von Timo Küntzle
ISBN: |
9783218012904 |
Reihe: |
K&S Um/Welt |
Umfang: |
336 Seiten |
Format: |
Taschenbuch |
Genre: |
Sachbücher/Natur, Technik/Natur, Gesellschaft |
Verlag: |
Kremayr & Scheriau |
Erscheinungsdatum: |
24.03.2022 |
Preis: |
€ 24,00 |
Kurzbeschreibung des Verlags
„Wir Konsumenten blockieren ein nachhaltigeres globales Ernährungssystem, indem wir der Landwirtschaft einen Mühlstein aus Vorurteilen, Denkverboten und widersprüchlichen Wünschen um den Hals hängen.“
Über unser Essen und die Art und Weise seiner Herstellung wurde nie emotionaler und verbissener diskutiert als heute. Gleichzeitig ist die Zahl der Menschen mit direktem Einblick in die Landwirtschaft auf einem historischen Tiefstand. Klar ist lediglich: Jedes Lebensmittel soll makellos und rund ums Jahr zu haben sein – aber bitte nachhaltig, regional und bio. Kann das funktionieren? Natürlich nicht, sagt Timo Küntzle. Der Journalist und Landwirtsohn sieht genau hin, um mit romantisierenden und verteufelnden Vorurteilen aufzuräumen. Welche Rolle spielt Landwirtschaft beim Klimawandel? Ist „bio für alle“ realistisch? Wie schädlich sind Glyphosat und andere Pestizide tatsächlich, was sind die Alternativen? Und nicht zuletzt: Ist unsere Angst vor Gentechnik auf dem Teller berechtigt, war unser Essen in der „guten alten Zeit“ wirklich besser? Die Antworten sind nicht immer einfach. Aber zweimal hinsehen lohnt sich. Nicht nur, weil es um unser täglich Brot geht, sondern auch, weil etwas mehr Landverstand uns allen guttäte.
FALTER-Rezension
Katharina Kropshofer in FALTER 26/2024 vom 28.06.2024 (S. 44)
Das Ende der Intensivlandwirtschaft wäre Selbstmord; wir brauchen Pestizide, Gentechnik und Stickstoffdünger, so Timo Küntzle, Bauernsohn und studierter Agrarwissenschaftler. Die Konsumenten würden der Landwirtschaft "einen Mühlstein" an widersprüchlichen Wünschen umhängen. Man kann in vielem zu anderen Schlüssen kommen, Debattenanstöße liefert der Autor jedenfalls.
Wie werden wir in Zukunft satt?
Maria Motter in FALTER 27/2022 vom 08.07.2022 (S. 43)
Vollspaltenböden, Gentechnik, Pestizide: Ist die industrialisierte Landwirtschaft am Ende, oder wäre ihr Ende Selbstmord? Darüber streiten die Buchautoren Matthias Krön und Timo Küntzle
Ab Ende 2039 soll es in Österreich die umstrittenen Vollspaltenböden für Schweine nicht mehr geben. Das haben ÖVP und Grüne vergangene Woche verkündet. Ist das ein Zeichen eines Sinneswandels in der Landwirtschaft? Wie intensiv soll diese sein? Der Falter bringt zwei Landwirtschaftsexperten mit konträren Ansichten an einen Tisch.
Der eine bricht eine Lanze für Glyphosat, Gentechnik und Stickstoffdünger, der andere betont die Schäden, die die intensive Landwirtschaft hinterlässt. Der eine, Matthias Krön (53), war Manager in der Milchwirtschaft und hat später den Verein Donau Soja gegründet, der den gentechnikfreien Anbau von Soja in Europa fördert. Der andere, Timo Küntzle (47), ist auf einem Bauernhof in Baden-Württemberg aufgewachsen, hat Agrarwissenschaft studiert und arbeitet als Publizist. Beide haben vor kurzem Bücher veröffentlicht. "Landverstand" hat Timo Küntzle seines genannt, "Eine Bohne rettet die Welt" heißt jenes von Matthias Krön. Mit dem Falter diskutierten sie über von Pflanzen selbst erzeugte Gifte, dazulernende Biobauern und Insektenburger.
Falter: Die Regierung hat erklärt, dass die vieldiskutierten Vollspaltenböden in der Schweinehaltung ein Ablaufdatum bekommen sollen: Ende 2039. Ist das ein Grund zur Freude oder eine Hiobsbotschaft?
