen vor, Russ­land so umzuwandeln, dass es einmal Teil der westlichen Bündnisse werden könne. Putin hatte nichts dagegen, als unter seinem Freund Kanzler Gerhard Schröder (der sich, zuvor Atheist, Putin zuliebe eigens in der Erlöserkathedrale bekehren ließ) sieben osteuropäische Länder der Nato beitraten, doch seit den Massenprotesten lancierte Putin die Mär von der Bedrohung Russlands durch die Nato -eine propagandistische Bedrohungshalluzination, die Kollektive zusammenschweißt und künftige Angriffskriege als Verteidigungsmaßnahmen rechtfertigen lässt.

Putin setzte bei der Lancierung dieser Legende auf Bündnisse mit Rechts-und Linkspopulisten Europas und allemal auf die Deutschen und ihr gebrochenes Verhältnis zur angelsächsischen Liberalität. Thumann erinnert daran, wie überraschend stark hier alte geostrategische und kulturelle Identitätskonstruktionen Deutschlands reproduziert wurden: Im Vertrag von Rapallo 1922 ging die junge Weimarer Republik, verführt vom hyperkonservativen Diplomaten Adolf Georg Otto "Ago" von Maltzan, ein antiwestliches Bündnis mit den Bolschewiki ein.

So durchbrachen sie ihre internationale Isolation. Das Ergebnis: "Deutsche Technik ging nach Russland, zurück floss russisches Öl": "deutsche Linke und Konservative [feierten] Rapallo als Triumph über den liberal-kapitalistischen Westen".

Putins nationalistische Wende ist für Thumann Teil des globalen Phänomens des "Neuen Nationalismus", dem er 2020 ein eigenes, lesenswertes Buch widmete: Viktor Orbán, Erdoğan, sogar Donald Trump waren ursprünglich liberale Geister und wurden nicht aus gewachsener Überzeugung, sondern aus zynischem Machtkalkül zu Nationalisten. Sie bedienen sich alter, antiliberaler Rhetoriken, um kollektive Energien zur Verteidigung verlorener nationaler Größe zu mobilisieren und zu kanalisieren - doch letztlich glauben sie nur an eine einzige Sache: an ihr zwischen Größenwahn, Kränkung und Aggressivität schwankendes Ego. Über die Kontrolle der Massenmedien implantieren sie ihre hoch emotionalisierten, von rohem Freund-Feind-Denken strukturierten Ersatzrealitäten in die Gehirne ihrer Anhänger.

In eingestreuten Reportageminiaturen führt Thumann vor, wie bestürzend distanzlos sogar gebildete Russen die propagandistisch erzeugten, massenmedial verbreiteten Ersatzrealitäten internalisierten. Thumann führt uns auch ins Jelzin-Museum in Jekaterinenburg. Jelzin ist für Thumann der tragische Antiheld und als solcher ein Symbol Russlands schlechthin: Groß an Mut und Herz, schwach in Organisation und Zukunftsgestaltung stieß er das Tor zur Freiheit und Moderne auf, dann kollabierte er, in Korruption und Alkohol versinkend, und gab Russland erschöpft in die Hände des (Ex-)Geheimdienstlers und Autokratenanbeters.

Thumann lehrt, was es für einen rationalen Weltbürger heißt, ein wahrer "Russlandversteher" zu sein: Ein solcher verfällt weder in Opfer-Täter-Ideologien noch in pauschale Dämonisierungen. Er macht im Wechsel von einfühlender Teilnahme und historisch reflektierender Außensicht verständlich, was so schwer zu begreifen ist: weshalb alle unter Jelzin gehegten Hoffnungen auf eine friedliche Demokratisierung und Modernisierung Russlands implodierten und aus Russland neuerlich ein imperialistischer Führer-und Terrorstaat werden konnte.

Es wäre nicht möglich gewesen, wenn die Westeuropäer nicht im Wachtraum von einer globalen Handels-und Friedensordnung ohne Despoten und Revanchisten gefangen gewesen wären.

Posted by Wilfried Allé Thursday, March 30, 2023 9:53:00 PM Categories: Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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