Welche Gesundheitsrisiken und Krankheiten durch Klimawandel, Erderwärmung und Wetterextreme drohen und wie Sie sich schützen können.
Herausgegeben von Hans-Peter Hutter
Kurzbeschreibung des Verlags
Der Klimawandel und seine Folgen für Körper und Seele
Die Wetterextreme häufen sich, auch in Mitteleuropa: Dürreperioden wechseln sich mit Überschwemmungen bisher unerreichten Ausmaßes ab und Hitzewellen treiben die Übersterblichkeit bei Risikogruppen in die Höhe.
Das Autoren-Team rund um Herausgeber und Mediziner Hans-Peter Hutter erläutert in verständlichen Worten, was die Begriffe Klima und Klimawandel tatsächlich bedeuten. Vor allem die vielfältigen Auswirkungen der Klimakrise auf Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen stehen dabei im Vordergrund.
- Krankheiten durch Klimawandel: Die physischen und psychischen Folgen
- Welche Personengruppen sind besonders von Gesundheitsrisiken betroffen?
- Wie trifft der Klimawandel Österreich im Speziellen?
- Geeignete Maßnahmen zum Klimaschutz, die Sie persönlich umsetzen können
- Welche neuen Infektionskrankheiten drohen durch die Folgen der Erderwärmung?
- Herausgegeben von Hans-Peter Hutter, Experte für Umweltmedizin
Über den vorausschauenden Umgang mit dem Klimawandel: Was kann ich tun?
Von der Wahl des Wohnorts bis hin zum bewussten Verzicht auf unnötige Ressourcenverschwendung – es gibt viele Wege, mit der Erderwärmung umzugehen. Zahlreiche Tipps und Informationen für die notwendigen Anpassungen an den Klimawandel finden Sie zusammengestellt in diesem Ratgeber. Gesundheit und präventive Schutzmaßnahmen stehen dabei ganz besonders im Fokus.
Wer ist besonders betroffen? Welche Vorkehrungen in Bezug auf Wetterextreme machen für jeden Einzelnen Sinn? Wie verhalten Sie sich richtig während einer Hitzewelle? Dieses Klimawandel-Buch richtet seinen Blick auf die medizinischen Auswirkungen der Krise und gibt praktische Ratschläge zum Umgang mit den entstehenden Gesundheitsrisiken.
FALTER-Rezension
EIN STILLER KILLER
Gerlinde Pölsler in FALTER 28/2024 vom 12.07.2024 (S. 43)
Wien, Graz, Linz und Klagenfurt strahlen in Orange. Das heißt: "Achtung!" Ab Mittwoch, den 10. Juli, prognostiziert der Wetterwarndienst von GeoSphere Austria, Österreichs offiziellem Wetterdienst, für den Osten des Landes "starke Hitzebelastung".
Immerhin leuchtet die Karte noch nirgends rot, das hieße "Gefahr!".
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Hitzetage mit mindestens 30 Grad in Österreich vervielfacht: Kamen die Landeshauptstädte zwischen 1961 und 1990 im Schnitt auf drei bis 12 solcher Tage, waren es von 1991 bis 2020 schon neun bis 23, manchmal auch schon mehr als 40.
Heiße Temperaturen, das bedeutet: baden gehen, Eis essen und abends ewig im Schanigarten sitzen. Es heißt aber auch: mehr Unfälle, Gewalt und psychische Probleme, mehr Aufnahmen in den Spitälern - und mehr Sterbefälle. Los geht all das immer früher im Jahr.
Am 18. Juni bekommt der 64-jährige Reinhard Tesch auf dem Tennisplatz im steirischen Peggau ein komisches Gefühl im Bauch. Er sagt sich: "Nur noch den Satz fertig spielen", wie er später der Kleinen Zeitung erzählt. Doch dann bricht er zusammen: schwerer Vorderwandinfarkt, das Herz steht still. 20 Minuten kämpfen vier Tennisspieler um sein Leben. Kurz bevor der Rettungshubschrauber aufsetzt, beginnt sich Teschs Brustkorb wieder zu heben und zu senken. Er überlebt.
Ende Juni häufen sich Meldungen aus Griechenland über großteils ältere Wanderer, die an der Hitze sterben. Weil es normalerweise um diese Zeit am Peloponnes noch nicht so heiß ist, kommen gerade Pensionisten gerne. Doch heuer misst man schon im Juni bis zu 45 Grad. Mindestens sechs Touristen kommen ums Leben.
