von Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser
Kurzbeschreibung des Verlags
»Soziale Konflikte sind nie einfach nur da, sie werden auch gesellschaftlich hergestellt: entfacht, angeheizt, getriggert.«
Von einer »Spaltung der Gesellschaft« ist immer häufiger die Rede. Auch in der Alltagswahrnehmung vieler Menschen stehen sich zunehmend unversöhnliche Lager gegenüber. So plausibel sie klingen mögen, werfen entsprechende Diagnosen doch Fragen auf: Wie weit liegen die Meinungen in der Bevölkerung wirklich auseinander? Und ist die Gesellschaft heute wirklich zerstrittener als zur Zeit der Studentenproteste oder in den frühen Neunzigern?
Nicht zuletzt weil man eine Spaltung auch herbeireden kann, tut mehr Klarheit not. Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser kartieren aufwendig die Einstellungen in vier Arenen der Ungleichheit: Armut und Reichtum; Migration; Diversität und Gender; Klimaschutz. Bei vielen großen Fragen, so der überraschende Befund, herrscht einigermaßen Konsens. Werden jedoch bestimmte Triggerpunkte berührt, verschärft sich schlagartig die Debatte: Gleichstellung ja, aber bitte keine »Gendersprache«! Umweltschutz ja, aber wer trägt die Kosten? Eine 360-Grad-Vermessung der Konflikte um alte und neue Ungleichheiten, die eine unverzichtbare Diskussionsgrundlage bietet und viele Mythen entzaubert.
FALTER-Rezension
Vom Dromedar zum Kamel
Sieglide Rosenberger in FALTER 45/2023 vom 10.11.2023 (S. 23)
Angefeuert von Diskursimporten aus den USA haben viele Menschen auch hier das Gefühl, dass die Positionierung zu zentralen Problemen sozial gespalten, ja weltanschaulich polarisiert sei. Das Buch "Triggerpunkte" von Steffen Mau u.a. stellt das Masternarrativ der polarisierten Gesellschaft infrage. Konzeptionell clustern die Autoren besonders akute Konfliktfelder in vier Ungleichheitsarenen: sozio-ökonomisches Oben-Unten, territoriales Innen-Außen, identitätspolitisches Wir-Sie und umweltpolitisches Heute-Morgen. Die Längsschnittdiagnose kommt über diese Differenzierungen zum Resümee, dass die Entwicklung von integrierten einhöckrigen Dromedar-Gesellschaften (normalverteilte Meinungen in der Mitte) in gespaltene zweihöckrige Kamelgesellschaften (Lager) für Deuschland nicht zutreffe, zumindest nicht so uneingeschränkt wie Wahrnehmung und wissenschaftliche Debatten es suggerieren würden. Vielmehr gäbe es stabile Meinungen auf die Frage "Wem steht was zu?". Und, besonders wichtig, die unterschiedlichen Meinungen werden noch lose, situativ geäußert, sind also noch nicht in politischen Organisationen verfestigt.
In der Identifizierung von Triggerpunkten liegt die Stärke des Buches. Als solche gelten Ereignisse, bei denen gesellschaftlicher Konsens in Dissens umschlägt. Um diese Dynamiken zu erkennen, gibt das Buch ein nützliches analytisches Instrumentarium an die Hand. Die empirische Diagnose vermag angesichts der aktuellen Konflikte und Kriege etwas zu beruhigen. Auch in Österreich.
Gleichzeitig lässt das Buch erahnen, dass der Übergang vom Dromedar zum Kamel im Gange ist: Denn die am rechten Rand verorteten Parteien mit ihren lautstarken Meinungen zu Kriegen, zu Klimawandel, Gendern, Corona-Maßnahmen etc. rücken zunehmend in die Mitte vor. Diese Parteien verbinden Schwarz-Weiß-Meinungen, verknüpfen Freund-Feind-Positionen und geben einem polarisierten Grundkonsens eine mächtige politische Organisationsform.