Timo Küntzle: Ich finde das begrüßenswert. Tiere sollten ein Mindestmaß an Lebensqualität erfahren, wenn wir sie schon für uns nutzen. In der Schweinehaltung besteht da wahrscheinlich der meiste Aufholbedarf. Allerdings muss das teurere Fleisch dann auch gekauft werden, auch von Wirtshäusern und Kantinen. Denn wenn hohe Standards durch Importe unterlaufen werden, dann bringt der Beschluss nur eine scheinbare Verbesserung.
Matthias Krön: Die jetzt diskutierten graduellen Verbesserungen und ihre Zeitpläne werden rasch von der sehr dynamischen öffentlichen Debatte überholt werden. 2040 werden wir bereits eine ganz andere Diskussion haben - nämlich die, ob und wie wir Tiere nutzen dürfen. Österreich mit seiner kleinteiligen Landwirtschaft sollte Vorreiter beim Tierschutz sein und damit neue Marktchancen nutzen. Derzeit sehen zu wenige Marktteilnehmer die Chancen für österreichische Schweine aus bäuerlichem Familienbetrieb, mit mehr Platz, regionalem Futter, besserer Fleischqualität. Dabei geht der Konsum von Schweinefleisch in Österreich am schnellsten zurück, das ist auch eine Reaktion der Konsumenten auf die zu langsame Entwicklung in diesem Sektor.
Hinter der Frage der Schweinehaltung steckt eine viel größere. Herr Küntzle, die Kernaussage Ihres Buches lautet, die Abschaffung der intensiven Landwirtschaft wäre Selbstmord für die Menschheit. Warum das?
Küntzle: Jahrtausendelang konnten Menschen mehr Nahrungsmittel nur erzeugen, indem sie mehr Flächen in Bewirtschaftung nahmen. Also Wälder rodeten, Feuchtgebiete trockenlegten, Savannen umpflügten. Erst in der modernen Landwirtschaft ist es den Menschen gelungen, pro Fläche deutlich mehr zu ernten. Für eine Tonne Weizen brauchen wir heute viel weniger Flächen als früher. Und wenn die Weltbevölkerung massiv wächst und mit wachsendem Wohlstand wahrscheinlich mehr Menschen Fleisch konsumieren werden, dann geht das einfach nicht ohne Pflanzenschutzmittel und synthetischen Stickstoffdünger. Ohne diesen wäre die Hälfte der Menschheit gar nicht am Leben.
Herr Krön, Ihr Einwand?
Krön: Die historische Analyse halte ich für komplett richtig. Allerdings verursacht die intensivierte Landwirtschaft auch viele Probleme, Stichwort Insektensterben. Und die Frage, wie viel Nahrung wir brauchen, ist auch eine Frage dessen, was wir essen. Wenn weltweit alle so viel Fleisch essen wie die Österreicher, dann brauchen wir selbst mit einer sehr intensivierten Landwirtschaft noch mehr Flächen. Ich finde es aber gut, dass Herrn Küntzles Buch erschienen ist, weil wir mehr Debatten über die Landwirtschaft brauchen. Viele Österreicher, auch viele Intellektuelle, sind stolz darauf, wenn sie davon nichts verstehen. Ich war selbst so einer: Ich komme aus einer Stadtfamilie, habe ein humanistisches Gymnasium besucht, und früher hat mich das Thema überhaupt nicht interessiert.
Die EU-Kommission will nun mit ihrem Green Deal den Einsatz von Pestiziden halbieren, Antibiotika und Düngemittel reduzieren und die Biolandwirtschaft kräftig ausbauen. Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?
Küntzle: Das Ziel ist auf jeden Fall richtig. Ich vergleiche es gern mit Medikamenten. Es ist gut, wenn ich möglichst wenig davon brauche. Schlecht wäre aber, wenn ich nicht darauf zurückgreifen könnte. Ähnlich ist es mit Pflanzenschutzmitteln. Natürlich wäre es für die Natur am besten, wir würden gar keine einsetzen. Das steht völlig außer Frage. Weil diese Mittel dazu gemacht sind, Organismen abzutöten, übrigens auch die biokonformen Wirkstoffe. Aber wenn diese Initiative dazu führt, dass man in Europa weniger produzieren kann und dafür anderswo in der Welt mehr Wald gerodet werden muss und wir die fehlenden Produktmengen wieder importieren, dann ist für niemanden etwas gewonnen. Wenn, dann muss man es mit Verstand machen. Und da wäre die Neue Gentechnik eine Möglichkeit, Pestizide zu reduzieren.
