von Richard Cohen
Verlag: |
Orion Publishing Group |
ISBN: |
9781474615785 |
Umfang: |
784 Seiten |
Genre: |
Alternative Geschichte, Zeitreisen |
Erscheinungsdatum: |
12.03.2022 |
Format |
Taschenbuch |
Sprache: |
Englisch |
Preis: |
€ 22,70 |
auch als Hörbuch verfügbar: |
Spieldauer: 26 Std. und 7 Min. |
Kurzbeschreibung des Verlags
MAKING HISTORY is an epic exploration of who writes about the past and how the biases of certain storytellers - whether Julius Caesar, William Shakespeare or Simon Schama - continue to influence our ideas about history (and about who we are) today.
FALTER-Rezension
Von Gschichtldruckern und Historikerinnen
Richard Cohen setzt sich recht heiter mit Geschichtsschreibern von William Shakespeare bis Mary Beard auseinander
Josephus Flavius war nicht nur ein angesehener Historiker seiner Zeit, der die Sichtweise auf den Aufstand der Juden gegen die Römer in den Jahren 66 bis 74 bis heute maßgeblich geprägt hat. Er hatte den Jüdischen Krieg auch deshalb überlebt, weil er auf die römische Seite gewechselt war. In seinem großen geschichtlichen Werk "Der Jüdische Krieg" nutzte er den Widerspruch zwischen Objektivität und Parteilichkeit im eigenen Interesse -um sich zu erklären und reinzuwaschen.
Die Cambridge-Historikerin Mary Beard nennt Josephus Flavius deshalb "den Verräter mit dem größten Glück der Geschichte".
Geschichtsschreibung war nie bloß das Aufzeichnen von Ereignissen. Wie der britische, in New York lebende Historiker und Verleger Richard Cohen in seinem höchst unterhaltsamen Band "Making History - The Storytellers Who Shaped the Past" beschreibt, ist die Historiographie auch ein (zuweilen un)moralisches Unterfangen.
Cohen stellt in seinem "witzigen, weisen und eleganten Buch" (so das britische Magazin The Spectator) fest, dass Historikerinnen und Historiker trotz allen Bemühens nie objektiv sein können. Wie für Journalisten und Journalistinnen gilt: Allein die Auswahl an Ereignissen formt die Sicht auf die Welt.
Richard Cohen seziert die Biografien vom antiken Griechen Herodotus bis zum britischen Militärhistoriker John Keegan. Sein Streifzug durch die Historiographie umfasst auch zentrale Werke der Weltgeschichte wie die Bibel.
Ja, Jesus dürfte es gegeben haben, seine Existenz ist von Quellen belegt. Nein, die Evangelisten, allen voran Johannes, der Lieblingsapostel von Jesus, seien später erfunden worden. Über die Bibel als fiktives Konstrukt der Geschichtsschreibung zum Machterhalt eines christlich geprägten Patriarchats ist hinlänglich geforscht worden. Der Autor hält sich auch nicht allzu lange damit auf, er vermerkt: "Moses hätte wohl kaum seinen eigenen Tod aufzeichnen können."
Als Verleger hat Richard Cohen lange Jahre Schriftstellern wie John le Carré zu Weltruhm verholfen. In seinem Band "How To Write Like Tolstoy" hat er analysiert, warum manche Romane Bestseller wurden. In "Making History" fühlt Cohen nun der Historikerzunft auf den Zahn und klopft sie auf Motivation und Einfluss ab.
Machiavelli etwa trug mit seiner "Istorie fiorentine" 1520 entscheidend dazu bei, dass sich aus religiöser, Gott-zentristischer Historiographie eine von Menschen gemachte Sicht auf die Geschichte durchsetzte.
Oder: Ban Zhao, die erste chinesische Historikerin, schrieb vor zweitausend Jahren das Werk "Gebote für Frauen". Beide hatten ein -durchaus legitimes -Eigeninteresse an ihren Themen.
Cohen verweilt in seiner Studie aber nicht nur bei der klassischen Geschichtsschreibung. Er beschäftigt sich auch mit Promi-Zeitzeugen wie Winston Churchill, dessen "History of the Second World War" sich Millionen Mal verkauft hat. Obwohl klar war, dass Churchill das Buch in weiten Teilen nicht selbst recherchiert und vieles nicht einmal selbst geschrieben hatte.
Cohen weiß auch um die Macht des Fernsehens. Einen lustvollen Exkurs widmet er dem rechtslastigen Historiker Niall Ferguson. Der Autor von Bestsellern wie "Empire" und "Civilization" habe einen Vorteil: "Er kennt sich mit Geld aus." Als Fernsehhistoriker verdient er nicht nur gut. Seine TV-Präsenz hat mitgeholfen, die Historiographie aus dem Elfenbeinturm ins Wohnzimmer zu befördern.
Tessa Szyszkowitz in Falter 30/2022 vom 29.07.2022 (S. 18)