von Ulrich Brand, Markus Wissen
ISBN: |
9783987260650 |
Verlag: |
oekom verlag |
Umfang: |
320 Seiten |
Format: |
Taschenbuch |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Erscheinungsdatum: |
26.03.2024 |
Preis: |
€ 24,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags
Wir befinden uns in einer seltsamen Zwischenzeit: Die meisten von uns haben sich eingestanden, dass es so nicht weitergehen kann, aber echte Lösungen scheinen in weiter Ferne. Es ist eine Zeit, in der »das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann« (Gramsci), geprägt von Kämpfen zwischen den Aktivistinnen des Wandels und den Verteidigern des Status quo.
Ulrich Brand und Markus Wissen unterziehen diese Gegenwart einer kritischen Diagnose. Sie zeichnen nach, wie die Herrschaft der imperialen Lebensweise bröckelt, angegriffen von unübersehbaren Umweltkrisen, aber auch von denjenigen, die die Ausbeutung von Mensch und Natur nicht länger mittragen wollen. Diese Kämpfe entscheiden die Zukunft der Menschheit, und der Ausgang ist alles andere als gewiss. Wird der Status quo verteidigt und nehmen damit autoritäre Tendenzen zu? Werden wir einen »grünen Kapitalismus« entwickeln, und welche Folgen hätte dieser für den Rest der Welt? Oder finden wir in eine gerechtere, bessere Art des Lebens? Ein hellsichtiger Blick auf die großen Konflikte der Gegenwart.
FALTER-Rezension
Rudolf Walther in FALTER 10/2024 vom 08.03.2024 (S. 19)
Ulrich Brand und Markus Wissen gehen der Frage nach, ob der Spätkapitalismus ausreichend unter Druck kommt, um sich zu verändern.
Die Wörter "Klima", "Krise" und "Erderwärmung" sind zu Gemeinplätzen geworden. Was sie bedeuten und wie Krise und Klima im geläufigen Kompositum "Klimakrise" zusammenhängen, weiß fast niemand. In ihrem Buch klären die Politikwissenschaftler Ulrich Brand und Markus Wissen diese Zusammenhänge präzis, umfassend und kompetent auf. Brand lehrt und forscht an der Universität Wien, Wissen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Bekannt geworden sind die beiden Autoren durch ihren Bestseller "Imperiale Lebensweise"(2017).
Thematisch schließt das neue Buch an diesen an, vertieft und erweitert jedoch die Analyse. Das betrifft die Methoden der Krisenbearbeitung und der dafür vorgeschlagenen Mittel von der ökologischen Modernisierung über die "Dekarbonisierung" bis zur wohlfeilen Parole vom "grünen Kapitalismus".
Denn wenn es nicht gelingt, die Wachstumsund Profitlogik, auf denen die kapitalistische Produktion beruht, auszubremsen bzw. zu überwinden, sind alle Rezepte gegen die Klimakrise vergeblich. Der Titel des Buches ist wörtlich zu verstehen. Das Kapital ist genuin angelegt auf grenzenlose Expansion. Die Welt jedoch ist definitiv begrenzt.
Der Kapitalismus lebte immer auch davon, dass er die Kosten seiner Entfaltung zu externalisieren vermochte. Der Raum für diese Kostenverlagerung lag in Gegenden, die man früher Dritte Welt nannte und heute den "Globalen Süden".
Die Autoren belegen akribisch mit guten Argumenten, dass solche Mittel und Methoden völlig unzureichend sind, um an die wirklichen Ursachen der Klimakrise heranzukommen, und folglich in purer Symptombekämpfung versanden oder versumpfen.
Diese Räume haben sich verengt und sind zwischen Konkurrenten im Norden umstritten, was zu öko-imperialen Spannungen führt. Die Kostenvorteile der Verlagerung, die wegen Asymmetrien beim Lohn, bei Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Umweltstandards entstehen, gingen schnell verloren.
Obendrein ist z.B. der Wettlauf um Vorkommen und Abbau seltener Erden und Metalle, die für die Produktion von Batterien für E-Autos benötigt werden, oder um Orte für die Erzeugung von Strom für die hochkomplexe Produktion von Wasserstoff als Ersatz für klimaschädliches Öl und Kohle als Energieträger teurer und risikoreicher geworden als zu den Zeiten klassischer imperialer Expansion.
Mit Nachdruck verweisen die Autoren auf den Zusammenhang von zerstörerischen Natur und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen unter den kapitalistischen Bedingungen und den diesen eignenden Zwängen zu Wettbewerb, Wachstum und Expansion.
Da "Wachstum" die heilige Kuh des Kapitalismus ist, steigt der Rohstoffbedarf ungeachtet der Energiesparversuche und der ökologischen Folgen der enormen Ressourcenvernichtung im globalen Ausmaß. Die Energiewende verschärfte allein im Sektor der globalen E-Auto-Produktion die Konkurrenz der Autokonzerne um Rohstoffe.
In den beiden letzten Kapiteln des Buches analysieren die Autoren die Strategien der Krisenbekämpfung in kapitalistischen Ländern, die sich bislang auf Projekte zur ökologischen Modernisierung beschränken. Die damit verbundene Gefahr des Abgleitens liberal-demokratischer Regime in autoritäre bleibt.
Das letzte Kapitel handelt von den leider nicht sehr rosigen Aussichten einer solidarischen Perspektive zur Überwindung der Klimakrise in den Demokratien des Nordens.