Um dieselbe Zeit kehren zahlreiche Pilger von der muslimischen Wallfahrt Hadsch nicht mehr zurück: 1301 Menschen seien in Mekka oder auf dem Weg dorthin aufgrund extremer Hitze gestorben, teilt Saudi-Arabien mit.
Hitze sei die "vielleicht tödlichste Wettergefahr", warnen Forscher vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Uni Graz am Montag: Es brauche ein weltweites Hitzewarnsystem.
In Österreich lag die errechnete Übersterblichkeit aufgrund von Hitze in den vergangenen Jahren bei bis zu 550 Todesfällen. "In einigen Jahren gab es bereits mehr Tote durch Hitze als im Straßenverkehr", informiert Österreichs Staats-Wetterwarte von GeoSphere Austria. Allein im Sommer 2022, dem heißesten in Europa seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, waren laut dem europäischen Statistikamt Eurostat wahrscheinlich über 61.000 Todesfälle auf die Hitze zurückzuführen. Vor allem ältere Menschen starben und von ih nen wieder vermehrt Frauen. Ganz genau weiß man allerdings nicht, wie viele Leben die Hitze kostet, weil sie sich oft zu anderen Vorerkrankungen gesellt: Der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien, Herausgeber des Buches "Gesundheit in der Klimakrise":"Die Hitze ist ein leiser Mörder."
"Leider ein Klassiker", erklärt Harald Herkner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Notfallmedizin und Vizechef der Notfallklinik am AKH. "Ein älterer Mensch trinkt zu wenig, kollabiert und landet in der Klinik. Die Hitzefolgen sind zwar medizinisch oft leicht zu behandeln, doch danach im Krankenhaus ist die Gefahr, eine Lungenentzündung oder einen Harnwegsinfekt zu bekommen, höher als zu Hause." Und schon dreht sich die Spirale rasch nach unten.
Gleich wie Überschwemmungen oder Hurrikans ist die Hitze extrem ungerecht: Babys und Alte, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderung trifft sie viel härter. Bauarbeiter und Busfahrer leiden mehr als Menschen, die im Büro werkeln, Obdachlose und Bewohner billiger und schlecht isolierter Wohnungen mehr als Betuchtere. In den Städten leben die Ärmeren meist auch noch rund um die "Hitzeinseln", an viel befahrenen Straßen ohne Bäume und Grünflächen. Am 5. Juli 2022, das Thermometer kratzte an der 30-Grad-Marke, zog der Falter mit einer Wärmebildkamera durch die Stadt - und fand gewaltige Unterschiede: Den zubetonierten Parkplatz am Naschmarkt zeigte die Kamera tiefrot mit einer Oberflächentemperatur von 52 Grad. Ganz anders die Berggasse im neunten Bezirk: Dort, unter vielen Bäumen, kam der Boden auf "nur" 32 Grad. Asphalt kann sich auf über 60 Grad aufheizen, informiert der Verkehrsclub Österreich, der dazu aufruft, Hitze-Hotspots auf Gehsteigen in einer Online-Karte einzutragen.
Schuften unter der Sonne Dem 39-jährigen Wiener Michael Schaden, der seit 20 Jahren am Bau arbeitet, geht es mit der Hitze noch ganz gut. Er beobachtet aber, wie ältere Kollegen kämpfen: "Denen rinnen richtig die Schweißperlen runter, manchen wird schwindlig." Das ist auch gefährlich, schließlich stehen die Arbeiter oft hoch oben auf einem Gerüst oder Dach. "Wir sagen ihnen dann: ,Komm, setz dich mal hin und d'erfang dich wieder. Geh in den Schatten oder in den Container.'"
Mit seiner Firma, der Hazet Bauunternehmung, ist Schaden zufrieden: Wasser, Mineralwasser und Sonnenmilch stünden immer gratis zur Verfügung. Auch hitzefrei haben er und seine Kollegen schon öfter bekommen: Ab 32,5 Grad im Schatten gibt es die Möglichkeit, die Arbeit niederzulegen - allerdings besteht darauf kein Rechtsanspruch, es liegt allein am Gutdünken der Arbeitgeber. "Nur jeder vierte am Bau Beschäftigte bekam im vergangenen Sommer stundenweise hitzefrei", klagt Baugewerkschaftsboss Josef Muchitsch. Gemeinsam mit der Arbeiterkammer und Fridays for Future fordert die Gewerkschaft, dass alle Outdoor-Beschäftigten ab 30 Grad bezahlt hitzefrei bekommen müssen. Andernfalls, drohte Muchitsch schon, werde man mit Aktivisten der Klimabewegung "jene Baustellen blockieren, die trotz gefährlicher Hitze weiter schuften lassen". Immerhin führt der Kampf gegen die Hitze auch zu neuen politischen Allianzen.
