Der Putsch gegen das Parlament – März 1933
Am 04. März 2013 jährte sich die antidemokratische Ausschaltung des österreichischen Parlaments zum 80. Mal. Diese Ausschaltung wurde lange fälschlicherweise als „Selbstausschaltung“ bezeichnet. Sie bot Dollfuss jene willkommene Handhabe, dieses Zentrum der Demokratie lahmzulegen. Doch im Grunde handelte es sich über eine Lücke in der Geschäftsordnung, die leicht korrigierbar gewesen wäre.
Dass Renner als Nationalratspräsident demissionierte, was die Demission aller anderen Nationalratspräsidenten mit sich trug, ging auf eine Aussprache Bauer-Seitz zurück und entsprang dem Bestreben der Partei, die Stimme Renners in der Abstimmung über die Behandlung der Teilnehmer des Eisenbahnerstreiks vom 01. März 1933 zu sichern.
Ellenbogen stufte die Situation realistisch ein, in dem er verlautbaren ließ, dass die Lage so angespannt sei, dass die Sozialdemokratie das Parlament nicht verenden lassen darf. Auch andere Sozialdemokraten, darunter Deutsch, warnten davor, dass die Gegner diese Situation zur Überrumpelung ausnützen werden.
Tatsächlich ging Dollfuss daran, aus diesem Zwischenfall, statt ihn demokratisch zu bereinigen, weitreichende antidemokratische Konsequenzen zu ziehen. Am 07. März trat die Regierung Dollfuss zurück und ließ sich vom Bundespräsidenten auf scheinrechtlicher Grundlage des „Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes“, das in der Verfassungsreform 1929 trotz Drängens der Sozialdemokratie nicht eliminiert werden konnte, neu ernennen. Am 15. März verhinderte Dollfuss das Zusammentreten des von Dr. Staffner einberufenen Parlaments unter Gewalt.
Diese beiden Akten vollzogen die Wendung zum autoritären Staat.
Die Konsequenzen waren klar: Sukzessive wurden die demokratischen Grundrechte zerstört. Maßnahmen wie die Einführung der Pressezensur, Verbot der Maifeier und anderer Veranstaltungen, Auflösung des Republikanischen Schutzbundes und der Kommunistischen Partei, Einschränkung des Streikrechtes, Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofes und die Einführung der Todesstrafe stehen beispielhaft für eine Entwicklung Österreichs, die letztlich im Februar 1934 kulminierte.
Die Ausschaltung des Parlaments war für die österreichische Sozialdemokratie mit ihrer nichtrevolutionären, legalistischen, auf die Demokratie vertrauenden Haltung eine offene Kriegserklärung.
Die Sozialdemokratie braucht den Boden der parlamentarischen Demokratie, um ihre Vorstellungen und Ziele umzusetzen.
Nun sind 80 Jahre ins Land gezogen und es gibt auf der anderen Seite tatsächlich Bewegung. In einem Artikel vom 01.03.2013 spricht Andreas Khol, ÖVP, von einem Putsch gegen das Parlament.[1]
Auch in der ÖVP wird nicht mehr von einer Selbstausschaltung geredet. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben nicht 80 Jahre gebraucht, um sich dieser Tatsache bewusst zu werden.
Für die SPÖ Simmering und ihrer Themensektion Geschichte:
Mag. Michl-Atzmüller Claus
[1] Vgl. Pink, Oliver, Andreas Khol:„Es war ein Putsch“, Die Presse, Print Ausgabe, 01.03.2013.