von Margot Fischer
ISBN: |
9783854764335 |
Verlag: |
Mandelbaum Verlag eG |
Format: |
Buch |
Genre: |
Ratgeber/Essen, Trinken/Themenkochbücher |
Umfang: |
808 Seiten |
Erscheinungsdatum: |
15.09.2014 |
Reihe: |
Mandelbaums Feine Gourmandisen |
Preis: |
€ 59,00 |
Kurzbeschreibung des Verlags:
Das Standardwerk der essbaren Wildpflanzen
Seit Jahren empfiehlt Margot Fischer bereits, das Unkraut besser aufzuessen, als chemisch zu vernichten!
Ihr umfassendes Nachschlagewerk, es ist Kochbuch und Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen in einem, erscheint nun in neuer, erweiterter Auflage und verbesserter Ausstattung: zwei Bände im Schuber, erweitert durch Farbfotografien, die das Erkennen der Pflanzen erleichtern.
Das Buch lädt gleichermaßen zum Schmökern in der Kulturgeschichte, zur gezielten Information über medizinische Anwendungen oder zum genussvollen Nachkochen von über 500 anregenden Rezepten ein.
Hinweise auf Verwechslungsmöglichkeiten und mögliche unerwünschte Wirkungen machen eine sichere Bestimmung und Verwendung der Kräuter einfach. Hinzu kommt eine umfangreiche Übersicht über die saisonale Verwendbarkeit von Trieben, Blättern, Blüten, Früchten, Samen, Wurzeln und Säften der kulinarisch verwendbaren Wildpflanzen Mitteleuropas.
FALTER-Rezension:
Die Pflanzenwissen-Zusammenfügerin
Margot Fischer hat eine äußerst bunte Berufskarriere. Unter anderem ist sie Expertin für essbare Wildpflanzen. Und die kann man auch im Herbst sammeln. Ein Rundgang.
Kaum auf der großen Wiese hinterm Lusthaus angekommen, bückt sich Margot Fischer schon zum ersten Mal und zupft ein kleines, gefiedertes Blättchen ab, das aussieht wie eine zarte, grüne Feder, und hält es einem zum Kosten hin. „Schafgarbe“, sagt sie, „sie wird jetzt im Herbst schon ein bisschen bitter, aber es ist ein super Gewürz für Kräuteraufstriche.“ Überhaupt könne man die Erntesaison für viele essbare Wildpflanzen verlängern, wenn man noch einmal hingehe, nachdem die Wiese so wie hier vor kurzem gemäht worden ist und manche Pflanzen sogar jetzt im Herbst in Bodennähe noch ein bisschen frisches Grün ansetzen.
Margot Fischer schreitet weiter aus. Sie ist eine kleine, filigrane Frau mit schickem, blondem Kurzhaarschnitt, einem schwarzen Lackledermantel und schwarzen Palladium-Boots. Kräuterfrauen stellt man sich anders vor. Sie spricht leise, konzentriert und ein bisschen abgehackt. Es ist ein strahlend sonniger, kalter Oktobermorgen. Der Wind treibt Wolken über den Himmel. Abgefallene Blätter sprenkeln Gras und Wege. Das Laub an den Zweigen hat schon begonnen, sich zu verfärben.
Es ist nicht viel los im grünen Prater. Ein paar Läufer, ein paar Spaziergänger mit Hunden, ab und zu weht es Stimmfetzen aus dem Kindergarten in der Aspernallee herüber. Wenn Margot Fischer ihre Exkursionen zu essbaren Wildpflanzen veranstaltet, dann tut sie das meistens an Orten wie diesem: mitten in der Stadt und doch am Land. In der Natur und doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Wie zum Beispiel oben am Cobenzl im Wiener Wald. Oder eben hier rund um die großen Wiesen und die Aulandschaft beim Lusthaus-Wasser im Prater. „Hier wächst viel auf engstem Raum“, sagt sie und ist auch schon am Waldrand angekommen, wo sie ein paar Samen vom Kleinen Springkraut abzupft. Sie schmecken nussig und jetzt im Herbst, wenn sie schon etwas älter sind, auch pfeffrig. Sie enthalten viel Öl und Eiweiß und passen gut in Salate. Wie lange, grüne Wildreis-Nadeln liegen die Springkraut-Samen auf Margot Fischers behandschuhter Handfläche: „Man soll eh so viel wie möglich davon aufessen, weil das Springkraut ein ziemlich invasiver Neophyt ist“, scherzt sie.
