AZ-Neu

Die Informationsplattform für ArbeiterInnen, Angestellte, KMUs, EPUs und PensionistInnen

Wien 

Was nicht im Baedeker steht

von Ludwig Hirschfeld

Verlag: MILENA
ISBN: 9783903184572
Umfang: 240 Seiten
Genre: Reisen/Hotelführer, Restaurantführer/Europa
Erscheinungsdatum: 15.09.2020
Format Hardcover
Nachwort von: Martin Amanshauser
Preis: € 23,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Ludwig Hirschfelds charmanter feuilletonistischer Reiseführer entführt uns in das Wien der 1920er Jahre. Als im Sacher noch keine alleinsitzenden Frauen bedient wurden. Als es kaum Bierlokale in der Stadt gab. Als man sich noch Eintänzer beim Kellner bestellen konnte, wenn der Gatte keine Lust hatte.
Im Jahr 1927 erschien dieser köstliche Wien-Reiseführer. Autor Ludwig Hirschfeld, der bereits in Karl Kraus’ "Die letzten Tage der Menschheit" Erwähnung findet, beschreibt in sehr launigem, charmantem Stil seine Stadt. In 19 Kapiteln wird uns das alte Wien nähergebracht: Essen und Trinken, die angesagtesten Lokale, Kunst & Kultur, die Parks, das Burgtheater, die Nacktrevuen – alles, was der Tourist und Einheimische wissen muss. Aber Hirschfeld hat auch damals Veränderungen zu beklagen: Die Bankenhäuser verdrängen die Kaffeehäuser. Die Wiener trinken fast kein Bier mehr! Es gibt viel zu schmunzeln für den heutigen Leser.
Apropos, wussten Sie:
… Was ein Schnitzel mit Charlestongarnierung ist?
… Dass der Ober im Kaffeehaus „Zahlmarkör“ genannt wurde?
… Dass in den meisten großen Lokalen Salonkapellen oder Jazzbands spielten?
Erinnern Sie sich noch an das Café Lurion in der Siebensterngasse? An das Café Arlon in der Rothgasse? An das Krystallcafé auf dem Aspernplatz?
Der beliebteste Reiseführer der 1920er Jahre.

FALTER-Rezension

Untergang und Überschwang

Das gewesene Wien, in dem wir zu Hause und an­säs­sig zu sein wähn­ten, ist ein­fach ver­schwun­den, hat sich be­schämt zu­rück­ge­zo­gen und ist nur noch da und dort zwi­schen den ei­ge­nen vier Wän­den zu fin­den. Das sind die­sel­ben vier Wän­de, vor denen man […] eine so merk­wür­di­ge Angst hat­te. Zu Hause blei­ben, den Abend ganz sim­pel und still bei sich selbst zu ver­brin­gen, das galt da­mals als un­mög­lich und rück­stän­dig. Jeden An­laß be­nütz­te man, um aus den vier Wän­den in die Öffent­lich­keit zu flie­hen, von einem Lo­kal ins an­dere zu bum­meln und mög­lichst spät schla­fen zu gehen: das war da­mals fesch, mo­dern und welt­städtisch.[…] Auch hier hat sich eine große Um­kehr voll­zo­gen: man sehnt sich nach der ei­ge­nen Woh­nung, man flüch­tet in die Häus­lich­keit […]. Wel­che Wohl­tat, ein Stu­ben­hocker zu sein und ein Spießer­leben zu führen, wel­ches Glück, von der Welt nichts zu wis­sen und gründ­lich zu ,ver­sumpern‘.“

Das Loblied auf den Lockdown, das hier ge­sun­gen wird, klingt nicht so, als käme es aus vol­lem Herzen. Es be­singt die keines­wegs frei­wil­lige „Flucht in die Häus­lich­keit“ mit einer Mi­schung aus Sar­kas­mus und Senti­men­ta­li­tät. Als sein ver­gleichs­weise epi­sches Feuille­ton am 17. Sep­tem­ber 1918 in der Neuen Freien Presse er­scheint, ist des­sen Ver­fas­ser, Lud­wig Hirsch­feld (1882–1942), einer der be­kanntes­ten und arri­vier­tes­ten Jour­na­listen des Lan­des. Be­reits 1909, da ist er ge­rade ein­mal 27 und drei Jahre im Ge­schäft, er­scheint mit „Wir ken­nen uns“ ein ers­ter Sam­mel­band mit sei­nen Feuille­tons, zwei wei­tere fol­gen im Zwei­jahres­takt.

„Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen“, ätzte Karl Kraus 1911 in der Fackel. Hirsch­feld be­herrschte die­se Wort­frisier­kunst aus dem Eff­eff. Der ein­same Feld­herr im Krieg ge­gen die Phrase hatte für Hirsch­feld keines­wegs nur, aber immerhin auch wohlwollende Worte über, bezeichnete ihn einmal als „liebe[n] Schneck“ und charakterisierte ihn in der Fackel vom 12.12.1912 wie folgt: „Immer vif, immer flott, immer bereit, die Schwä­chen zu geißeln, aber durch­aus liebens­wür­dig, Schwere­nöter, aber kein Spiel­ver­der­ber, schein­bar nur der mon­däne Causeur mit dem Haut­gout, aber doch einer, der la­chend die Wahr­heit sagt. Er kennt die Tor­heiten, aber er ver­zeiht sie, wo­bei ihm der Schalk aus dem Auge lacht […].“

Was Kraus übersehen oder jeden­falls nicht er­wähnt hat, ist Hirsch­felds un­über­seh­barer Hang zur Melan­cho­lie. Nicht um­sonst trägt der Sam­mel­band mit Feuille­tons, den der His­to­ri­ker und Stadt­for­scher Peter Payer so­eben heraus­ge­ge­ben hat, den Titel „Wien in Moll“.

Angelehnt ist dieser an jenen des ältes­ten und ers­ten von ins­ge­samt 43 Feuille­tons, die hier ab­ge­druckt sind – eine aus­ge­spro­chen schmale Aus­wahl, wenn man be­denkt, dass allein die An­zahl der Ar­ti­kel, die der rast­lo­se Viel­schrei­ber für die Neue Freie Presse ver­fasste, in die Vier­stellig­keit geht.

„Fiakerlied in Moll“ belegt, dass die scharfe Beo­bach­tungs­gabe und die ein bis­serl bos­hafte, aber nie in Zynis­mus um­schla­gende Spott­lust Hirsch­felds schon früh aus­ge­prägt war. Ein Jahr­zehnt be­vor die „Roa­ring Twen­ties“ an­brechen, regis­triert er, dass nun ein „ganz anderes Tempo, ein neuer Rhyth­mus“ die Straßen be­herrscht – etwa vor der Oper: „Man fährt jetzt nicht nur viel ra­scher in Wien, man geht auch viel eili­ger, ge­schick­ter, weil sich die Men­schen immer den Fuhr­werken an­passen.“

Der Welt von Gestern, von der sich der beschleunigte Feuille­to­nist an­läss­lich der Ver­ab­schie­dung eines Fia­kers „draußen in Her­nals, beim Stah­lehner“, seiner­seits ver­ab­schie­det, wird keine Träne nach­ge­weint. Miss­trau­isch „gegen diese Fia­ker- und Wäscher­mädel­herr­lich­keit“ stellt Hirsch­feld der Pro­fes­sion der Fia­ker durch­aus kalt­her­zig ein bal­di­ges Ab­lauf­da­tum in Aus­sicht: „Eine Pepi­ta­hose […] und ein wit­ziger und sin­gen­der Mund allein ge­ben noch keine Exis­tenz­be­rech­ti­gung. So hübsch und amü­sant das alles war, es muß ver­schwin­den oder sich ver­wan­deln, wie das ganze pa­schen­de, schnal­zen­de und du­deln­de Wien.“

