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Eine eigene Steuer hätte mehr Vorteile als ein Handelssystem für Treibhausgasemissionen

von Franz Nauschnigg, 24.01.2020

Franz Nauschnigg war bis bis zu seiner Pensionierung im Mai 2019 Abteilungs­leiter für Inte­grations­angelegen­heiten und Inter­natio­nale Finanz­organi­sationen in der Oester­reichischen National­bank (OeNB). In den 1990er Jahren beriet er die Finanz­minister Andreas Stari­bacher, Viktor Klima und Rudolf Edlinger.

https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2047237-Ein-COsub2-sub-Preis-fuer-den-Klimaschutz.html?em_no_split=1

Die Einführung eines CO2-Preises hätte gleich mehrere posi­tive Effekte: Er würde klima­schädliche Güter teurer machen und da­durch deren Konsum re­du­zieren. Außer­dem würden öko­lo­gischere Alter­na­tiven kon­kurrenz­fähiger werden. Ein­nahmen könnten direkt in öko­logische Maß­nahmen - wie den Aus­bau des öffent­lichen Ver­kehrs - in­ves­tiert wer­den. Eine Zu­satz­be­lastung ein­kommens­schwacher Haus­halte könnte durch einen Öko-Bonus und die För­derung der Be­nut­zung des öffent­lichen Ver­kehrs, durch niedri­gere Ab­gaben auf den Fak­tor Ar­beit oder durch Sen­kung re­gres­si­ver Ab­gaben wie der Öko­strom­ab­gabe ab­ge­fe­dert wer­den.

Ein CO2Preis könnte durch eine CO2-Steuer oder CO2-Handels­system erreicht werden. Ich habe mich schon in der Oester­reichischen National­bank mit dem Thema be­schäf­tigt, noch be­vor in den ver­gan­genen Jahren die Dis­kussion zu "Green Finance" - was der Finanz­sek­tor zur Klimarettung betragen kann - an Aktualität gewann. Bereits 2013 argumentierte ich in einem Beitrag zum Buch "Powerlines - Energiepolitische Entwicklungslinien Euro­pas" für eine CO2-Steuer statt eines CO2-Handels­systems, ver­bunden mit Grenz­aus­gleichen.

Eine EU-weite CO2-Steuer - aber keine un­differen­zierte

Jetzt arbeite ich in der "Task Force on Carbon Pricing in Europe", die sich unter der Lei­tung des ehe­maligen Französischen Finanz­minis­ters Edmond Alphandéry für einen CO2-Preis in Eu­ro­pa ein­setzt und auch mit anderen Gruppen etwa in China zu­sammen­ar­beitet, um dieses Ziel zu er­reichen. Nach Kon­ferenzen in Paris und Berlin wird die Task Force nun auch in Wien eine öffent­liche Panel­dis­kussion ab­halten, und zwar am 27. Jänner ab 17 Uhr im Haus der Eu­ro­päischen Union. Dabei wird es um einen CO2-Preis in Europa und Grenz­aus­gleiche gehen. Die Task Force strebt einen CO2-Preis an und ist neu­tral, ob dieser durch eine CO2-Steuer oder ein CO2-Handels­system erreicht wird.

Ich persönlich sehe mehr Vor­teile in einer CO2-Steuer als in einem CO2-Handels­sys­tem, weil sie fair, ein­fach, trans­pa­rent und sta­bil wäre. Durch eine CO2-Steuer würden die Preise für fos­sile Ener­gien er­höht und da­durch deren nega­tive Ex­ter­nali­täten be­kämpft. Sie würde den In­ves­toren in Energie­sys­teme eine lang­fris­tige Planung der Kosten er­lauben. Eine CO2-Steuer sollte idealer­weise EU-weit ein­ge­führt wer­den. Sollte dies nicht mög­lich sein, könnte Öster­reich, so wie bei der Finanz­trans­aktions­steuer, mit gleich­gesinnten EU-Län­dern voran­gehen oder sogar eine Vor­reiter­rolle ein­nehmen.