Wer mit Margot Fischer unterwegs ist, für den wird die Natur im Handumdrehen zu einem äußerst gut bestückten Selbstbedienungsladen: Wildgemüse und -kräuter, Samen, Beeren, Wurzeln. „Allein in Mitteleuropa existieren mehr als 1600 essbare Wildpflanzen“, schreibt Margot Fischer in ihrem zweibändigen Buch „Wilde Genüsse. Enzyklopädie und Kochbuch der essbaren Wildpflanzen“, das im Mandelbaum-Verlag erschienen ist und eins der Standardwerke zum Thema ist.
Natürlich handelt es sich bei der Lehre von den essbaren Wildpflanzen um uraltes Wissen, aber für ihr eigenes Leben ist Margot Fischer ganz allein drauf gekommen. So könnte man es zumindest formulieren.
Es ist eine Geschichte über beschwingten Eigensinn, und sie geht so: Schon mit zwölf oder 13 fing Margot Fischer selbst zu kochen an. Und zwar „weil meine Mutter so schlecht gekocht hat. Sie war Systemprogrammiererin und keine Hausfrau“, erzählt sie heiter. Da traf es sich gut, dass die Tochter neugierig aufs Kochen war, gern experimentierte und viel mit Kräutern würzte.
Irgendwann bekam sie mit, dass viele der Würzkräuter zugleich auch als traditionelle Heilkräuter im Einsatz waren. Also wünschte sie sich ein Heilkräuterbuch, bekam es und stolperte in einem Absatz über die Kulturgeschichte der Vogelmiere (Stellaria media) über die Information, dass diese auch als Wildgemüse gegessen werden kann. „Da hat’s bei mir Bing gemacht“, erzählt Margot Fischer, Jahrgang 1958. Von da an fing sie an, sich in der Natur zu bedienen, wann immer sie an den drei Orten, an denen sie aufgewachsen ist, unterwegs war – in Wien oder in Graz oder in Leoben „auf der G’stätten der Voest“: Sauerampfer, Amaranth, Melde, Vogelmiere, Wegerich, Gänseblümchen. „Ich hab alles gekostet und geschaut, was mir schmeckt und was nicht.“
Es waren die 1970er-Jahre. Wildpflanzenkochbücher, wie es sie seit einigen Jahren zuhauf gibt, existierten nicht. „Wenn, dann gab’s so Hefteln aus dem Kneipp-Verlag mit Rezepten zur notorischen Brennnesselsuppe und, wenn’s hoch kommt, gebackenen Holunderblüten“, erzählt Margot Fischer. Auf der anderen Seite, sagt sie, sei das gar nicht so schlecht gewesen, „dadurch war ich freier in meinem Zugang“. Sie sammelte, las nach, kostete, kombinierte, probierte aus, was zusammenpasste, und erforschte, was auch gekocht noch gut aussah. Später während der Studienzeit dann mischte Margot Fischer ständig Heiltees zusammen und kochte viel für Freunde – immer auch mit Wildpflanzen, die sie am Stadtrand, im Türkenschanzpark oder in Nussdorf am Beethovengang selber sammelte. „Ich wollte mir auch immer selber helfen können und von nichts und niemandem abhängig sein“, erzählt sie. Die essbaren Wildpflanzen passten da gut ins Konzept. Ebenso der Umstand, dass sie sich viele handwerkliche Fähigkeiten aneignete.
Sie legte es definitiv nicht stromlinienförmig an. Im Rahmen eines selbst zusammengestellten Studium irregulare studierte sie Ernährungswissenschaften und jobbte daneben als Forschungsassistentin auf der Intensivstation des AKH. Aus dieser Zeit sind ihr die Kontakte zur Medizin geblieben. Bis heute verdient sie ein Gutteil ihres Einkommens als „scientific author“, indem sie für Ärzte etwa medizinische Studien designt oder englische Fachmagazinartikel schreibt. Sie ist Wissenschaftlerin, Pflanzenkundige und Köchin in Personalunion. Da überrascht es kaum, dass sie auch zwei Restaurants geführt hat – das Bayou am Karmelitermarkt in der Leopoldstadt, das auf Cajun-Kitchen aus Louisiana spezialisiert war, und das Contor, ebenfalls am Karmelitermarkt, eine kleine, feine Weinbar mit einigen ausgesuchten Spezereien, die – unter anderer Führung – immer noch existiert. Zudem arbeitet sie als Ernährungsberaterin, gibt Kochkurse (siehe Marginalspalte), stellt eine eigene kleine Spezialitäten-Produktlinie her, führt Wildpflanzen-Exkursionen und schreibt Bücher. Neben der Enzyklopädie und dem Kochbuch zu den Wildpflanzen hat sie auch ein Cajun-Kitchen-Kochbuch, Kinder- und Jugendbücher oder eine Reihe kleiner, feiner kulinarisch-kulturhistorischer Pflanzen-Monografien aus der „kleine gourmandisen“-Reihe des Mandelbaum-Verlags geschrieben. Es ist ein verschlungener, höchst eigenwilliger Lebensweg. Die essbaren Wildpflanzen haben sie immer dabei begleitet. Man kann getrost behaupten, dass sie in puncto essbarem Wildgemüse dem aktuellen Boom gleich ein paar Jahrzehnte voraus ist.
