von Ulrike Herrmann
ISBN: |
9783462002553 |
Verlag: |
Kiepenheuer & Witsch |
Umfang: |
352 Seiten |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Erscheinungsdatum: |
08.09.2022 |
Format: |
Hardcover |
Preis: |
€ 24,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags
Demokratie und Wohlstand, ein längeres Leben, mehr Gleichberechtigung und Bildung: Der Kapitalismus hat viel Positives bewirkt. Zugleich ruiniert er jedoch Klima und Umwelt, sodass die Menschheit nun existenziell gefährdet ist.
»Grünes Wachstum« soll die Rettung sein, aber Wirtschaftsexpertin und Bestsellerautorin Ulrike Herrmann hält dagegen: Verständlich und messerscharf erklärt sie in ihrem neuen Buch, warum wir stattdessen
»grünes Schrumpfen« brauchen.
FALTER-Rezension
Gerlinde Pölsler in FALTER 47/2022 vom 25.11.2022 (S. 51)
Sie regt an - und auf: Ulrike Herrmanns neues Buch "Das Ende des Kapitalismus" stürmte bei seinem Erscheinen sofort auf Platz eins der Bestsellerlisten, schon mit früheren Titeln wie "Hurra, wir dürfen zahlen" über den "Selbstbetrug der Mittelschicht" löste die Berliner taz-Redakteurin heftige Debatten aus. Auch diesmal erzürnen ihre Thesen viele Menschen: So genügte ein nicht einmal einminütiges Video auf der Facebook-Seite des deutschen Senders NDR, dass dieser seine Kommentarfunktion einschränken musste. Der Auslöser? Herrmann hatte gesagt: "Das Elektroauto ist die totale Sackgasse."
Nicht dass die Wirtschaftsredakteurin gegen erneuerbare Energie wäre. Sie ist nur überzeugt, dass diese für unseren derzeitigen Lebensstandard nicht ausreichen werde, und schon gar nicht für einen weiter wachsenden. Daher müssten wir unsere Wirtschaft kontrolliert schrumpfen, und das bedeute das Ende des Kapitalismus. Herrmann selbst lebt in einer Zweizimmerwohnung, hat kein Auto und "kann nicht mehr fliegen". Diese Woche kommt die disputierfreudige Autorin nach Wien.
Falter: Frau Herrmann, wie schlimm ist der Ausgang der Weltklimakonferenz, die nicht einmal den Ausstieg aus Öl und Gas beschlossen hat?
Ulrike Herrmann: Dieses Scheitern war zu erwarten. Es ist nicht möglich, Öl und Gas einfach mal schnell zu ersetzen. Denn dann würde die gesamte Weltwirtschaft sofort stillstehen, weil die Maschinen nicht mehr laufen, Schiffe nicht mehr fahren und Flugzeuge nicht mehr fliegen. Fridays for Future hat recht mit ihrem Slogan "System Change, Not Climate Change". Man muss sich vom Kapitalismus verabschieden, wenn der Klimaschutz gelingen soll.
Immerhin haben es die ärmeren Länder erstmals schriftlich, dass ein Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden in ihren Ländern kommen soll
Herrmann: Natürlich ist es richtig, die ärmeren Länder zu unterstützen. Was aber gern vergessen wird: Die Klimakrise verschärft sich unaufhörlich. In vielen Ländern wird man schon 2070 gar nicht mehr leben können, wenn wir weitermachen wie bisher, weil es zu heiß ist. Da helfen Ausgleichsmaßnahmen dann auch nicht mehr.
Sie haben einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt. Aber warum muss dabei gleich das gesamte Wirtschaftssystem weg?
Herrmann: Erst einmal vorweg: Ich bin keine Kapitalismuskritikerin. Ganz im Gegenteil, ich finde dieses System außerordentlich faszinierend, weil es das einzige Sozialsystem in der Menschheitsgeschichte war, das für Wachstum und Wohlstand sorgte. Und davon haben wir auch alle profitiert. Vor 250 Jahren lag die Lebenserwartung in Österreich bei 35 Jahren, heute steht sie bei über 80. Das einzige Problem am Kapitalismus ist, dass er stetes Wachstum benötigt, um stabil zu sein und nicht in schwere Krisen zu geraten. Jetzt haben wir aber das Problem, dass die grüne Energie nicht reichen wird, um weiterhin Wachstum zu befeuern. Wir brauchen also grünes Schrumpfen, und Schrumpfen geht im Kapitalismus nicht. Dann bricht er zusammen.
