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Warum wir können, was wir tun müssen

von Ann Pettifor

Übersetzung: Ursel Schäfer
Verlag: Hamburger Edition, HIS
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 192 Seiten
Erscheinungsdatum: 06.04.2020
Preis: € 22,60

Rezension aus FALTER 34/2020

Die Klimakrise als Frage der Verteilung

Lösungswege aus der Klima­krise be­schreibt die Öko­nomin und Finanz­ex­per­tin Ann Pattifor in ihrem neuen Buch

Rezension:
MICHAEL SODER

Wir leben im Zeitalter der Krise. Ob Wirt­schafts-, Corona- oder Klima­krise. Das zeigt sich mittler­weile an allen Ecken und Enden: Wenn ein gutes Leben für alle auch in Zu­kunft mög­lich sein soll, kann es ein „Weiter wie bisher“ nicht geben. Noch ist es nicht zu spät, die Heraus­for­derungen und Pro­bleme an­zu­er­ken­nen, und ins Han­deln zu kom­men. Ann Pattifors Buch über den „Green New Deal“ ist ein Hoffnung ver­sprühendes Plä­doyer zur Rettung unserer Lebens­grund­lagen.

Ann Pattifor ist Ökonomin und Hannah-Arendt-Preis­trägerin. Im Gegen­satz zu thema­tisch ähn­lich ge­la­gerten Bü­chern ist gerade nicht Pattifors Ziel, die Pro­bleme unseres zer­stö­re­rischen Wirt­schafts- und Ge­sell­schafts­sys­tems zum hun­dert­sten Mal durch­zu­kauen.

Sie widmet sich lieber den Fragen: Was braucht es, um die Klima­krise zu lösen? Wie sind not­wen­dige Maß­nahmen zu fi­nan­zieren? Wie er­hält man den so­zi­alen Zu­sammen­halt? Sie sieht ihr Buch damit auch nicht als aka­de­mische Auf­ar­bei­tung der theo­reti­schen Grund­la­gen, son­dern als ar­gu­men­ta­tive Hand­reichung für Ak­ti­vis­ten und inter­essierte Leser.

Time is running out

Für Pattifor ist der erste Schritt, um endlich ins Handeln zu kommen, das Er­ken­nen der Ver­knüp­fungen zwi­schen Öko­logie, Öko­nomie und Ge­sell­schaft. Die Klima­krise ist nicht nur eine um­welt­poli­ti­sche, sie ist eben­so eine so­zial­po­litische und wirt­schaft­liche Frage. Wirt­schafts­branchen sind unter­schied­lich ab­hän­gig von fos­silen Roh­stof­fen, es braucht lang­fris­tige Stra­te­gien, um sie kohlen­stoff­frei zu or­ga­ni­sie­ren.

Beschäftigte, ihre Familien und ganze Regi­onen brau­chen im ­Um­bau neue Per­spek­tiven und Ein­kommen. Diese müs­sen ge­schaf­fen und ­ak­tiv ge­stal­tet wer­den. Ab­seits da­von stellt sich auch die Fra­ge der Ver­tei­lung. Per­so­nen mit niedri­geren Ein­kom­men sind den Aus­wir­kungen des Klima­wandels, zum Bei­spiel über die Zu­nahme an Hitze­tagen und Tro­pen­näch­ten in Städten, in ihren oft­mals klei­nen und un­sa­nier­ten Woh­nungen stär­ker aus­ge­setzt.

Es braucht daher Maß­nahmen, die ver­teilungs­po­li­tische As­pekte mit­denken. Erst wenn wir be­grei­fen, dass Klima­schutz auch ein Schutz unserer Lebens­per­spek­tiven in all ihren Fa­cet­ten ist, wird uns die Dring­lich­keit unseres Handelns be­wusst. Pattifor weist uns wieder darauf hin: „Time is running out.“

Moonshot-Moment

Davon ausgehend geht es für Ann Pattifor vor allem darum, einen kon­kre­ten Lö­sungs­weg zu skiz­zieren. Sie nennt diesen „Green New Deal“. Eine Neu­ge­stal­tung der wirt­schaft­lichen Spiel­regeln ge­paart mit offen­siven ­In­ves­ti­tionen, zum Bei­spiel in die ther­mi­sche Sa­nie­rung, er­neuer­bare Ener­gien oder in ar­beits­markt­po­li­tische Maß­nahmen zur Quali­fi­zierung und Um­schulung.

Um die Wende zu finanzieren, muss das Finanz­system ge­ändert werden. Eben­so reicht der bis­herige Fokus auf inter­natio­nale Ab­kommen über CO2-Budgets bei weitem nicht aus. Es braucht neben glo­balen und in­di­vi­du­ellen Stra­te­gien oder der Ver­än­derung des eigenen Kon­sum­ver­hal­tens auch ko­ordi­nierte po­li­tische Stra­te­gien auf natio­naler Ebene.

Die Kapazitäten und Potenziale der öffent­lichen Hand werden dahin­gehend leider bis­her nur un­zu­rei­chend dis­ku­tiert. Pattifors Buch soll auch dazu einen An­stoß bie­ten.

In Summe ist das Buch eine eloquente Anklage gegen Aus­reden und Ver­zö­gerungs­tak­tiken und der Auf­ruf, end­lich zu tun, was getan werden kann. Detail­fra­gen blei­ben zwar noch, zu­mindest vor­erst, un­be­ant­wor­tet. Klar wird aber, dass wir zur Be­wäl­ti­gung der Klima­krise einen neuen „Moon­shot“-Mo­ment brau­chen. Der „Green New Deal“ kann ein solcher sein.

Sebastian Fasthuber in FALTER 34/2020 vom 21.08.2020 (S. 17)

Posted by Wilfried Allé Thursday, August 20, 2020 7:50:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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