von Elias Hirschl
ISBN: |
9783552072480 |
Genre: |
Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945) |
Umfang: |
256 Seiten |
Format: |
Hardcover |
Erscheinungsdatum: |
23.08.2021 |
Verlag: |
Zsolnay, Paul |
Preis: |
€ 22,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags:
Was, wenn man sich ein perfektes Leben wie eine zweite Haut überziehen könnte? Willkommen bei Austrian Psycho
Stundenlang übt er vor dem Spiegel seinen Gang, sein Lächeln, seine Art zu sprechen. Julius Varga, der Parteichef, ist das ganz große Idol des namenlosen Erzählers. „Ich gebe mich für dich auf, Julius. Ich liebe dich.“ In seiner Abwesenheit gießt er seine Zimmerpflanzen, als ob dies ein Staatsakt wäre. Auf einer unteren Ebene dient der Erzähler der Partei und eifert seinem Vorbild nach. Er ist besessen von Marken und Äußerlichkeiten und der Ästhetik von Terroranschlägen. Elias Hirschls neuer Roman ist ein großer Wurf und ein Vergnügen. Das wahnwitzige Porträt der Generation Slim Fit: jung, schön, intelligent, reich, oberflächlich und brandgefährlich.
3 Fragen von Bettina Wörgötter an Elias Hirschl
Herr Hirschl, was fasziniert Sie an der Generation Slim Fit, die Sie in Ihrem Roman "Salonfähig" porträtieren?
Die Generation der Slim-Fit-Politiker drückt für mich eine Art Zuspitzung und Perfektionierung der politischen Rhetorik aus. Ich stell mir das gern wie beim Skispringen vor, wo zu Beginn noch verschiedenste Sprungtechniken ausprobiert worden sind, da wurde mit den Armen gerudert, angelegt, abgespreizt, bis sich schließlich eine einzige Sprungtechnik durchgesetzt hat, die dann nur noch verfeinert und perfektioniert wurde. Wie beim Skispringen werden die politischen Protagonisten immer jünger, ihre Kampfanzüge werden immer aerodynamischer und ihre Ausdrucksweise verengt sich auf einen sehr spezifischen, schmalen Rhetorikstil der völlig entleerten Phrasendrescherei, durch den jedes echte Gespräch schon im Ansatz verhindert wird. Und die Tatsache, dass letztendlich keine politisch interessierten Menschen an der Spitze landen, sondern nur noch diejenigen, die diesen spezifischen Stil der leeren Rede am besten beherrschen, die keine einzige interessante Idee hervorbringen, aber die Kunst der Bewegung perfektioniert haben, fasziniert mich und macht mir auch ziemliche Angst. Da fehlen im Grunde nur noch die Sponsorenlogos auf der Krawatte.
Was fasziniert Sie an Maskulinität?
Im Buch wird toxische Männlichkeit auf verschiedene Arten geschildert. Vor allem die hierarchischen Strukturen in der Jungen Mitte und der Mutterpartei Mitte Österreichs sind stark patriarchal geprägt. Mich fasziniert hier vor allem dieses intrinsische Leistungsdenken, das jeden Aspekt der neoliberalen Politik durchzieht. Der Mensch ist nur dann etwas wert, wenn er etwas aus eigenem Antrieb schaffen kann. Jeder Mensch definiert sich nur durch die ihm zugewiesene Rolle, jeder bemisst seinen eigenen Selbstwert an dem, was er leistet. Dadurch entfremden sich alle Figuren voneinander, weil es nicht mehr um den Menschen geht, sondern nur noch darum, was man von einem Menschen bekommen kann, welche Positionen, Kontakte oder finanziellen Mittel man von jemandem bekommen kann. Damit einher geht auch die falsche Prämisse, alle Menschen hätten dieselben Startbedingungen und seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich, wodurch sich als Machthaber angenehm jede Verantwortung von sich weisen lässt. Mich fasziniert vor allem auch, wie dieser Leistungswahn, der ja dem angeblichen christlich-sozialen Leitgedanken der Partei völlig zuwiderläuft, schließlich in einer Art parareligiösen, rituellen Verehrung dieses ominösen Konstrukts der „Leistung“ mündet, als wäre sie eine Art Gottheit, zu deren Zweck alles geschieht.
Was fasziniert Sie an Satire?
Satire widersetzt sich der Forderung, eine Aufgabe erfüllen zu müssen, denn Kunst und Satire sind ja, wie wir dank Corona wissen, nicht systemrelevant. Aber das Gute daran, nicht systemrelevant zu sein, ist, dass man auch nicht an spezifische Erwartungen gebunden ist. Satire kann daher alles Mögliche tun. Und was Satire hervorragend tun kann, ist, versteckte Strukturen, vor allem Machtstrukturen sichtbar zu machen, und diese auf eine Art zu entlarven, dass sie etwas von ihrem Schrecken einbüßen, dass man zumindest darüber lachen kann. Salonfähig ist auch der Versuch zu zeigen, was vom politischen Menschen übrig bleibt, wenn man den Menschen herausschält und nichts als die rhetorische Struktur zurückbleibt, und was vom Leistungsdenken zurückbleibt, wenn man diese Idee auf die Spitze treibt und den Wert eines Menschen tatsächlich nur noch an seiner Produktivität bemisst. In beiden Fällen bleibt letzten Endes nichts zurück als eine reine Projektionsfläche, losgelöst von jeder Emotion und jeder Menschlichkeit, unfähig zu Mitgefühl, Interesse oder echter Anteilnahme.