Aber warum soll denn die grüne Energie nicht reichen? Die wird doch überall, beschleunigt auch durch die Folgen von Putins Ukraine-Überfall, gerade ausgebaut.
Herrmann: Ja, viele Leute haben das Gefühl, da stehe doch schon eine Menge rum, zumal in Deutschland sieht man ja bereits viele Windräder. In Wahrheit stehen wir noch ganz am Anfang. Es wird ja immer vorgerechnet, dass fast die Hälfte der Stromerzeugung bereits klimaneutral sei. Aber Strom macht nur ein Fünftel des Endenergieverbrauchs aus, und künftig müssen wir auch Benzin, Öl und Gas ersetzen. Und beim Endenergieverbrauch hat die Windkraft erst einen Anteil von 4,7 Prozent, die Solarkraft einen von 2,2 Prozent.
Was ist mit der Wasserkraft, zählen Sie die nicht mit?
Herrmann: Die deckt in Deutschland 0,8 Prozent des Endenergieverbrauchs ab.
In Österreich, aber auch in großen Ländern wie China ist sie durchaus wichtig.
Herrmann: Aber China hat demnächst Dauerdürre! Die Wasserkraft lebt von den Niederschlägen und den Gletschern. Durch den Klimawandel verschwinden aber die Gletscher, und die Trockenheit nimmt zu. Da werden wir mit der Wasserkraft nicht mehr weit kommen.
Wäre noch die Biomasse.
Herrmann: Ja, die macht in Deutschland den größten Teil der klimaneutralen Energieproduktion aus. Aber das sind meist Monokulturen aus Mais und Raps, die viel Wasser, Dünger und Pestizide benötigen. Die haben ja überhaupt keine Zukunft, diese Energiepflanzen muss man ja zurückfahren, um das Artensterben zu bremsen. Das Einzige, was sich wirklich ausbauen lässt, sind eben Solarpanels und Windräder.
Aber angenommen, es gibt eine globale Kraftanstrengung, wir stellen überall Windräder auf, pflastern alle Dächer, Wände und Parkplätze mit Solaranlagen zu: Reicht es dann nicht irgendwann?
Herrmann: Erstens geht das nicht ohne eine riesige Materialschlacht. Zweitens gibt es im Winter praktisch keine Sonnenenergie, zumindest nicht bei uns im Norden, und dummerweise kommt es auch beim Wind zu Flauten, die lange dauern können. Also müssen wir zwischenspeichern, und da wird es aufwendig. Batterien und grüner Wasserstoff sind richtig teuer, bis 2045 muss da erst eine Rieseninfrastruktur aufgebaut werden.
Sie sprechen 2045 an, weil Deutschland bis dahin klimaneutral sein will; Österreich hat das sogar bis 2040 vor.
Herrmann: Genau, so steht es im Klimagesetz. Aber so, wie wir jetzt wirtschaften, wird das nichts. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich bin sehr für den Ausbau der Erneuerbaren. Aber die Vorstellung vom grünen Wachstum ist wie der Traum, man könne Kuchen futtern, so viel man will, und nehme trotzdem ab. Wir verbrauchen im Augenblick drei Planeten. Aber es gibt nur eine Erde. Also müssen wir wieder in die Grenzen der Natur zurückfinden.
Warum aber muss der Kapitalismus, wie Sie sagen, zwingend wachsen? Was, wenn wir auf dem jetzigen Niveau blieben?
Herrmann: Auch bei einer Stagnation tauchen bereits all die Probleme auf, die sich einstellen, wenn Wachstum ausbleibt oder gar ein Schrumpfen einsetzt. Ein erster Grund: Wachstum kann es nur geben, wenn es mit Krediten finanziert wird. Umgekehrt können diese Kredite aber auch nur zurückgezahlt werden, wenn das erhoffte Wachstum eintritt. Hinzu kommt: Unternehmen investieren nur, wenn sie zusätzliche Gewinne erwarten. Volkswirtschaftlich gesehen sind diese Gewinne aber das Gleiche wie Wachstum. Ohne Wachstum gibt es keine Gewinne und damit keine Investitionen, die Wirtschaft gerät ins Strudeln.