Eine undifferenzierte EU- oder öster­reichische CO2-Steuer würde aller­dings nur die euro­päischen beziehungs­weise öster­reichischen Ex­porte be­lasten, die Im­porte nicht belasten und im End­effekt, wie das CO2-Handels­system der EU, zur Ver­lagerung der Pro­duk­tion ins Aus­land führen. Die Ein­führung einer Steuer auf CO2-Emis­si­onen muss daher mit einem Er­stattungs- und Ab­schöpfungs­system an der EU-Außen­grenze kom­bi­niert werden. Die Steuer sollte in der Größen­ord­nung von 30 Euro je Tonne liegen, mit einer Steige­rung um zum Bei­spiel 4 bis 6 Euro jähr­lich, um lang­fris­tige Planungs­sicher­heit zu geben. Auch die anderen Treib­haus­gase sollten, wenn mög­lich, mit ihren CO2-Äqui­va­lenten be­steuert werden.

Ökostromabgabe und Lohnnebenkosten senken

Die CO2-Steuer muss durch ein Er­stattungs­sys­tem für Ex­porte und ein Ab­schöpfungs­sys­tem für Im­porte er­gänzt werden. Ein der­artiges Sys­tem hat vor dem öster­reichischen EU-Bei­tritt für Agrar­pro­dukte gut funk­tio­niert, auch bei der Mehr­wert­steuer existieren derartige Systeme, Einfuhrumsatzsteuer beziehungsweise Erstattung der bezahlten Umsatzsteuer beim Export. Dadurch würde die internationale Wett­be­werbs­neutra­li­tät einer CO2-Steuer her­ge­stellt und eine Ver­la­gerung der Pro­duk­tion ins Aus­land ver­hin­dert. Die Regeln der Welt­handels­or­gani­sation (WTO) er­lauben es, Kon­sum­steuern auch auf Im­porte, etwa in Form einer Ein­fuhr­um­satz­steuer, ein­zu­heben, um Wett­be­werbs­neu­tralität zwi­schen hei­mi­schen Pro­du­zen­ten und Im­porten her­zu­stellen. So konnte ich in den 1980er Jahren im Kabinett von Land­wirt­schafts­mi­nis­ter Erich Schmidt meine GATT-Kennt­nisse nutzen, um die Rahmen­be­din­gungen für eine För­derung der Öl­saaten­pro­duk­tion in Öster­reich zu schaf­fen, was zu einer Ex­plo­sion der Öl­saaten­pro­duktion führte. Nach dem Muster des Finanz­sek­tors könnte die EU jenen Län­dern, die einen ver­gleich­baren CO2-Peis be­sitzen, Äqui­va­lenz ge­währen, wo­durch für Ex­porte aus diesen Län­dern keine Grenz­aus­gleiche an den EU-Außen­grenzen er­forder­lich wären.

Die Einnahmen könnten zur Senkung re­gres­siver Ab­gaben wie der Öko­strom­ab­gabe - der Zu­schlag zum Strom­preis be­las­tet vor allem ärmere Haus­halte, weil viele andere Be­reiche be­freit sind - oder der Lohn­neben­kos­ten ver­wendet werden. Letzteres durch Ab­schaffung des Wohn­bau­förderungs­bei­trages würde zu mehr Be­schäf­tigung und ge­ringerer Arbeits­losig­keit führen. Die OECD kommt zum Schluss, dass eine Sen­kung der Lohn­neben­kosten zu mehr Be­schäf­tigung ins­be­sondere bei ge­rin­ger quali­fi­zier­ten Arbeit­nehmern führt. Die Sen­kung der Lohn­neben­kosten um 10 Pro­zent könnte die Arbeits­losig­keit um 2,8 Pro­zent­punkte sen­ken. Auch der IWF plä­diert seit Jahren für Ener­gie­steuer­er­höhungen.