Der Topos einer sterbenden Epoche zieht sich durch Hirsch­felds ganzes Œuvre. Dem „ges­tri­gen Wien“, so kons­ta­tiert er im April 1913, „geht’s seit eini­ger Zeit be­ängs­ti­gend an den Kra­gen“. Acht Jahre spä­ter stellt er in dem Feuille­ton „Musku­löser Sonn­tag“ sar­kas­tisch fest, dass alle Ver­suche, „nach alt­ge­wohn­ter Jung-Wie­ner Weise empfind­sam, nach­denk­lich und fein­sin­nig zu sein“, an der phy­si­schen Ro­bust­heit eines Fuß­ball­spiels zu­schan­den würden. Eine Spitze, die er 1927 noch ein­mal in seinem Wien-Führer an­brin­gen kann, der in der Reihe „Was nicht im Baedeker steht“ er­schien und so­eben vom Milena-Ver­lag neu auf­ge­legt wurde. Da­rin macht sich Hirsch­feld über den My­thos vom Litera­ten­café lus­tig, der „ei­gent­lich nur mehr in den in Berlin ge­schrie­benen Litera­tur­ge­schichten“ über­lebt habe: „Die Jung­wiener Dich­ter Bahr, Schnitz­ler, Hof­manns­thal, Beer-Hof­mann sind heute wür­dige, ab­ge­klärte Her­ren, die sich in ihre Cottage­villa oder in eine mit allem kirch­li­chen Kom­fort aus­ge­stat­tete Welt­an­schauung zu­rück­ge­zogen haben.“

Tatsächlich fällt der Abschied von Good Old Vienna Hirsch­feld selbst aber schwerer, als er ein­ge­stehen möchte. Ängst­lich be­obach­tet er, „ob man mir die lieben al­ten Bastei­häuschen in der Schrey­vogel­gasse noch hat stehen lassen“; be­dauernd nimmt er zur Kennt­nis, dass auch „das ältere Wienerisch“ ver­schwindet, „das so feiner, viel sympa­thischer klang als der heu­tige, ver­wil­derte Groß­stadt­dia­lekt“.

Als am 25. Juli 1914 das Ultimatum Österreich-Ungarns an Ser­bien ab­läuft, be­schreibt Hirsch­feld in seinem Feuille­ton „Die letzte Stunde“ die kollek­tive Gemüts­lage: „Keine Spur von Schrecken, kein Ge­fühl der Be­klom­en­heit, eher das der Er­leich­terung. […] Die letzten Stunden der jahre­langen De­pres­sion sind da, und wir kön­nen es nicht mehr er­war­ten, daß es heute abends 6 Uhr schlägt.“

Bewegt vom Gang der Geschichte verliert Hirsch­feld die ge­wohnte iro­ni­sche Dis­tanz und mobi­li­siert das Pathos des Ernst­falls. Fallen die Res­tau­rant­be­sucher in den von der Mili­tär­ka­pelle in­to­nier­ten Prinz-Eugen-Marsch ein, spürt auch er, „dass dies kein leerer Hurra­patrio­ti­smus ist, son­dern der wirk­liche Aus­druck einer er­reg­ten Stim­mung, eine zu Tönen ge­wor­dene Über­zeu­gung“. Zwei Wochen später – Deutsch­land ist in Bel­gien ein­mar­schiert, Bel­grad steht unter Be­schuss – nimmt er im Strom der nach Wien zu­rück­kehren­den Som­mer­frisch­ler er­staunt zur Kennt­nis, dass der eine oder andere Be­kannte nicht an­zu­tref­fen, weil doch tat­säch­lich ein­ge­rückt ist, „und wir Un­taug­lichen und Staats­krüp­pel kom­men uns be­schämt ein bißchen minder­wer­tig und un­nütz vor“.

Während des Krieges bewegt sich Hirsch­feld weiter in seinem an­ge­stammten Habi­tat. Im Gast­haus regis­triert der pas­sio­nierte „Semmelesser“, wie die Brotkörberln von den Tischen verschwinden; im Gänsehäufel beobachtet er das von ihm geradezu obsessiv kommentierte Ritual des Son­nen­badens, auf Som­mer­fri­sche die ver­bo­tene Praxis des Hams­terns: „Manche Frauen sollen sich […] so gründ­lich er­holt ha­ben, daß sie mit einer Ge­wichts­zu­nahme von fünf Kilo Speck und zwan­zig Kilo Erd­äpfel in die Stadt zu­rück­ge­kehrt sind.“