Laut Ihnen muss die Wirtschaft nicht nur ein bisschen schrumpfen, sondern sogar bis zur Hälfte. Wie kommen Sie auf diese Zahl?
Herrmann: Das ist eine Schätzung. Ich habe mir überlegt, was wohl das Worst-Case-Szenario wäre, wenn es mit der Ökoenergie richtig, richtig knapp würde
Es reicht also vielleicht auch ein Viertel? Oder ein Zehntel?
Herrmann: Das könnte sein. Nur ist das für den Kapitalismus egal. In dem Moment, da das System nicht mehr wächst, ist er vorbei. Das Ende des Kapitalismus ist allerdings nicht das Ende der Menschheit und auch nicht des Wohlstands. Wir müssen nicht zurück in die Steinzeit und auch nicht in Fellen herumlaufen. Ein Schrumpfen um die Hälfte bedeutet für Österreich oder Deutschland, dass man ungefähr im Jahr 1978 landet. Wenn ich in meinen Lesungen sage: Damals waren wir doch genauso glücklich, dann nicken immer alle. Manche sagen sogar: Wir waren glücklicher.
Weil es weniger stressig war?
Herrmann: Genau. Und manche Scherzkekse rufen dann: Das ist aber nur, weil wir damals jünger waren. Die Erinnerung an 1978 ist außerordentlich golden bei allen, die dabei waren. Es gab zwar keine Erdbeeren im Winter und keine eingeflogenen Mangos, und man ist auch nicht für zwei Tage nach Mallorca gejettet, aber dann eben drei Wochen mit dem Auto nach Italien an den Strand gefahren. Für alle, die nicht dabei waren: 1978 war das Jahr, in dem Argentinien Fußballweltmeister wurde und der erste Teil von "Star Wars" in die Kinos kam. Vieles war gut.
Aber seither hat sich die Welt sehr verändert.
Herrmann: Natürlich, es haben sich auch außerordentlich positive Dinge entwickelt. In den 1970ern sind zum Beispiel elf Prozent aller deutschen Frauen an Brustkrebs erkrankt, und das endete oft tödlich. Heute gibt es viel wirksamere Krebstherapien, auf die wir nicht zu verzichten bräuchten. Eine gute Nachricht für die Jugendlichen: Wir könnten auch das Smartphone behalten.
Nun gibt es die Wachstumskritiker ja schon länger. Was ist bei Ihrem Ansatz anders?
Herrmann: Derzeit gibt es zwei Lager: Das eine sind die vielen Leute, die das grüne Wachstum propagieren. Das andere sind die Wachstumskritiker, die liebevoll die Idee einer Kreislaufwirtschaft ausgestalten, in der wir nicht mehr verbrauchen, als wir recyceln können. Das finde ich auch wichtig, nur machen sie den Fehler, ihre Vision gleichzeitig für den Weg zu halten. Sie fragen sich nie, wie wir aus einem dynamisch wachsenden Kapitalismus in eine Kreislaufwirtschaft kommen, ohne dass es zum totalen Chaos und Millionen von Arbeitslosen kommt. Dabei wissen Deutsche und Österreicher ja perfekt, was dann passiert: dann kommt ein rechtsradikaler Diktator an die Macht, so wie Hitler 1933.
Und Sie haben den Weg gefunden?
Herrmann: Als Historikerin ist es naheliegend zu gucken, wo eine kapitalistische Wirtschaft bereits einmal geschrumpft wurde, ohne dass das Chaos ausgebrochen ist. Und da fällt die britische Kriegswirtschaft ab 1939 ins Auge. Davon kann man viel lernen.
Und was?