Klimaschutz darf nicht die Un­gleich­heit er­höhen

Der Anstieg der Energie­preise würde zu Sub­sti­tutions­effekten und einer Re­duktion der Energie­inten­sität führen, wie wir es schon nach den Öl­krisen der 1970er und 1980er Jahre er­lebten. Ein Bei­spiel dafür sind die Steuern auf Treib­stoffe, die in der EU wesent­lich höher sind als in den USA. Dies hat dazu ge­führt, dass der Fahr­zeug­bestand in der EU wesent­lich energie­effi­zien­ter ist als in den USA.

Der Klima­schutz ist so zu ge­stal­ten, dass er die Un­gleich­heit nicht er­höht, sonst droht ein Backlash wie in Frank­reich. Ein nega­tives Bei­spiel ist die Öko­strom­ab­gabe zur Fi­nan­zierung der Öko­strom­er­zeugung, die den Strom­preis, die Un­gleich­heit (ärmere Kon­su­menten werde be­lastet, Pro­du­zenten kas­sieren hohe Ren­diten) und den CO2-Aus­stoß (die Eisen­bahn büßt Wett­bewerbs­fähig­keit gegen­über dem Lkw ein) er­höht. Wir brauchen einen ge­rechten Über­gang, der die Kosten nicht wieder vor allem den ärmeren Kon­su­menten auf­bürdet.

 

 

Kommentare

saubertl 25.01.2020, 11:50 Uhr

Steuer heißt Steuern
Ich hoffe dieser Beitrag verdient das Attribut „Anregung”. - weil es mich so aufregt.
„Steuer” im Sinne von Gebühren die der Staat einhebt heißt Steuern Prof. Dr. Bruckmann* (Ehemals Prof an einigen Unis, "Wahl- Hochrechner im ORF" - Abgeordneter der ÖVP im Österreichischen Nationalrat und vieles mehr) (aus dem Buch die Mega-Trends, Überroiterverlag ISBN 3-8000-3303-8) hat vor Jahrzehnten (1988) ein Modell entworfen und niedergeschrieben) Ich versuche hier den Inhalt wiederzugeben. Steuern heißt steuern

Steuerung Tranche 1 Entnahme von Rohstoffen der Erde besteuern Je einzigartiger (unwiederbringlicher) desto höher Nicht- nachwachsende- oder sehr langsam nachwachsende Rohstoffe (im Zeitmaß von Menschenleben) (Metalle - Erdöle - Gase) am meisten. Steuern auf nachwachsende "Rohstoffe " z.B. Holz, 30 - 50 Jahre, mittel -Stroh, Gras, Gurken (ein bis zwei Mal im Jahr), wenig, die menschliche Arbeitskraft - gar nicht.

saubertl 25.01.2020, 11:49 Uhr

Steuerung Tranche 2 Die Wiederverwertung müsste belohnt werden. Nicht wiederverwertbare Waren müssten am meisten, - restlos wiederverwertbare Stoffe mit der zweiten Tranche gar nicht besteuert werden. Täglich nachwachsende (Arbeitskraft) also gar nicht. Aus dieser Logik wäre Salat ganz wenig besteuert (Gesäht - Gesetzt - Geerntet - Gegessen - Gekackt... - = Retoure innerhalb eines Jahres restlos wieder verwertet und wenn möglich nur wenige km transportiert. (Erde zu Erde - Staub zu Staub)

Steuerung Tranche 3 Entfernungen besteuern (Je weiter jemand - etwas fährt) desto teurer müsste das Werk - die Ware werden. Kartoffel aus Israel - Wein aus Kalifornien oder Platten (die so tun als wären sie Möbel) aus Schweden ... usw..

Steuerung Tranche 4 Der Handelszuschlag: Auch der Handel mit Geld und dessen Produkte müsste besteuert werden. Die Schlussfolgerungen aus diesem System kann sich jeder selbst ausmalen.

Grüße der Saubertl

Posted by Wilfried Allé Saturday, February 8, 2020 7:06:00 PM
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