Krön: Derzeit werden zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen für die Produktion von Tieren verwendet. Würden wir unsere Ernährungsgewohnheiten so ändern, wie es die Ärzte empfehlen, nämlich nur ein Drittel des Fleisches und der tierischen Produkte gegenüber dem heutigen Konsum essen, könnten wir mehr Platz für Insekten schaffen, mehr Blühstreifen und Hecken, Tümpel und Moore. Wir könnten alles auf Bio umstellen. Und Bio ist nicht immer weniger effizient. Die österreichischen Biolandwirte haben zum Beispiel beim Soja die gleichen Erträge wie die konventionellen.
Küntzle: Sieben Prozent weniger laut einer Studie der Boku (Universität für Bodenkultur in Wien, Anm.). Und im Schnitt haben wir in der Biolandwirtschaft 20 bis 30 Prozent geringere Erträge. Für dieselben Erträge brauchen wir also 30 Prozent mehr Fläche. Das ist sehr, sehr viel. Auf dieser Fläche könnte ich auch einen Wald wachsen lassen, der ist fürs Klima viel wertvoller als das schönste Biofeld.
Krön: Herr Küntzle, Sie haben einen sehr statischen Blick auf die Welt.
Küntzle: Nein, gar nicht.
Krön: Weltweit gesehen sind 80 Prozent der Biolandwirte erst in den letzten zehn Jahren umgestiegen. In vielen Gebieten der Welt ist Bio etwas Neues. Ich bin sehr viel in Ungarn, Rumänien, Serbien unterwegs, da liegen die Bioanteile bei etwa einem halben Prozent. Da ist ein irrsinniger Lernprozess im Gange. Das dauert eben zehn Jahre, aber die Biobauern werden besser. Der Abstand zwischen konventionell und bio sinkt.
Herr Küntzle, müssen der Konsum tierischer Lebensmittel und die Lebensmittelverschwendung nicht sowieso sinken, weil wir sonst wirklich keine zehn Milliarden Menschen ernähren können?
Küntzle: Dass wir global weniger Fleisch essen sollten, ist vollkommen richtig. Nur: Die Pfeile zeigen in die andere Richtung. In China sind in den vergangenen Jahrzehnten bis zu 300 Millionen Menschen aus der Armut in die Mittelschicht aufgestiegen, und überall, wo die Menschen zum Glück mehr Wohlstand erfahren, konsumieren sie auch mehr tierische Produkte. Ich kann mir natürlich das Gegenteil wünschen, aber: Die Welt ist einfach kein Wünsch-dir-was.
Krön: Allerdings essen wir auch deswegen so viel Fleisch, weil es so billig ist. Ich bin jetzt 53 Jahre alt, und seit meiner Geburt kostet das Schnitzel in Österreich gleich viel. Während das Brot um 800 Prozent teurer geworden ist und das Gemüse um 500 Prozent. Wir subventionieren die Landwirte dafür, dass sie billiges Getreide und Mais erzeugen, die dann den Tieren verfüttert werden. Fleisch ist also das höchstsubventionierte Produkt in Europa.
Herr Krön, Sie glauben sogar, dass Peak Meat bald bevorsteht, also der Zeitpunkt, ab dem der globale Fleischkonsum sinken wird. Was macht Sie so optimistisch?
Krön: Es wird hauptsächlich aus ethischen Gründen dazu kommen. Lange Zeit haben wir große Landgüter mit Sklaven betrieben. Ohne Sklaven, hieß es, könne man die Welt nicht ernähren. Im 18. Jahrhundert hat man darüber zu diskutieren begonnen, Europa hat Produkte aus Sklavenhaltung boykottiert. Man führte eine zertifizierte Sklavenhaltung ein: ein Sklave weniger pro Zimmer. Religiöse Betreuung, ein Tag Ausgang pro Woche. Es gibt da also große Parallelen zum Tierschutz. Ich vergleiche bewusst nicht die Tierhaltung mit der Sklavenhaltung, aber schon einmal haben rein ethische Gründe die Landwirtschaft massiv verändert. Und jetzt stehen wir am Beginn einer Entwicklung, in der Tiere Personenrechte bekommen. Schon gibt es Diskussionen, ob Schimpansen Sachwalter bekommen sollen.
Aber was ist mit der Tendenz, dass global gesehen Menschen mit zunehmendem Wohlstand mehr Fleisch essen?
Krön: Das ist nicht zwingend so. Sprechen Sie heute mit jungen Menschen, ganz viele finden, dass man Tiere nicht mehr einfach nutzen und töten darf. Meine Frau stammt aus China, dort findet die gleiche Entwicklung statt. Die reichen Japaner nehmen nur ein Zehntel ihrer Kalorien aus tierischen Produkten zu sich.
Kommen wir zum Streitthema Pestizide. Herr Küntzle, Sie brechen eine Lanze für Glyphosat. Warum?