Schwitzen im Plastiksackerl
400.000 Menschen hackeln in Österreich unter freiem Himmel, etwa bei der Müllabfuhr oder als Gärtner. Aber auch drinnen kann das Schuften bei 30 Grad aufwärts grenzwertig werden, etwa in Produktionshallen oder an den Bügelmaschinen von Wäschereien. Die Belastungen, die dort speziell Frauen treffen, werden oft übersehen. Die Arbeiterkammer Wien hat deshalb im Frühjahr Betriebsrätinnen genau dazu interviewt.
Sehr anstrengend wird es etwa für die Pflegekräfte. Bei Hitze ist das Heben oder Waschen von Patienten beschwerlicher, gleichzeitig sind auch die kranken oder alten Menschen gereizter und brauchen mehr Zuwendung. "Wenn die Außenbeschattung fehlt, hat es in den Patientenzimmern an heißen Tagen auch über 35 Grad", sagte eine Betriebsrätin.
Einige Beschäftigte erzählten, ihre Arbeitskleidung bestehe aus billigem, synthetischem Material: "Das G'wand ist wie ein Plastiksackerl." Ein weiteres Problem, das Frauen stärker betrifft: Bei Hitze soll man mehr trinken, und das heißt, dass man öfter aufs Klo muss. Doch wie sollen Busfahrerinnen oder mobile Pflegerinnen das machen? Das "Freiluft-WC" ist für Frauen meist keine Option, die Folge: Frauen trinken weniger, wie eine Straßenbahnschaffnerin erzählt. Gesundheitlich ist das riskant.
Alles kein Problem für Sie?
"Mir tut die Hitze nichts", glauben viele. "Dabei wird unterschätzt, dass Hitze für alle Menschen eine gewisse Belastung darstellt", sagt Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Der Körper muss eine Temperatur von rund 37 Grad halten. Um sich abzukühlen, wird die Haut viel stärker durchblutet und die Schweißabgabe angekurbelt. Das Herz muss deutlich mehr Blut pro Minute an die Peripherie pumpen, der Organismus ist gestresst. Umso mehr, je höher die Luftfeuchtigkeit und je weniger der Wind weht.
In der milderen Form kann das zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Erschöpfung führen. Die Hitze kann aber auch einen Hitzschlag mit Todesfolge auslösen. Außer dem Herzen sind das Gehirn und die Nieren besonders gefährdet. "Das Risiko für Nierensteine und -koliken steigt stark an", weiß Notfallmediziner Herkner. "Diese lassen sich zwar gut behandeln, aber die Schmerzen sind mitunter extrem."
Je intensiver die Hitzewelle ist und je länger sie dauert, desto größer wird die Belastung. In heißen Nächten kommt es außerdem zu mehr Schlaganfällen, wie eine brandneue, im European Heart Journal publizierte Studie aus Deutschland zeigt. Gefährdet seien besonders Ältere und Frauen.
Generell verstärken sich die Auswirkungen von Hitze in den sogenannten Tropennächten, in denen die Außentemperaturen nicht mehr unter 20 Grad sinken, erklärt Hans-Peter Hutter: "Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach einem heißen Arbeitstag schon abgeschlagen nachhause. Bleibt es in der Nacht sehr warm, schlafen Sie schlecht und beginnen den nächsten Tag bereits mit einer defizitären Leistungsfähigkeit." Es wird wieder sehr heiß und so weiter. All das schadet körperlich ohnehin beeinträchtigten Menschen noch viel mehr.
Die Hitze als Fußfessel In den letzten Tagen blieb der Energieberater Mex M. lieber im Haus - auch wenn es bei ihm im Waldviertel deutlich kühler war als in Wien oder Graz. Doch M. hat Multiple Sklerose (MS), und ab etwa 25 Grad braucht er den Rollstuhl, ab 30 Grad den elektrischen, weil er dann die Räder nicht mehr selbst antreiben kann. Seine Beine tun bei diesen Temperaturen einfach nicht mehr, was er will. "Ich vergleiche das mit einem ferngesteuerten Auto", sagt er. "Die Reifen drehen sich, der Motor funktioniert, aber die Fernsteuerung funktioniert nicht." Acht von zehn MS-Patienten leiden an diesem Uhthoff-Phänomen, das die Symptome ihrer Krankheit bei Hitze verstärkt.
