von Rupert Ebner , Eva Rosenkranz
ISBN |
9783962382063 |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Umfang: |
256 Seiten |
Format: |
Taschenbuch |
Erscheinungsdatum: |
16.03.2021 |
Verlag: |
oekom verlag |
Preis: |
€ 20,60 |
Kurzbeschreibung des Verlags:
»Dieses Buch ist eine eindrückliche Warnung, dass es so nicht weitergehen kann – weder für die Tiere noch für uns.« Tanja Busse
Es ist, als liefen wir sehenden Auges in die Katastrophe: Um unseren Fleischhunger zu stillen, müssen möglichst viele Tiere auf möglichst wenig Raum möglichst rasch »Schlachtgewicht« erreichen – und das geht nur mit hohem Antibiotikaeinsatz. Dies ist nicht nur den Tieren, den Landwirten und der Umwelt gegenüber unverantwortlich; es beschleunigt auch die Entwicklung resistenter Keime und gefährdet damit die gesamte Humanmedizin: Ohne die bisherige Wunderwaffe in Tropf und Tablette werden Operationen riskant und selbst kleine Infektionen potenziell gefährlich.
Wie verwundbar wir und unser Gesundheitssystem sind, hat uns die Corona-Pandemie eindrücklich vor Augen geführt. Damit bakterielle Infektionen nicht zur nächsten globalen Gesundheitskrise werden, müssen wir umsteuern. Rupert Ebner und Eva Rosenkranz zeigen, was jetzt geschehen muss – für mehr Tierwohl, gesunde Menschen und eine intakte Umwelt.
FALTER-Rezension
"Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit ist da...
... und sie heißt nicht Corona." Bagatellen wie eine Zahnentzündung oder eine Blaseninfektion könnten künftig wieder tödlich enden, Operationen oder Krebstherapien kaum noch durchgeührt werden. Der Grund: Durch den inflationären Einsatz von Antibiotika, den Wunderwaffen der Medizin, entwickeln sich immer mehr resistente Keime. Die Wirkstoffe helfen nicht mehr. "Schon heute sterben in Deutschland pro Jahr mindestens 15.000 Menschen infolge solcher nicht beherrschbarer Infektionen", schreiben der Tierarzt Rupert Ebner und die Autorin Eva Rosenkranz in ihrem aufrüttelnden Buch "Pillen vor die Säue".
Zum einen würden Ärzte Antibiotika zu oft verschreiben und Patienten die Einnahmeregeln nicht befolgen. Vor allem aber treibe die Intensivtierhaltung Resistenzen voran. Antibiotika seien dort systemimmanent: Ohne sie würde in der auf extreme Effizienz getrimmten Haltung ein großer Teil der Tiere das Schlachtgewicht nie erreichen.
Ebner kennt die Schweine-und Hühnerställe von innen, er arbeitet seit Jahrzehnten in einer Praxis für sogenannte Nutztiere. "Nicht ein krankes Tier wird behandelt", erklären die Autoren, "sondern alle, weil ein einziges krankes Tier in großen Beständen die anderen anstecken könnte." Masthähnchen zum Beispiel erhielten im Schnitt während eines Fünftels ihres kurzen Lebens Antibiotika, im Schnitt drei verschiedene Wirkstoffe. Die Autoren plädieren für eine von Grund auf andere Tierhaltung, weniger Fleisch laute das Gebot der Stunde.
Die im Stall gezüchteten resistenten Keime springen nämlich leicht auf den Menschen über: direkt über das Fleisch, über Gülle, die Abluft von Ställen oder wenn ein Landwirt als Träger solcher Keime ins Spital kommt und sie dort verbreitet. Die Autoren erzählen die Geschichte des deutschen Fußball-Nationalspielers Matthias Sammer, der sich nach einer Knieoperation mit multiresistenten Keimen infizierte und beinah gestorben wäre. Erst nach drei Wochen wirkte endlich das allerletzte Mittel.
Reserveantibiotika nennen sich diese allerletzten Mittel, die zum Einsatz kommen, wenn sonst nichts mehr anschlägt. Bei Tuberkulose zum Beispiel, denn mehr als die Hälfte dieser Erkrankungen verursachen heute multiresistente Bakterien. Doch auch die Wirkung der Reserveantibiotika sinkt, weil selbst sie den Tieren in großem Stil verabreicht werden. So wird der globale Medizinschrank immer leerer.
Laut Tanja Busse, die das Vorwort für das Buch verfasst hat, haben Wissenschaftler auch vor der Klimakrise und vor Pandemien seit Jahren vergeblich gewarnt: "Wie wäre es, wenn wir beim Thema Antibiotikamissbrauch zur Abwechslung nicht warten, bis die Katastrophen über uns hereinbrechen?"
Noch sieht es nicht danach aus. Im September haben die EU-Parlamentarier dagegen gestimmt, dass Reserveantibiotika nur noch für Menschen und einzelne Tiere eingesetzt werden dürfen. Weiterhin werden also ganze Gruppen von Tieren mit Mitteln behandelt, die für viele Menschen die letzte Rettung bedeuten - aber bald wirkungslos werden könnten.
Gerlinde Pölsler in Falter 41/2021 vom 15.10.2021 (S. 51)