von Natascha Strobl
Verlag: |
Suhrkamp |
ISBN: |
9783518127827 |
Umfang: |
192 Seiten |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Erscheinungsdatum: |
12.09.2021 |
Format |
Taschenbuch |
Preis: |
€ 16,50 |
Reihe: |
edition suhrkamp |
Kurzbeschreibung des Verlags
Von der Krise der Sozialdemokratie ist allerorten die Rede. Doch auch viele traditionsreiche Mitte-rechts-Parteien befinden sich im Niedergang oder zumindest in einer Zwickmühle: Sollen sie sich für progressive urbane Milieus öffnen? Oder lieber ihr konservatives Profil schärfen? Während Angela Merkel für das eine Modell steht, repräsentieren Politiker wie Donald Trump oder Sebastian Kurz das andere. Sie sind Vertreter eines radikalisierten Konservatismus. Natascha Strobl analysiert ihre rhetorischen und politischen Strategien. Sie zeigt, wie sie Ressentiments bedienen, um ihre Anhängerschaft zu mobilisieren, oder eigene Narrative erschaffen, um »Message Control« auszuüben und Kritik als Fake News abzutun. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung suchen sie die Konfrontation. In ihren eigenen Parteien reduzieren sie die Demokratie, setzen auf kleine Beraterzirkel und Personalisierung. Dabei greifen sie, so Strobl, immer wieder auch auf die Methoden rechtsradikaler Bewegungen und Organisationen zurück.
FALTER-Rezension
Der neue alte paranoide Stil
Natascha Strobl seziert den radikalisierten Konservativismus, der vom Rechtsextremismus nur schwer zu unterscheiden ist
Rechter Konservativismus und Rechtsextremismus sind vielerorts ununterscheidbar geworden. Das betrifft natürlich nicht alle Konservativen, aber in vielen konservativen Parteien machen sich extrem rechte Flügel breit. In manchen Ländern werden die traditionellen konservativen Parteien von den Radikalen regelrecht gekapert und übernommen, man denke nur an die amerikanischen Republikaner oder die Österreichische Volkspartei unter ihrem Chef Sebastian Kurz seit 2017.
Anderswo wiederum entstehen Parteien des "radikalisierten Konservatismus", oft als "Populisten" apostrophiert, die den klassischen Konservativismus ersetzen und verdrängen. Diese Welt "radikalisierten Konservatismus" unterzieht die Wiener Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl in ihrem schmalen Suhrkamp-Bändchen einer kompakten und weitgehend einleuchtenden Analyse.
"Die staatstragenden Parteien einer gedachten Mitte hatten immer das Ziel, die Gesellschaft mit der in ihr gültigen Ordnung zu bewahren. Es war eine im Wortsinn konservative Haltung. Darum geht es im radikalisierten Konservatismus nicht mehr. Vielmehr werden Löcher in die aktuelle Gesellschaft gerissen oder bestehende Differenzen vergrößert. Polarisierung ist für den radikalisierten Konservatismus der (...) Normalzustand."
Ein wenig ist das eine Reaktion auf ein Problem, das der Konservativismus immer schon, aber in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend hatte: Er findet nichts mehr Bewahrenswertes. Irgendwie ist das logisch, da er immer schon eine Reaktion auf die Moderne war. Nach 150 Jahren Moderne ist das Eden des Konservativismus endgültig perdu. Er ist nicht nur wütend auf das, was ist, sondern auch auf das, was gestern schon war.
So fordern diese neuen Konservativen nicht die Verteidigung des Bestehenden, sondern beklagen einen allgemeinen Verfall, sie geben sich volkstümlich und kämpfen gegen die "liberalen Eliten", die seit dem gegenkulturellen Aufbruch der 1960er-Jahre entstanden sind.
Aber nicht jeder, der die ökonomischen Rezepte des Neoliberalismus verkündet, ist deswegen schon dafür, dass man den jungen Leuten mehr Manieren eintrichtern muss. Nicht jeder, der dafür plädiert, den Sozialstaat abzuräumen, um Härte ins Leben der verweichlichten Wohlfahrtsstaat-Bewohner und -Bewohnerinnen zu bringen, meint auch, dass "wir" die Moslems "hinter das Mittelmeer" zurückwerfen müssen. Aber erstaunlich viele verschreiben sich diesem gesamten "Paket".
Für Nerds und Politikprofis fallen Strobls minutiöse Rückschauen auf die verschiedenen Polit-Aktionen von Sebastian Kurz und Donald Trump etwas zu breit aus -jedenfalls dann, wenn man das schon alles kennt.
Wer wenig Zeitung liest, erhält dafür eine gute Zusammenfassung. Etwas kurz geraten die Hinweise auf die historische Herkunft dieses Konservativismus, etwa der Stahlhelm-Rechten der "konservativen Revolution" und (proto-)faschistischer Bewegungen von vor 100 Jahren.
Gänzlich ignoriert und womöglich unterschätzt wird der Beitrag des amerikanischen "Neo-Konservativismus", der seit den 1960er-Jahren den US-Konservativismus radikalisierte. Das, was Richard Hofstetter schon vor Jahrzehnten den "paranoiden Stil" nannte.
Natascha Strobl dekliniert den Politikstil dieses Konservativismus auf ihre Art durch. Die Polarisierung und Erregungsbewirtschaftung, die er braucht. Die Aufganselei ganzer Gesellschaften. Dieses Sprechen im Namen einer vermeintlich schweigenden Mehrheit, der "regular guys", der "normalen Leute". Der Führerkult und die Inszenierung des Anführers als Star. Die Einteilung in Fleißige und Faule, die ökonomische Benachteiligung gerne als Charakterschwäche interpretiert. Die Rhetorik der Härte.
Ihr Fazit: "Im radikalisierten Konservatismus verschmelzen die Feindbilder der traditionellen extremen Rechten mit jenen des Neoliberalismus."
Robert Misik in Falter 39/2021 vom 01.10.2021 (S. 15)