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Stephan Schulmeister im Interview

Die Regierung achtet beim “Koste es, was es wolle” zu wenig darauf, ob mit diesen Geldausgaben auch gleichzeitig die reale Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen gestärkt wird. Wenn zum Beispiel ein Hotelier aufgrund seiner großen Umsatzeinbrüche Entschädigungen bekommt, ist das verständlich und beruhigt ihn, aber es führt nicht zu mehr Nachfrage. Er wird trotz der Wirtschaftshilfen nicht anfangen, genau jetzt ein größeres Investitionsprojekt in Angriff zu nehmen.
Denn die Milliarden, die die Regierung für die Wirtschaft bereitstellt, haben einen Fehler: Sie kurbeln die Nachfrage nicht an. Ein Hotelier bekommt zwar die Verluste ausgeglichen, investiert das Geld derzeit aber nicht. Ein Arbeitsloser würde dagegen jede Erhöhung des Arbeitslosengeldes sofort in besseres Essen oder eine neue Hose stecken. Schulmeister rät daher, das Arbeitslosengeld so schnell wie möglich zu erhöhen.

Die Wahrheit ist, dass sich die konservativ bis neoliberale Politik mit ihrem Slogan “Mehr Privat, weniger Staat” über die letzten 30 bis 35 Jahre hindurch selbst entmündigt hat. Um aber aus dieser massiven Wirtschaftskrise wieder heraus zu kommen, bedarf es einer starken, anderen Politik. Denn eine unsoziale Politik schadet der Wirtschaft ebenso wie den Menschen. Das gilt es rasch zu erkennen.

Dass wir zu einem starken Wirtschaftsaufschwung kommen müssen, ist ja jetzt schon evident. Nur wer soll in dieser Situation massive Investitionen tätigen und Konsumausgaben ausweiten? Die, die es könnten, werden es nicht tun, weil unklar ist, wie sich die Weltwirtschaft entwickeln wird. Und die ärmeren Haushalte können es nicht tun, weil sie die Kaufkraft nicht haben. Drum muss die Kaufkraft der sozial Schwächeren gestärkt werden und es braucht öffentliche Investitionen, die unmittelbar soziale und ökologische Probleme lösen. Ein solches Programm ist derzeit nicht vorhanden. Wenn dann eine Wirtschaftskrise mit einer solchen Dimension auch noch lange anhält, nährt sie sich selbst. Die Menschen haben immer mehr Ängste und geben immer weniger aus, das verhindert dann erneut den Wirtschaftsaufschwung.

Wir müssen wieder zurückfinden zu einem europäischen Gesellschaftsmodell dessen Stärke in der Balance – zwischen Markt und Staat, Unternehmerschaft und Gewerkschaft – liegt. Es war die neoliberale Ideologie, die diese Balance verteufelt hat – das ist so total gescheitert, hat aber die Rechtspopulisten stark gemacht. Weil viele der Verbitterten, der Enttäuschten, der Zurückgelassenen sich den Rechtspopulisten zugewendet haben.

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Posted by Wilfried Allé Friday, February 5, 2021 4:48:00 PM
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