Die neue WIFO-Prognose belegt für Österreich einen anhaltenden Wohlstandsverlust durch Covid- und Teuerungskrise. Dennoch gibt es neben vielen Verlierer:innen auch viele Gewinner:innen. Die Sozial- und Wirtschaftspolitik zeigt sich bislang nicht imstande, die Kosten vernünftig und gerecht zu verteilen sowie die Weichen für die Zukunft zu stellen. Beides ist möglich und notwendig.
Umverteilung zulasten der Ärmsten und zugunsten der Reichsten
Die österreichische Wirtschaftspolitik hat sich bislang um die Frage gedrückt, wer ökonomisch in der Lage ist, diesen Wohlstandsverlust zu tragen. Noch viel mehr: Die Bundesregierung hat durch ungerechtfertigte und überhöhte Subventionen und Transfers sowie durch fehlende Markt- und Preiseingriffe selbst die Gewinner:innen der Krisen gestärkt und manche Verlierer:innen geschwächt.
Haushalte im unteren Einkommensbereich werden aus ideologischen Gründen nicht ausreichend unterstützt. Gleichzeitig nutzen Teile der Bundesregierung jede Gelegenheit, weitere Kürzungen von Sozialleistungen für Arbeitslose, Teilzeitbeschäftigte oder Migrant:innen zu monieren, während sie im Gegenzug Steuerbegünstigungen für Kapitalbesitzer:innen fordern.
Die geringe Bereitschaft in Preise und Preissetzungsmechanismen einzugreifen ist zum erheblichen Teil ideologisch bestimmt. Das Ergebnis von Märkten wird als grundsätzlich „richtig“, Inflation als Ergebnis zu hoher Nachfrage angenommen und Inflationsbekämpfung der Zentralbank überlassen. Dieser monetaristische Zugang zur Makroökonomie ist generell verfehlt, in einer durch Rohstoffkosten und höhere Gewinne getriebenen Inflation ist er gänzlich unpassend und bringt hohe ökonomische Kosten mit sich. In dieses monetaristische Bild passt, dass sich der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank als Zinserhöhungs-Hardliner geriert.
Die derzeitige Teuerungskrise und das in sie eingebettete Verteilungsproblem machen ein grundlegendes gesamtwirtschaftliches Steuerungsdefizit sichtbar. In der Bundesregierung fehlen makroökonomisches Wissen und ein konsistentes Modell gesamtwirtschaftlicher Politik weitgehend. Seit 2017 werden die Sozialpartner nicht mehr systematisch in die Wirtschaftspolitik eingebunden. Diese wollen das zum Teil auch gar nicht, weil die Arbeitgeberseite mit ihren Wünschen in der Regierung offene Türen einrennt und diesen Weg lieber als jenen der mühsamen Verhandlungen beschreitet, in denen sie auch selbst etwas hergeben müsste. Die Sozialpartner selbst sind immer weniger in der Lage, Verteilungskonflikte zu lösen.
Ddie Budgetpolitik der Bundesregierung muss wieder ihren verteilungspolitischen Aufgaben gerecht werden. Den von Armut und sozialer Ausgrenzung Betroffenen muss rasch und strukturell geholfen werden. Es ist unerträglich, wenn einerseits Einkommens- und Vermögensschwache in Armut gedrängt, andererseits Einkommens- und Vermögensstarke zusätzlich subventioniert werden.
Österreich steht vor enormen Herausforderungen, die mit grundlegenden Verteilungsfragen verbunden sind: Klimakrise, Strukturwandel, z. B. in Kfz-Industrie und im Tourismus, wachsende Ungleichheit. Österreich benötigt eine Wirtschaftspolitik, die auf Fakten basiert, den Strukturwandel vorantreibt und soziale Gerechtigkeit verlässlich zum Ziel hat.
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