Und die Tage, an denen Mex quasi unter Hausarrest steht, werden mehr und mehr. Früher konnte er im Frühling noch raus, jetzt ist es da meistens auch schon zu warm. So richtig aufatmen kann er erst ab Oktober. Weil die Erderhitzung für M. wie eine Fußfessel wirkt, klagte er, stellvertretend für alle Menschen, die Republik: Die Regierung tue zu wenig gegen die Klimakrise. Vor zehn Tagen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Klage als prioritär eingestuft, er wird sie also früher behandeln.
Auch anderen chronisch Kranken geht es mit steigenden Temperaturen schlechter: Wer an der Lungenkrankheit COPD leidet, hat noch mehr Atembeschwerden. Bei Herzkranken steigt das Infarktrisiko, bei Diabetikern kann die Insulinsteuerung entgleisen. Gefährlicher ist die Hitze auch für Schwangere, Babys und Kleinkinder und für gebrechliche Menschen, die allein und sozial isoliert in heißen Wohnungen leben.
Verwirrt auf der Notfallstation Bei Hitzewellen landen vor allem Ältere bei Harald Herkner in der Notfallklinik: "Sie können nicht mehr so gut schwitzen, haben ein anderes Durstgefühl und bemerken oft gar nicht, dass sie austrocknen. Dann versagen die Organe, sie können gerade noch die Rettung rufen oder bleiben hilflos in ihrer Wohnung liegen."
Oft genüge eine Infusion, aber: "Gerade bei älteren Menschen ist der Wechsel des Umfelds im Krankenhaus dann oft ein Riesenproblem. Der alte Mensch, vielleicht dement, wacht im Krankenhaus auf, kennt sich nicht aus und beginnt in der Nacht unruhig zu werden." Durch einen Delir, eine plötzliche starke Verwirrtheit, kann sich der Gesundheitszustand sehr stark verschlechtern.
Zahlen zur hitzebedingten Übersterblichkeit nach Altersgruppen sind rar, es gibt sie jedoch für den extrem heißen Sommer 2003 in Deutschland. Demnach "nahm die Mortalität in der ersten Augusthälfte bei den 60-bis 70-Jährigen um 66 Prozent zu, bei den 70-bis 80-Jährigen um 100 Prozent und bei den über 90-Jährigen sogar um 146 Prozent". Herkner fordert, die Akut-und Notfallversorgung "klimafit" zu machen; es brauche eine eigene Ausbildung. Schließlich wird sich die Zahl der über 65-Jährigen in den nächsten zehn Jahren verdoppeln.
Babys allein im Auto Für ein Baby oder Kleinkind kann Hitze schnell gefährlich werden, da sein Körper die Temperatur noch nicht so gut regulieren kann. Säuglinge sollte man nicht der direkten Sonne aussetzen.
Unterschätzt wird das Risiko, wenn ein Kind allein im Auto zurückbleibt: Schon bei einer Außentemperatur von 24 Grad kann sich das Autoinnere in einer halben Stunde auf über 40 Grad Celsius aufheizen. Bei Kindern kann die Körpertemperatur dann innerhalb von Minuten so hochschnellen, dass es gefährlich werden kann.
Am 30. Juli des Vorjahres musste deswegen in Oberösterreich ein 14 Monate alter Bub ins Spital. In Israel starb im April ein Dreijähriger im Auto an Hitzeschock und Ende Juni ein achtjähriges Mädchen im US-Bundesstaat North Carolina: Es war dreieinhalb Stunden bei bis zu 34 Grad Außentemperatur allein im Auto.
"Auch wenn man vorhat, nur kurz etwas zu besorgen oder das Kind gerade so schön schläft, sollte man bei sommerlichen Verhältnissen niemanden in einem in der Sonne geparkten Fahrzeug eingesperrt zurücklassen", warnt der ÖAMTC.