Herrmann: Die Briten hatten den Zweiten Weltkrieg nicht wirklich kommen sehen. Als er ausbrach und klar war, dass Hitler Großbritannien angreifen würde, blieb den Briten nichts anderes übrig, als ihre zivile Wirtschaft zu schrumpfen: damit sie in ihren Fabriken stattdessen Waffen, Radargeräte und U-Boote bauen konnten. Dabei wurde nichts verstaatlicht, alles blieb privat. Die Eigentümer und Manager konnten in den Fabriken weiter agieren, wie sie das für richtig hielten. Der Staat gab Produktionsziele vor; wie die erreicht wurden, blieb den Managern überlassen.
Nun wurden aber weniger Nahrung, Kleidung, Möbel hergestellt
Herrmann: Genau. Die Briten haben nicht gehungert, aber es wurde eben alles knapp. Und diese nun knappen Güter wurden rationiert. Jeder hat das Gleiche bekommen, es wurde absolut gerecht verteilt. Den Armen ging es plötzlich besser als vorher, weil sie jetzt auch ihren gerechten Anteil an Milch, Fleisch, Butter und so weiter bekamen. Deswegen war die Rationierung auch wahnsinnig populär. Was man ganz dringend betonen muss: Wenn wir nun so eine Art Kriegswirtschaft einführen würden, dann wären wir nicht so arm wie die Briten 1939, sondern wir wären wie anno 1978.
Aber wie soll das konkret funktionieren? Soll es wieder Lebensmittelkarten geben?
Herrmann: Klar wäre jedenfalls, dass man das Fleisch rationiert. Niemand braucht Vegetarier zu werden, weil es ja Flächen gibt, wo nur Gras wächst, das der Mensch nicht verdauen kann. Hier müssen wir also den Umweg über das Tier nehmen. Aber ja, es muss weniger werden, und das müsste man dann wahrscheinlich über Lebensmittelkarten machen. Auch Wohnraum müsste rationiert werden. In Deutschland leben wir derzeit im Schnitt auf 47 Quadratmetern pro Kopf. Das reicht. Auf Neubau müssen wir künftig verzichten, wir können nicht mehr alles versiegeln.
Klingt kompliziert und schwer administrierbar.
Herrmann: Ja. Ich verspreche ja nicht das Paradies. Aber immer wenn ein existenzielles Gut knapp wird, interessiert sich kein Mensch mehr für Markt und Preise, sondern alle stehen direkt beim Staat und wollen, dass der das regelt. Beim Wasser wird das ganz von selbst kommen, denn die Trockenheit wird zunehmen und das Wasser knapp werden. Aus ganz anderen Gründen, durch den Ukraine-Krieg, könnten wir Rationierung schon in diesem Winter erleben: Wenn es noch sehr kalt wird, dann wird in Deutschland und Österreich der Staat entscheiden müssen, wo das Gas hinfließt.
Wie würden Sie das Autofahren regeln?
Herrmann: Autos werden nur noch für jene sein, die krank sind und nicht in den Bus steigen können. So viel Ökoenergie wird es nicht geben, um unsere riesige Pkw-Flotte noch zu befeuern.
E-Autos bilden keine Ausnahme?
Herrmann: Der Tunnelblick auf die Antriebsarten übersieht, dass das Auto an und für sich eine extreme Verschwendung ist. Auch ein E-Auto wiegt bis zu zwei Tonnen, und im Durchschnitt sitzen nur 1,3 Menschen drin. Außerdem verschlingt die riesige Batterie schon bei der Herstellung viele Ressourcen. Auch Zugfahren müsste rationiert werden, vor allem die Schnellzüge verbrauchen zu viel Energie. Eigentlich dürften alle Züge nur noch maximal 100 km/h fahren.
Die meisten Menschen werden das alles sehr extrem finden.
Herrmann: Wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, wie wir das Schrumpfen organisieren können: Ich bin da ganz offen.
Fliegen sei sowieso nicht mehr drin, sagen Sie. Sie selbst fliegen auch gar nicht mehr.
Herrmann: Stimmt. In dem Moment, da man sich mit dem Thema ernsthaft befasst, kann man nicht mehr fliegen. Das ist total unpraktisch: Mein bester Freund lebt seit einem Jahr in Washington, lädt mich immer ein, und ich kann nicht hin. Aber es ist nicht wichtig, ob ich fliege oder nicht, wichtig ist: Wir brauchen eine makroökonomische Lösung, denn allein in Deutschland sind direkt und indirekt 850.000 Menschen in der Flugzeugindustrie beschäftigt: all die Leute bei Airbus, die Stewardessen, Piloten und Reisebüromitarbeiter. Sie alle brauchen dann ja andere Jobs, genauso wie die Beschäftigten der Automobilindustrie und vieler anderer Branchen.