Inzwischen ist Margot Fischer im tiefsten Auwald des Lusthaus-Wassers angekommen, dort wo Biber-Fraßspuren den Fuß dicker Pappelstämme zieren und umgefallene Bäume kreuz und quer liegen. Sie zeigt auf die reifen, roten Beeren des Weißdorns, die früher zu Mehlersatz verarbeitet und zum Kuchen- und Brotbacken verwendet wurden, und berichtet auch von der blutdruckregulierenden Wirkung der Weißdornblätter und -blüten. Dann zieht sie eine oberirdisch fast schon zur Gänze vertrocknete Nelkenwurz mit braunen, klettenartigen Samenständen aus dem Boden und erzählt, dass man die Wurzel trocknen und als Gewürznelkenersatz verwenden kann. Und tatsächlich: Wenn man ein Stückchen Wurzel kaut, breitet sich nach und nach ein deutliches Gewürznelkenaroma im Mund aus.
Wer es sich wie Margot Fischer seit so langer Zeit angewöhnt hat, Wildpflanzen genau zu beobachten, der sieht Dinge, die andere nicht sehen. Etwa in welcher Weise sich der Klimawandel an ihnen bemerkbar macht. Seit fünf, sechs Jahren, sagt sie, falle ihr deutlich auf, dass viele Wildpflanzen um Wochen, manchmal auch gleich um bis zu zwei Monate früher blühen, als das ehemals der Fall war: Die Gundelrebe, früher ein klassischer April-Blüher, blüht nun schon im Februar. Ebenso das Scharbockskraut – der klassische Vitamin-C-Spender unter den ersten grünen Frühlingsblättern. Mittlerweile muss man sich mit dem Blättersammeln im Vorfrühling schon beeilen, weil diese nur gut schmecken, solange die Pflanze noch nicht blüht.
Freilich, wer anfangen möchte, sich ein bisschen näher mit essbaren Wildpflanzen zu beschäftigen, wird sein Geschmacksempfinden vermutlich etwas adaptieren müssen, denn die meisten Wildpflanzen schmecken bitterer, als wir es von unseren Kulturpflanzen gewohnt sind. „Als Mensch ist man auf süß getrimmt, weil süß selten giftig ist. Aus diesem Grund werden Kulturpflanzen nicht nur auf mehr Ertrag hin gezüchtet, sondern auch auf weniger Bitterstoffe“, erklärt Margot Fischer. Was auch deswegen nicht ideal ist, weil Bitterstoffe Galle und Verdauung anregen und gleichzeitig desinfizierend wirken.
Und nicht selten verbirgt sich hinter einem ersten bitteren Geschmackseindruck etwas höchst Überraschendes. Zurück auf der Wiese verteilt Margot Fischer ein paar junge Blättchen aus einer der vielen Spitzwegerich-Blattrosetten, die hier wachsen. Tatsächlich, man kaut ein bisschen und plötzlich taucht ein starkes Waldpilzaroma – irgendwo zwischen Eierschwammerl und Steinpilz – auf.
Aber solche speziellen Geschmacksnuancen allein machen die Besonderheit von essbaren Wildpflanzen noch nicht aus. Ganz insgesamt ist die Dichte der wertvollen Inhaltsstoffe in ihnen wesentlich höher als bei Kulturpflanzen. „Das hängt damit zusammen, dass sie auf ungedüngten Böden gedeihen und nicht auf rasches Wachstum gezüchtet sind“, erklärt Pflanzenexpertin Margot Fischer. Eigentlich sei es ziemlich einfach, sagt sie: „Das Zeitalter der Analyse, in dem wir leben, hat dazu geführt, dass alles auseinandergehackt wird. Ich bin eine Zusammenfügerin. Jedes naturbelassene Lebensmittel ist auch Medizin. Und wenn ich mit einem Essen, das mir schmeckt, zugleich auch meinem Körper etwas Gutes tue, dann ist das doch ideal.“
Julia Kospach in Falter 41/2016 vom 14.10.2016 (S. 51)