Aus Angst vor der Kickl-FPÖ wirft die ÖVP ökonomische Vernunft über Bord. Die Übernahme von Leadership wäre nachhaltiger für sie.
Innerhalb der ÖVP verkörpert Magnus Brunner eine erfreuliche Besonnenheit. Umso mehr zeugt das unter seiner Ägide vorgelegte Staatsbudget von der Ratlosigkeit, die in der Regierung augenscheinlich um sich gegriffen hat: wie auf den Umfrage-Hype der FPÖ reagieren?
Das Budget spricht da jedenfalls nicht für Souveränität. Der Finanzminister musste sich offenbar dem Diktat des "Koste es, was es wolle!" seiner Partei beugen. Brunner kündigt wohl eine Rückkehr zum Normalzustand an. Aber wenn die Erhöhung der Neuverschuldung auf 20,9 Milliarden Euro für 2024 die neue Normalität ausdrückt, lässt das nichts Gutes hoffen. Das einzig Stabile das Staatsdefizit: bis 2027 immer um die 2,7 Prozent des BIP.
"Belohnung von Leistung" steht zwar in den Überschriften zum Budget. Konkrete Maßnahmen dazu werden nicht aufgelistet, etwa Sozialstaatsreformen, um Arbeiten attraktiver zu machen.
Reformverweigerung herrscht auch bei Pensionen und Subventionen. Zum Rentensystem fallen der Regierung lediglich Anreize für Menschen ein, die freiwillig länger arbeiten wollen. Genau die sind aber nicht verantwortlich dafür, dass der tatsächliche Pensionsantritt noch immer deutlich unter dem gesetzlich vorgesehenen liegt. Eine Erhöhung des Antrittsalters wird aus Angst vor Widerstand nicht einmal ignoriert, obwohl schon 2027 ein Viertel der Bundesausgaben, 35 Milliarden Euro, in Renten fließen werden.
Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker bringt auf den Punkt, was das aktuelle politische Mindset so bedrohlich macht: "Ein Budget kann kein Sorglospaket für alle sein." An allen Ecken und Enden Geld auszugeben ist eine kurzsichtige Strategie gegen schlechte Umfragewerte. Und für Politiker ebenso wenig nachhaltig wie für die Staatsfinanzen. Denn der Gewöhnungseffekt führt, wie sich in Österreich nicht erst seit der Pandemie zeigt, nur zu einer ständig steigenden Anspruchshaltung. Mit bangem Blick auf den Vorwahlkampf mahnt der Chef des Fiskalrats, Christoph Badelt, damit aufzuhören, "Geld zu verschwenden".
In eine völlig andere Richtung geht die Budgetkritik von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Er prangert die Ausgaben für die Pandemiebekämpfung, für den Klimaschutz und die Kosten der Russland-Sanktionen an. Man sollte meinen, dass eine Volkspartei wie die ÖVP relativ leichtes Spiel hätte, eines Klimawandelleugners, der sich einem für Europa brandgefährlichen Diktator an den Hals wirft, Herr zu werden, ohne milliardenteure Beruhigungspillen zu verteilen.
Lassen sich Extrempopulisten à la FPÖ, denen es gar nicht um einen funktionierenden Staat geht, weil sie sich aufs Schüren von Unzufriedenheit beschränken, nicht mehr in die Schranken weisen, indem man eine glaubwürdigere Politik dagegensetzt? Die türkisschwarzen Schaltzentralen machen immer mehr den Eindruck, dass sich diese Einschätzung durchgesetzt hat - und fehlende Führungsqualität ersetzt.
Allerdings führte Selbstaufgabe noch selten zu langfristigen Erfolgen. Wie eine Genesung als Partei der bürgerliche Mitte und der wirtschaftlichen Vernunft gelingen soll, wenn man Anleihen bei einer Bewegung nimmt, die für das Gegenteil von bürgerlicher und ökonomischer Verantwortung steht, bleibt unbeantwortet. Auf der anderen Seite macht übrigens auch Andreas Babler gerade die Erfahrung, dass linker Populismus ebenfalls nicht zwangsläufig die durchschlagende Antwort auf Kickl ist.
Ein zugegeben banales Beispiel ist die Verbannung des Rauchens aus der Gastronomie. Auch dagegen lief die FPÖ vehement Sturm, mobilisierte Gegenwehr und prophezeite ein Wirtshaussterben nie gekannten Ausmaßes. Ganz rasch war das kein Thema mehr und als Beitrag zur Volksgesundheit mehr oder weniger zu 100 Prozent akzeptiert.
Für die Gesundung der Staatsfinanzen zu sorgen, ist ungleich schwieriger. Kann aber - mit Rückschlägen auf dem Weg dorthin - ebenso gelingen, wenn das Thema beharrlich und glaubwürdig besetzt wird. Selbst in Polen verhalf die Erhöhung von Kindergeld und Pensionen wenige Tage vor der Wahl der national-autoritären PiS dank eines überzeugenden Kontrahenten Donald Tusk nicht zum Wahlsieg. Probleme verschwinden nicht, wenn sie vorübergehend mit viel Steuergeld zugedeckt werden. Abhilfe kann nur Leadership schaffen, an der es der österreichischen Politik noch nie so sehr mangelte wie gerade jetzt.
Den Optimismus, den Magnus Brunner in seiner Budgetrede so beschworen hat, sollte er darauf ausrichten, dass die Mehrheit der Menschen verstehen kann, dass weder ein gönnerhafter Nanny-Staat, der vorgibt, ihnen jede Selbstverantwortung ersparen zu können, die Lösung ist - noch ein autokratisches System, das ihnen Geld verspricht, um die eigene Macht zu zementieren. Ein System, das Kickl gerne von Ungarn kopieren würde.