Und was sollen die dann alle machen?
Herrmann: Die Arbeit wird nicht ausgehen, denn der Klimaschutz ist sehr aufwendig. Es müssen Häuser gedämmt, Wärmepumpen eingebaut, Solaranlagen installiert und Windkrafträder errichtet werden. Das Problem ist: Vieles findet nicht dort statt, wo die Leute jetzt leben. Das erfordert also extreme Umorientierungen und funktioniert nur, wenn die Gesellschaft das will. Auf gar keinen Fall will ich eine Diktatur, sondern jeder muss einsehen, dass das leider unausweichlich ist. Und der Verzicht muss koordiniert passieren, sonst bricht das System zusammen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Jeder sollte sofort wenig Fleisch essen und Ökoprodukte kaufen. Damit würde nichts zusammenbrechen, die Landwirtschaft müsste sich nur umstellen.
Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, vertritt in seinem neuen Buch "Klima muss sich lohnen" Thesen, die teils konträr zu den Ihren sind: Ohne Wirtschaftswachstum bekämen wir die Klimawende nicht hin. Und wenn Länder wie Indien und China schrumpfen, wäre sowieso alles vorbei.
Herrmann: In vielen Ländern kann die Wirtschaft sowieso noch wachsen, zum Beispiel in Malawi. Dessen Einwohner emittieren im Augenblick nur 100 Kilo CO2 pro Kopf und Jahr, laut Weltklimarat ist aber eine Tonne erlaubt. Indien emittiert aktuell 1,8 Tonnen pro Kopf und Jahr. Indien müsste also erst 2090 klimaneutral sein, weil es das Klima pro Bewohner nur ein Viertel so stark belastet wie etwa Deutschland oder Österreich. Das Problem an der Klimakrise sind die reichen kapitalistischen Länder und sonst niemand: USA, Kanada, Europa, Russland, Australien und auch China. Die müssen bei den Emissionen runter.
In letzter Zeit ist viel davon die Rede, eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Emissionen sei durchaus möglich, das zeigten sowohl Europa als auch die USA und Kanada bereits. Was sagen Sie dazu?
Herrmann: Die USA emittieren immer noch mehr als 14 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr - das ist doppelt so viel wie Deutschland oder Österreich. Es ist ein Witz, ausgerechnet die USA als Vorbild anzupreisen. Zudem wird dabei übersehen, dass kleine Fortschritte nicht weiterhelfen. Wir müssen 2045 absolut klimaneutral sein. Und dieses Ziel wird nirgendwo erreicht.
Warum unterstützen nicht einmal die Grünen Ihre Ideen? Die Grünen-Politikerin Steffi Lemke sagt, sie könne mit Ihrem Buch wenig anfangen: Es sei ein Luxus, dass "die Generation, die es verbockt hat, nun den jungen Leuten sagt: Das geht nicht mehr."
Herrmann: Dass die grüne Führung weiterhin so tut, als wäre grünes Wachstum möglich, verstehe ich. Die Mehrheit der Wähler will das hören, und in einer Demokratie führen Parteien nicht, sondern folgen ihren Wählern. Daher muss erst einmal die Mehrheit der Bürger verstehen, dass es tatsächlich um ihr Überleben geht. Die heute 20-Jährigen haben genau eine Wahl: in einer Welt zu leben, die weitgehend zerstört ist, oder aus dem Kapitalismus aussteigen. Die Option, es könne alles bleiben, wie es ist, existiert nicht.
Warum sind Sie so sicher, dass Sie recht haben?
Herrmann: Weil wir in 22 Jahren klimaneutral sein müssen. Das ist verdammt wenig Zeit. Da hilft nur noch "grünes Schrumpfen". Der Titel meines Buches ist auch keine Forderung nach dem Motto "Schafft den Kapitalismus ab!", sondern eine Beschreibung. Der Kapitalismus wird enden, ob wir das wollen oder nicht.