Besorgte Psychiater brechen mit Berufsethos.
Zwar sind Ferndiagnosen über den Geisteszustand unter Psychiatern eigentlich verpönt. Dazu kommt eine ethische Verpflichtung, sich nicht ohne deren Einverständnis über Menschen des öffentlichen Lebens zu äußern. In Bezug auf Donald Trump aber haben schon einige Experten mit diesen Grundsätzen gebrochen - aus Sorge darüber, was er als Präsident anrichten kann.
"Wenn wir als Psychiater von der besonderen Gefahr wissen, die von Trump ausgeht, und darüber nicht sprechen, wird die Geschichte nicht gut über uns urteilen", sagte der US-Psychologe John Gartner. Er gehört zu 27 teils höchst renommierten Fachleuten, die in dem Band "The Dangerous Case of Donald Trump" ein Bild von Trumps Persönlichkeit zeichnen - und zu besorgniserregenden Ferndiagnosen kommen.
Preis: |
€ 20,60 |
Verlag: |
Rowohlt |
Genre: |
Politik & Geschichte |
Erscheinungsdatum: |
19.02.2018 |
Rezension aus FALTER 3/2018
Being Donald Trump
Michael Wolffs „Fire and Fury“ blickt erstmals hinter die Kulissen der Trump-Administration und gehört unbedingt gelesen
Mit der Drohung von „Fire and Fury“, „Feuer und Wut“, hatte Donald Trump Nordkorea einen Atomschlag in Aussicht gestellt. Wie man in dem Buch erfährt, ohne jede Planung. Den Slogan hat sich der Journalist Michael Wolff für seinen Thriller über Wahnsinn und Chaos im Weißen Haus ausgeborgt. Der Autor hatte über viele Monate direkten Zugang zum engsten Umkreis des Präsidenten. Er kommt aus dem rechten Biotop der Medienwelt New Yorks. Sein Bericht, wonach ausnahmslos alle Trump-Mitarbeiter zur Überzeugung gekommen sind, dass der Präsident psychisch gestört und ungeeignet für sein Amt ist, ist eine politische Bombe mit ungeahnter Sprengkraft.
Michael Wolff erlaubt es seinen Lesern quasi als Mäuschen hinterm Vorhang bei geheimen Strategiebesprechungen, lautstarken Schreiduellen und beinharten Intrigen um den mächtigsten Mann der Welt dabei zu sein. Mit 200 Verwandten, Freunden und Bekannten des Präsidenten hat der Reporter gesprochen, zumeist im Hintergrund, häufig auch zitierfähig „on the record“.
Trump denunziert das Buch als Fiktion voller Fake News. Aber er scheiterte beim Versuch, die Auslieferung zu blockieren. Abgesehen von Flüchtigkeitsfehlern konnte kein Gesprächspartner bisher behaupten, dass er falsch zitiert wurde. Amerika nimmt das von Wolff gezeichnete Sittenbild ernst. Trump erscheint jetzt als „wahnsinniger König“, sagt der Politikwissenschaftler Tyson Baker vom Aspen Institute in Episode 20 des FalterRadios.
Mit „Fire and Fury“ meint Michael Wolff den totalen Krieg gegen das Establishment, den Trump seinen Wählern versprochen hat, den aber nur eine Fraktion im Weißen Haus wirklich führen will. Die Folge ist ein erbarmungsloser Kampf zwischen dem rechtsradikalen Chefstrategen Steve Bannon als Vertreter der Wutbürger und der auf Respektabilität bedachten Familienfraktion um Tochter Ivanka und Schwiegersohn Jared Kushner.
Gemeinsam ist den verfeindeten Lagern, dass sie von einem Sieg Hillary Clintons überzeugt waren. Trump wollte nach der Niederlage eine Kampagne gegen gestohlene Wahlen starten und einen neuen rechten Fernsehsender gründen. Der überraschende Erfolg ist der Anfang des nicht enden wollenden Chaos um den weder mental noch politisch zum Regieren geeigneten Showman.
Penibel listet Wolff die Kraftausdrücke auf, mit denen hohe Regierungsvertreter den Chef bedenken: „fucking moron“, „Volltrottel“ (Außenminister Rex Tillerson), „idiot“ (Finanzminister Steven Mnuchin), „dumb as shit“, „dumm wie Scheiße“ (Wirtschaftsberater Gary Cohn), „dope“, „Trottel“ (Sicherheitsberater H.R. McMaster). In den USA gebietet die Hochachtung vor dem Amt selbst den Gegnern einen respektvollen Umgang mit dem Präsidenten. Das Tollhaus um Trump hat diese Tradition beendet.
In Wolffs Darstellung glaubt Rechtsaußenmann Bannon mit Hilfe Trumps das gesellschaftliche Ruder herumreißen zu können. Staatsausgaben und Steuern herunter, Ausländer raus, Umweltgesetze und Gesundheitsregeln außer Kraft setzen, das ist sein Programm. Das Amerika des weißen Proletariats soll wieder die Oberhand bekommen. Aber Trump ist kein Ideologe, sondern ein Pragmatiker, der auch von den konservativen Eliten geliebt werden will. Über ihm schwebt das Damoklesschwert einer mysteriösen Verbindung zu Russland und Wladimir Putin. Die Ermittlungen des Sonderstaatsanwaltes Mueller gelten als die größte Bedrohung für die Präsidentschaft.
Der Rest der Welt spielt eine bescheidene Rolle. Die Revolution findet nur auf Twitter statt. In Krisensituationen schlägt sich der Präsident auf die Seite der Militärs, die Abenteuern abhold sind. Ein Drittel der Amerikaner hält eisern zu Trump. Michael Wolff bietet einen Bericht über die obersten Etagen des Nationalpopulismus in Amerika, der verstörend und spannend zugleich ist.
Dazu passend auch das Buch