Küntzle: Es ist natürlich einfach zu sagen, ich will das nicht, weg damit. Aber dann muss ich auch sagen, wie ich es ersetzen kann. Beispiel ÖBB: Die haben sich groß auf die Fahnen geschrieben, kein Glyphosat mehr zu verwenden. Wegen der Sicherheit des Fahrbetriebs müssen sie ihre Gleisanlagen frei von Bewuchs halten. Aber jetzt verwenden sie einfach vier andere Herbizide, von denen zumindest eines akut toxischer ist als Glyphosat. Was ist damit gewonnen?
Ist Glyphosat also doch das kleinere Übel, Herr Krön?
Krön: Glyphosat ist zwar besser als andere Mittel, die vorher gespritzt wurden. Aber es ist ein Totalherbizid, es tötet alle Pflanzen mit Ausnahme derer, die spezifisch dagegen resistent sind. Und ich habe viele Freunde in Argentinien und Brasilien, dort kann man nach 30 Jahren die Probleme gut beobachten.
Welche?
Krön: Der Glyphosatverbrauch pro Hektar ist massiv gestiegen. Die Versprechungen der Gentechnik, den Pestizidverbrauch zu reduzieren, haben also nur am Anfang gestimmt. Viele Unkräuter können mit Glyphosat nicht mehr bekämpft werden, weil sie resistent geworden sind.
Herr Küntzle, Sie werfen NGOs und Medien vor, dass sie schwarz-weiß malen. Aber neigen Sie nicht selbst zur Polemik, wenn Sie schreiben, Koffein sei 13-mal giftiger als Glyphosat? Wenn ein Insekt den Kaffeestrauch anknabbert, erklären Sie, tötet oder lähmt das Koffein das Insekt.
Und die Dosis, die im Tierversuch die Hälfte der Tiere tötet, sei beim Glyphosat 13-mal höher als beim Koffein. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Küntzle: Dieser Vergleich soll veranschaulichen, dass Glyphosat nicht das Horrorgift ist, als das es oft bezeichnet wird. Natürlich vereinfache ich auch, ein Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung. Aber dass ich differenzierter unterwegs bin als manche NGO, kann ich guten Gewissens behaupten. Denn im Gegensatz zu den NGOs, die generell Pestizide verbieten wollen und Gentechnik als schlecht empfinden, zeige ich die Vor-und Nachteile der Dinge auf.
Laut Weltgesundheitsorganisation ist Glyphosat wahrscheinlich krebserregend.
Küntzle: Alle Zulassungsbehörden der Welt haben gesagt, dass es bei ordnungsgemäßer Anwendung nicht krebserregend ist.
Wobei etliche Forscher kritisieren, die von den Herstellern eingebrachten Studien würden die wissenschaftlichen Kriterien nicht erfüllen. Und wenn wir auf die Ökologie schauen: Es birgt doch offensichtlich hohe Risiken, wenn Pestizide, also Mittel, die Organismen töten, in die Umwelt ausgebracht werden, dann in Böden und Gewässern auftauchen und in Wechselwirkung zueinander treten.
Küntzle: Die EU-Behörden kontrollieren, wie in der Medizin, die Einhaltung wissenschaftlicher Kriterien. Risiken gibt es überall im Leben.
Aber manches muss sein und manches nicht.
Küntzle: Dass Pflanzenschutzmittel sein müssen, kann ich allein an der Tatsache ablesen, dass im Jahr 2020 43 Prozent aller in Österreich verkauften Wirkstoffe biokonform waren. Das ist auch so eine Geschichte, die mich massiv stört: Nahezu jeden Tag finde ich Berichte, in denen behauptet wird, in der Biolandwirtschaft würden keine Pestizide eingesetzt. Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr.
Krön: Das heißt aber nicht, dass 43 Prozent aller Pestizide in der Biolandwirtschaft ausgebracht werden.
Küntzle: Das habe ich auch nicht gesagt.
Krön: Und in der Biolandwirtschaft werden deutlich weniger Mittel, geringere Mengen und deutlich weniger gefährliche Mittel eingesetzt.
Küntzle: Im Obst-und Gemüsebau fahren die Landwirte zum Teil sogar öfter mit der Spritze raus. Kupfer zum Beispiel, ein weitverbreitetes Biopestizid, muss ich immer wieder neu ausbringen, weil es der Regen auswäscht. Und dieses Mittel schädigt wie Glyphosat Wasserorganismen.