Das gelte auch für Tiere: Regelmäßig erleiden auch im Pkw "geparkte" Hunde einen Hitzschlag. Bemerkt man ein bei Hitze eingeschlossenes Kleinkind oder Tier, solle man versuchen, den Lenker ausfindig zu machen, andernfalls die Polizei verständigen - und notfalls die Scheibe einschlagen.
Jetzt kracht 's Eltern "vergessen" ihre Kinder einer kanadischen Studie zufolge dann im Auto, wenn sie gestresst oder müde sind oder ihre Tagesroutine sich geändert hat. Hitze knabbert eben nicht nur an unserer physischen Leistungsfähigkeit, sondern auch an der kognitiven und psychischen.
"Es gibt Studien, wonach bei einer permanenten Hitzesituation ohne Erholung in der Nacht vermehrt Konflikte entstehen", erklärt Oliver Opatz, der am Charité-Institut für Physiologie zu extremen Umwelten forscht, "weil unser vegetatives Nervensystem uns Kampfmodus suggeriert." Diesen Modus merkt jeder, der sich bei Hitze auf die Straßen wagt. Laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit kracht es dann öfter: An Tagen ab 30 Grad steigt die Zahl der Verkehrsunfälle mit Personenschaden um ein Viertel, wie eine Analyse der Unfälle im Jahr 2021 ergab. Die Unfallursache "Unachtsamkeit/Ablenkung" kletterte sogar um 36 Prozent nach oben.
Auch Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen haben in solchen Phasen mit verstärkten Symptomen zu kämpfen, weiß Hans-Peter Hutter: "Etwa bei depressiven Verstimmungen und Demenz, bei Schizophrenie und bipolaren Störungen. Hier gibt es öfter Krankenhausaufnahmen." Laut US-Studien steige auch die Zahl der Fälle von Substanzmissbrauch, Suiziden und Gewaltdelikten.
Ende eines Rennens Am 29. Juni werden beim Start der Tour de France in Florenz bereits 36 Grad gemessen. Die Sprint-Legende Mark Cavendish muss sich wegen der Hitze schon bald übergeben, fährt aber weiter. Kollege Michele Gazzoli ist gezwungen aufzugeben: Er landet wegen eines Hitzschlags im Spital.
Der Notfallarzt Harald Herkner hat schon öfter "dramatische Fälle" überhitzter Radrennfahrer und vor allem Marathonläufer behandelt. "Ist es am Tag des Marathons sehr heiß und kommt direkte Sonneneinstrahlung dazu, dann sehen wir eine hohe Zahl von schwer beeinträchtigen Läufern, teilweise sogar mit Todesfällen. Manche sind schon mit so stark erhöhter Körpertemperatur zu uns gekommen - und waren nicht mehr zu retten."
Was tun?
Zum einen ist die Politik gefordert: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat im Juni den neuen Nationalen Hitzeschutzplan präsentiert. Der schreibt fest, was Bund, Länder, GeoSphere Austria sowie Gesundheits-und Sozialeinrichtungen bei großer Hitze zu tun haben. Klimaforscherin Chloe Brimicombe von der Uni Graz sieht darin große Fortschritte, vermisst aber Pläne zur Hitzevorsorge und -anpassung, etwa für Abkühl-Einrichtungen und die Gratisabgabe von Wasser.
Und was kann jeder einzelne tun? Vor allem: alles langsamer angehen, genug trinken. Körperliche Anstrengung während der heißesten Stunden möglichst vermeiden, stattdessen auf den frühen Morgen oder Abend verlegen. Zu diesen Zeiten auch lüften, tagsüber die Fenster schließen und die Räume abdunkeln. Außenjalousien wirken viel besser als Innenjalousien.
Sehr starke Kopfschmerzen, anhaltendes Erbrechen oder hohe Körpertemperatur sind Zeichen eines Notfalls: sofort die Rettung unter 144 verständigen. Betroffene rasch aus der Sonne bringen und mit feuchten Tüchern, besonders am Kopf und im Nacken, kühlen.
Ebenso wichtig: Vorbeugend mit Arzt oder Ärztin besprechen, ob Medikamente während Hitzewellen anders einzunehmen sind. Besonders auf kranke, psychisch beeinträchtigte und alte Menschen achten - "gerade die Verwundbarsten sehen sich nicht gern als verwundbar", so Brimicombe. Mit Alleinlebenden vereinbaren, dass täglich jemand vorbeischaut oder anruft.
Notfallarzt Herkner: "Passt auf euch selber auf, passt aufeinander auf."