Was sich hier harmlos liest, verbreitet an anderen Stel­len einen un­an­ge­nehmen miso­gynen Haut­gout, denn die Leib­lich­keit der Wie­ne­rin ist Hirsch­felds abso­lu­tes Leib-und-Magen-Thema. Recht machen kann es ihm keine. Durch­aus wohl­wol­lend be­äugt er in den Bade­an­stal­ten die „schlanken Trikot­ge­stalten“ gut­ge­wach­sener Mäd­chen, wohin­gegen ihm der ero­ti­sche Prag­ma­tis­mus kurz­be­rockter Girls mit Bubi­kopf nicht ge­heuer ist. Die Vor­stadt­mädel fin­det er „voll­stän­dig ent­süßt“, den Typus der „Sport­frau“ und der „Berufs­frau“ un­mög­lich. Er be­klagt einer­seits das Ver­schwin­den der „Mehl­speis­figur“, die ihm anderer­seits stets will­kom­mener Anl­ass des Gewitzels ist: „Wien ohne Kaf­fee: man kann es sich gar nicht vor­stellen“, be­klagt er im Mai 1917 die stei­gen­de Knapp­heit an Nahrungs- und Genuss­mit­teln. „Eben­so könnte der Kahlen­berg ab­ge­tra­gen werden oder eine Ver­ord­nung er­scheinen, daß die Wiener Frauen und Mäd­chen nicht mehr als 45 Kilo wiegen dürfen.“

Ludwig Hirschfeld ist eine schwer zu fassende Figur voller Wider­sprüche. Er will im „Nichts­tun die ein­zi­ge na­tür­liche Be­schäf­ti­gung des Men­schen“ er­blicken, schreibt selbst aber wie ein Beses­sener nicht nur Feuille­tons, son­dern neben­her auch Lust­spiele, Operet­ten­li­bretti, Film­dreh­bücher und Chanson­texte.

Er ist am Puls der Zeit, zuständig für alles „Mondäne“ – und kulti­viert doch von An­fang an die Atti­tüde des früh Ge­al­terten, der als 42-Jähri­ger den Wech­sel von der Kro­nen- zur Schil­ling­wäh­rung mit fata­lis­ti­schem Opi-Phleg­ma kom­men­tiert: „Sehr trau­rig, liebe Kin­der, aber da kann man nichts machen.“

Als dezidierter „Schwächling“ mit „No Sports“-Attitüde be­sucht Hirsch­feld Fußball­spiele und Pferde­rennen. Als „reisen­der Eigen­bröt­ler“ be­gibt er sich auf eine „Fahrt nach X-Belie­big“, um end­lich der groß­städti­schen Betrieb­sam­keit zu ent­lie­hen. In sei­nem Wien-Führer er­weist er sich wiederum als hoch­kom­pe­ten­ter Ada­bei, der genau weiß, wer wann und mit wem über den Ring­straßen­korso fla­niert oder beim Gerst­ner sitzt.

Ausgestattet mit einem scharfen Auge für die feinen Unter­schiede mo­kiert sich Hirsch­feld über den Müßig­gang der oberen Zwei­tau­send, sorgt sich zu­gleich aber auch um das Wohl­er­gehen der Haus­be­sitzer (er selbst ist „ganz un­schul­di­ger­weise“ einer). Nach dem Krieg, den er an­fangs wie so viele be­grüßt hat, be­fleißigt er sich eines etwas selbst­mit­lei­di­gen Aller­welts­humanis­mus: Täter, Schul­dige oder Ver­ant­wort­liche gibt es keine; „die Mensch­heit [ist] vom Kriege über­rascht und über­fal­len wor­den“, heißt es in dem ein­gangs zi­tier­ten Feuille­ton vom 17. Sep­tem­ber 1918.

In seinem Wien-Führer stellt Hirschfeld seinen Leser­innen und Lesern das ge­samte Kul­tur- und Unter­haltungs­an­ge­bot der Stadt vor, von der Oper bis zu den Prater­wirten. Auch das Kaba­rett darf nicht fehlen: „Ich möchte Ihnen Fritz Grün­baum vor­stellen. Er sieht wie ein klei­ner zer­tep­sch­ter Privat­do­zent semi­ti­scher Kon­fes­sion aus, mit einer Brille auf der Nase, die sein Ge­sicht nicht ge­rade ver­schönert.“