In Summe gelten aber die chemischsynthetischen Pestizide, die in der konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind, als schädlicher als die für den Biolandbau zugelassenen. Das sagt auch Johann Zaller, Zoologie-Professor und Pestizidexperte an der Boku: Von 389 Wirkstoffen, die er analysiert hat, seien 22 hochtoxisch für den Menschen. Keines davon sei ein Biomittel.
Küntzle: Es mag ja sein, dass konventionelle Pestizide zum Teil toxischer sind als Biopestizide. Tatsache ist: Auch bei den konventionell erzeugten Produkten liegen die Konzentrationen weit unter jedem Gefahrenpotenzial. Dass wir nicht alle schleichend vergiftet werden, beweist doch schon die Tatsache, dass wir immer älter werden.
Krön: Wobei die Lebenserwartung in Österreich sinkt.
Küntzle: Weltweit gesehen steigt sie.
Herr Krön, bei Donau Soja müssen die Bauern ohne Gentechnik auskommen. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Krön: Weil die Bevölkerung in Europa massiv gegen Gentechnik ist. Und laut der Statistik der UN-Ernährungsorganisation FAO haben die österreichischen Landwirte zum Beispiel beim Soja die gleichen Erträge wie Landwirte in Brasilien oder den USA. Obwohl diese Gentechnik einsetzen.
Sie lehnen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft nicht prinzipiell ab?
Krön: Na ja, ich bin mit gentechnisch veränderten Impfstoffen geimpft. Es wäre Blödsinn, eine Technologie zu verdammen. Aber Gentechnik führt sehr oft dazu, dass an den Standort nicht angepasste Pflanzen angebaut werden. Ob die Grüne Gentechnik ihre Versprechungen in Zukunft erfüllt, kann man noch nicht sagen. In den letzten 30, 40 Jahren hat sie sie nicht erfüllt. Es wurde eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes versprochen.
Küntzle: Die ist sehr wohl erfolgt. Dass die Versprechen nicht eingehalten wurden, ist so ein Stehsatz der NGOs, der den Fakten komplett widerspricht. Es gibt eine Metaanalyse über circa 140 Einzelstudien aus Deutschland, finanziert vom deutschen Entwicklungshilfeministerium und der EU. Ergebnis: Über alle Gentechniksorten ist der Pestizideinsatz um 37 Prozent gesunken. Der Ertrag hat sich um 22 Prozent erhöht, und die Einkommen der Landwirte sind gestiegen. Neben der Herbizidresistenz gibt es ja auch die BT-Technologie. Sie führt dazu, dass die Pflanze ein Insektizid selbst produziert; es braucht also nicht mehr ausgebracht zu werden und schadet nur jenen Insekten, die diese Pflanze anknabbern. Das nützen etwa Baumwollbauern in Indien und Maisbauern in den USA.
Krön: Viele Menschen haben das Gefühl, die Landwirtschaft sei zu weit gegangen. Die Gentechnik ist ein Symbol dafür. Es gab ja Fortschritte im Züchtungsbereich, aber die lassen sich nicht unendlich weiterspinnen. Bei Soja gibt es jetzt Sorten mit 50 Prozent Eiweiß, früher waren es 38 Prozent. Irgendwann haben wir 70 Prozent, aber da sind dann keine anderen Nährstoffe mehr drin.
Küntzle: Sie sagen zu Recht, die Leute haben das Gefühl, die Landwirtschaft sei zu weit gegangen. Und das ist sie sicher auch an der einen oder anderen Stelle. Aber so wichtige Entscheidungen dürfen nicht allein auf Gefühlen basieren. Der Weltklimarat schreibt an mehreren Stellen, dass die nachhaltige Intensivierung notwendig ist. Und Gentechnik ist ein Werkzeug, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen.
Herr Küntzle, wie werden unsere Supermärkte und Speisepläne in 50 Jahren aussehen?
Küntzle: In Europa wird vermutlich weniger Fleisch gegessen werden, komplett darauf verzichten werden wir aber nicht.
Werden Sie dann vielleicht Mehlwürmer und Schnecken essen?
Küntzle: Sag niemals nie. Wenn der Insektenburger schmeckt, warum nicht?
Herr Krön?
Krön: Die Niederländer, Dänen und Kanadier investieren gerade wie verrückt in pflanzliche Ernährung. Da werden ganz neue, tolle Produkte kommen. Bei uns schläft man da noch ein bisschen. Ich sage jetzt voraus: In 50 Jahren wird in Österreich die Produktion von Nutztieren verboten sein, und wir werden in der Kronen Zeitung, so es sie noch gibt, oder im Falter Inserate sehen: "Fliegen Sie zum Grillen nach Namibia, dort ist es noch erlaubt."