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Leitartikel von Andreas Lampl, trend.at

Aus Angst vor der Kickl-FPÖ wirft die ÖVP öko­no­mi­sche Ver­nunft über Bord. Die Über­nahme von Leader­ship wäre nach­hal­tiger für sie.

Innerhalb der ÖVP ver­kör­pert Magnus Brun­ner eine er­freu­li­che Be­son­nen­heit. Um­so mehr zeugt das unter sei­ner Ägi­de vor­ge­leg­te Staats­bud­get von der Rat­losig­keit, die in der Re­gie­rung augen­schein­lich um sich ge­grif­fen hat: wie auf den Um­frage-Hype der FPÖ rea­gie­ren?

Das Budget spricht da jedenfalls nicht für Sou­veräni­tät. Der Finanz­mi­nis­ter musste sich offen­bar dem Dik­tat des "Koste es, was es wolle!" sei­ner Par­tei beu­gen. Brun­ner kün­digt wohl eine Rück­kehr zum Nor­mal­zu­stand an. Aber wenn die Er­hö­hung der Neu­ver­schul­dung auf 20,9 Mil­liar­den Euro für 2024 die neue Nor­ma­li­tät aus­drückt, lässt das nichts Gu­tes hof­fen. Das ein­zig Sta­bi­le das Staats­defi­zit: bis 2027 im­mer um die 2,7 Pro­zent des BIP.

"Belohnung von Leistung" steht zwar in den Über­schrif­ten zum Bud­get. Kon­kre­te Maß­nah­men da­zu wer­den nicht auf­ge­lis­tet, etwa So­zial­staats­re­for­men, um Ar­bei­ten attrak­ti­ver zu machen.

Reformverweigerung herrscht auch bei Pen­si­onen und Sub­ven­tio­nen. Zum Ren­ten­sys­tem fal­len der Re­gie­rung ledig­lich An­rei­ze für Men­schen ein, die frei­wil­lig län­ger ar­bei­ten wol­len. Ge­nau die sind aber nicht ver­ant­wort­lich da­für, dass der tat­säch­li­che Pen­sions­an­tritt noch im­mer deut­lich unter dem ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen liegt. Eine Er­hö­hung des An­tritts­al­ters wird aus Angst vor Wider­stand nicht ein­mal igno­riert, ob­wohl schon 2027 ein Vier­tel der Bundes­aus­ga­ben, 35 Mil­liar­den Euro, in Ren­ten fließen werden.

Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker bringt auf den Punkt, was das ak­tu­el­le po­li­ti­sche Mind­set so be­droh­lich macht: "Ein Bud­get kann kein Sorg­los­pa­ket für alle sein." An al­len Ecken und En­den Geld aus­zu­ge­ben ist eine kurz­sich­ti­ge Stra­te­gie ge­gen schlech­te Um­frage­werte. Und für Poli­ti­ker eben­so wenig nach­hal­tig wie für die Staats­fi­nan­zen. Denn der Ge­wöh­nungs­ef­fekt führt, wie sich in Öster­reich nicht erst seit der Pan­de­mie zeigt, nur zu ei­ner stän­dig stei­gen­den An­spruchs­hal­tung. Mit ban­gem Blick auf den Vor­wahl­kampf mahnt der Chef des Fis­kal­rats, Chris­toph Badelt, da­mit auf­zu­hören, "Geld zu ver­schwenden".

In eine völlig andere Richtung geht die Budget­kri­tik von FPÖ-Ob­mann Her­bert Kickl. Er pran­gert die Aus­ga­ben für die Pan­de­mie­be­kämp­fung, für den Klima­schutz und die Kos­ten der Russ­land-Sank­tion­en an. Man sollte mei­nen, dass eine Volks­par­tei wie die ÖVP re­la­tiv leich­tes Spiel hät­te, eines Klima­wan­del­leug­ners, der sich einem für Eu­ropa brand­ge­fähr­li­chen Dik­ta­tor an den Hals wirft, Herr zu wer­den, ohne mil­liar­den­teure Be­ruhi­gungs­pil­len zu ver­teilen.

Lassen sich Extrempopulisten à la FPÖ, denen es gar nicht um einen funk­tio­nie­ren­den Staat geht, weil sie sich aufs Schü­ren von Un­zu­frie­den­heit be­schrän­ken, nicht mehr in die Schran­ken wei­sen, in­dem man eine glaub­wür­di­gere Poli­tik da­ge­gen­setzt? Die tür­kis­schwar­zen Schalt­zen­tra­len machen im­mer mehr den Ein­druck, dass sich diese Ein­schät­zung durch­ge­setzt hat - und feh­lende Füh­rungs­quali­tät er­setzt.

Allerdings führte Selbstaufgabe noch selten zu lang­fris­ti­gen Er­fol­gen. Wie eine Ge­ne­sung als Par­tei der bür­ger­liche Mit­te und der wirt­schaft­li­chen Ver­nunft ge­lin­gen soll, wenn man An­lei­hen bei einer Be­we­gung nimmt, die für das Ge­gen­teil von bür­ger­li­cher und öko­no­mi­scher Ver­ant­wor­tung steht, bleibt un­be­ant­wor­tet. Auf der an­de­ren Seite macht übri­gens auch Andreas Babler ge­rade die Er­fah­rung, dass linker Popu­li­smus eben­falls nicht zwangs­läu­fig die durch­schla­gende Ant­wort auf Kickl ist.

Ein zugegeben banales Beispiel ist die Ver­ba­nnung des Rau­chens aus der Gas­tro­no­mie. Auch da­ge­gen lief die FPÖ vehe­ment Sturm, mobi­li­sier­te Ge­gen­wehr und pro­phe­zeite ein Wirts­haus­ster­ben nie ge­kannten Aus­maßes. Ganz rasch war das kein Thema mehr und als Bei­trag zur Volks­ge­sund­heit mehr oder weni­ger zu 100 Pro­zent ak­zep­tiert.

Für die Gesundung der Staatsfinanzen zu sorgen, ist un­gleich schwie­ri­ger. Kann aber - mit Rück­schlä­gen auf dem Weg dort­hin - eben­so ge­lin­gen, wenn das Thema be­harr­lich und glau­bwür­dig be­setzt wird. Selbst in Polen ver­half die Er­hö­hung von Kin­der­geld und Pen­sio­nen weni­ge Tage vor der Wahl der natio­nal-auto­ri­tä­ren PiS dank eines über­zeu­gen­den Kon­tra­hen­ten Donald Tusk nicht zum Wahl­sieg. Prob­leme ver­schwin­den nicht, wenn sie vor­über­ge­hend mit viel Steuer­geld zu­ge­deckt wer­den. Ab­hilfe kann nur Leader­ship schaf­fen, an der es der öster­rei­chi­schen Poli­tik noch nie so sehr man­gel­te wie gerade jetzt.

Den Optimismus, den Magnus Brunner in seiner Budget­rede so be­schwo­ren hat, sollte er da­rauf aus­richten, dass die Mehr­heit der Men­schen ver­ste­hen kann, dass weder ein gön­ner­haf­ter Nanny-Staat, der vor­gibt, ihnen jede Selbst­ver­ant­wor­tung er­spa­ren zu kön­nen, die Lö­sung ist - noch ein auto­kra­ti­sches Sys­tem, das ihnen Geld ver­spricht, um die ei­gene Macht zu ze­men­tie­ren. Ein Sys­tem, das Kickl gerne von Ungarn ko­pie­ren würde.

Posted by Wilfried Allé Friday, October 27, 2023 3:21:00 PM
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