An anderer Stelle fällt der sonst so samtpfötige Feuille­to­nist auf ein­mal mit der Tür ins Haus, um „auf die spezi­fisch wieneri­sche Juden­frage“ auf­merk­sam zu machen: „Sie hat gar nichts mit Poli­tik und Rassen­anti­semi­tis­mus zu tun, denn die­se Frage wird hier von allen, ohne Unter­schied der Kon­fes­sion, ge­stellt, von Haken­kreuz­lern wie von Juden: ,Ist er ein Jud?‘ Alle anderen Fragen kom­men nach­her: Ob der Kom­po­nist, der Schrift­stel­ler wirk­lich Ta­lent hat, ob der be­rühmte Arzt schon viele Patien­ten ge­heilt, der Fußball­champion schon viele Goals ge­schos­sen hat. Die pri­mä­re Fra­ge lau­tet: ,Ist er ein Jud?‘“

Politisch ist Hirschfeld von einer Naivi­tät, die mit­unter an Igno­ranz rührt, er ver­fügt aber über ein höchst sen­sib­les Sen­so­rium für Stim­mungen. Als er im Sep­tem­ber 1937 die Ruine der so­eben aus- und nieder­ge­brannten Ro­tunde im Prater be­sucht, steht er „vor etwas Un­faßbar-Ge­spens­tischem. Einer Art ver­wahr­losten Theater­de­ko­ration zu einem Römer­drama“. Noch ein­mal schwingt er sich zu Fort­schritts­opti­mis­mus auf, ist be­geis­tert von der „stil­vollen und an­mu­ti­gen Sach­lich­keit“ der neuen Reichs­brücke und da­von über­zeugt, dass der anti­kisierende archi­tek­to­nische Pomp der Grün­der­zeit end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit an­ge­hört: „Das neue Wien baut anders: […] ein­fach, sach­lich, ge­die­gen und vor allem nicht feuer­ge­fähr­lich.“

Gleichzeitig lösen die schwelenden Trümmer des Gebäudes unheilvolle Ahnungen aus, die sogar Hirschfelds ansonsten makelloses Deutsch beeinträchtigen: „In dieser grauenvollen Oedigkeit, die einst die Rotunde war, bekommt man plötz­lich einen vi­sio­nären Be­griff von dem, was der nächste Welt­krieg ims­tande wäre …“

Wenige Tage nach dem „Anschluss“ wird Ludwig Hirsch­feld – auf­grund einer Ver­wechs­lung mit Oskar Hirsch­feld, dem Heraus­geber der jüdi­schen Wochen­zeit­schrift Die Wahr­heit – von den Nazis ver­haftet und für acht Wochen in Dachau inter­niert. Auf­grund der Für­sprache von Freun­den frei­ge­las­sen, flie­hen Ludwig, seine Frau Elly und die bei­den Kinder Eva und Her­bert nach Frank­reich und wer­den dort 1942 ins An­halte­lager Drancy bei Paris ver­bracht, von wo aus sie am 6. November des Jahres nach Auschwitz trans­por­tiert und er­mor­det werden.

Das letzte erhaltene Dokument Ludwig Hirschfelds ist eine Post­karte an das Ehe­paar Any und Karl Farkas: „Wir fahren vor­­aus­sicht­lich diesen Nach­mit­tag, Be­stim­mungs­ort un­be­kannt. […] Wir hoffen, dass es eines Tages ein Wieder­sehen gibt.“

Klaus Nüchtern in Falter 49/2020 vom 04.12.2020 (S. 30)


Was das Wien von 1927 mit dem heutigen verbindet
Der Baedeker nötigt Bildungsbeflissene seit jeher, das Wichtige zu be­trachten. In diesem Sinn be­schreibt Ludwig Hirsch­feld in neun­zehn schwung­voll ver­fassten, feuille­to­nis­tischen Kapi­teln das Wien des Jahres 1927 und das, was da­von bis heute inter­es­sant ge­blie­ben ist: Die rohe Garten­mauer um das Palais Roth­schild, Kraft­kutscher, die Charleston­gar­nierung zum Wiener Schnitzel, Ab­steige­quar­tiere Öster­reich-Ungarns, den Zahl­markör, Max Rein­hardt in der Josef­stadt und warum hier so oft ge­fragt wurde: „Ist er ein Jud?“ Samt Nach­wort zum Autor, der 1942 in Auschwitz ver­starb.

Erich Klein in Falter 43/2020 vom 23.10.2020 (S. 9)

Posted by Wilfried Allé Sunday, August 14, 2022 10:20:00 PM Categories: Reisen/Hotelführer Restaurantführer/Europa
Rate this Content 0 Votes

Statistics

  • Entries (318)
  • Comments (6)

Categories