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UNO statt OECD?

Die internationale Steuerpolitik wird seit Jahrzehnten in der OECD, dem Club der In­dus­trie­staaten, ver­han­delt - ob­wohl diese kein glo­ba­les Ver­hand­lungs­forum ist. (1) Es ist da­her wenig über­raschend, dass viele inter­natio­nale Steuer­regeln die Inter­es­sen der In­dus­trie­natio­nen wider­spie­geln – und nicht jene der Schwel­len- und Ent­wicklungs­länder. (2) Doch das könnte sich in naher Zu­kunft ändern.

In einer bahnbrechenden UN-Resolution hat die Staaten­gemein­schaft Ende 2022 eine Stär­kung der UNO im Steuer­be­reich be­schlos­sen. Ein daran an­schließen­der Bericht von UN-Gene­ral­sekre­tär António Guterres vom Sept­ember 2023 for­dert un­miss­ver­ständ­lich, dass die glo­ba­len Steuer­regeln in der UNO fest­ge­legt wer­den sol­len. Damit könnten alle Län­der gleich­be­rech­tigt und ohne Ein­schrän­kun­gen die inter­natio­nale Steuer­poli­tik mit­ge­stal­ten. (3)

Bis zum 22. November wird auf UN-Ebene ein weite­rer Reso­lutions­ent­wurf der afri­ka­ni­schen Län­der dis­ku­tiert, der for­dert, bis 2025 eine rechts­ver­bind­liche UN-Steuer­kon­ven­tion aus­zu­ar­bei­ten. Dies wäre das erste wirk­lich glo­bale Ab­kom­men über die inter­natio­nale Zu­sam­men­ar­beit im Steuer­be­reich. 227 zi­vil­ge­sell­schaft­liche Or­gani­satio­nen und Ge­werk­schaf­ten aus 70 Län­dern – da­run­ter Attac, das VIDC und WIDE – for­dern ihre Re­gie­rungen in einem Brief auf, diese historische Chance für eine demokratische Steuerrevolution zu unterstützen.

EU setzt auf Verzögerungstaktik

Heftiger Widerstand gegen eine Stärkung der UNO kommt jedoch von der EU und anderen OECD-Staaten. Laut aktuellem Bericht der Financial Times (4) fordert die EU, anstelle der UN-Steuerkonvention lediglich Optionen für die internationale Zusammenarbeit zu prüfen. Dies würde jedoch die Arbeit des Guterres-Berichts nur wiederholen und den UN-Prozess um Jahre verzögern. Die EU-Verhandlungsposition widerspricht zudem der Posi­tion des EU-Par­la­ments, das eine UN-Steuer­kon­ven­tion unter­stützt.

Steuerregeln wurden viel zu lange hinter ver­schlos­se­nen Tü­ren be­schlos­sen

Internationale Kritik an dieser EU-Blockade kommt nicht nur von Ver­hand­lungs­teil­neh­mer­*innen in der UNO (5), son­dern auch von Attac, dem VIDC* und WIDE*: „Die EU will den UN-Pro­zess tor­pe­die­xren, um die glo­ba­len Steu­er­re­geln wei­ter in ihrem Inter­esse inner­halb der OECD zu ge­stal­ten“, kri­ti­siert David Walch von Attac Öster­reich. Im Ge­gen­satz zur OECD ver­lau­fen die Ver­hand­lun­gen in der UNO demo­kra­tisch und trans­pa­rent. Das stärkt die Rechen­schafts­pflicht ge­gen­über den Bür­ger­*innen und schwächt den Ein­fluss fi­nanz­star­ker Lobby­gruppen.

„Hunderte Milliarden Euro gehen den Staaten welt­weit durch Steuer­tricks von Kon­zer­nen ver­lo­ren. Mit­tel, die zur Be­kämp­fung der Klima­krise und zur Er­rei­chung der inter­natio­na­len Ent­wick­lungs­ziele (Sus­tain­able Develop­ment Goals) drin­gend be­nö­tigt wer­den. Es braucht ein ge­rech­tes glo­ba­les Steuer­sys­tem, in dem Steuer­miss­brauch und Steuer­be­trug end­lich wirk­sam im Inter­esse aller Län­der be­kämpft wer­den“, erklärt Martina Neuwirth vom VIDC. (6)

„Es braucht dringend ein inter­natio­na­les Ab­kom­men über die Zu­sam­men­ar­beit in Steuer­fra­gen für mehr Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit. In Zei­ten ex­tre­mer Un­gleich­heit und schwe­rer Kri­sen be­nö­ti­gen alle Staaten Mit­tel, um ge­gen­zu­steuern. Es wäre ge­rade frauen­po­li­tisch kontra­pro­duk­tiv, den UN-Pro­zess zu ver­zö­gern“, so Julia Günther, Obfrau von WIDE.

Sowohl die EU als auch Österreich sind da­her ge­for­dert, alle Be­mü­hun­gen für eine rechts­ver­bind­liche UN-Steuer­kon­ven­tion zu unter­stüt­zen, for­dern Attac, das VIDC und WIDE. „Viel zu lange schon wur­den die glo­ba­len Steuer­re­geln von der OECD hinter ver­schlos­se­nen Tü­ren be­schlos­sen“, er­klären Walch und Neuwirth.


*VIDC: Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation, https://www.vidc.org/
*WIDE: Entwicklungspolitisches Netzwerk für Frauenrechte und feministische Perspektiven, www.wide-netzwerk.at


(1) Die OECD besteht ledig­lich aus 38 Mit­glieds­län­dern, vor­ran­gig Indus­trie­natio­nen. Kei­nes der be­ste­hen­den inter­natio­na­len Steuer­ab­kom­men wurde je­mals welt­weit ge­bil­ligt.

(2) Bester Beweis dafür ist die Glo­bale Min­dest­steuer der OECD, die ab 2024 zu­nächst in der EU ein­ge­führt wird. Zwar hat die OECD auch Nicht­mit­glie­dern die Teil­nahme an den Ver­hand­lungen er­mög­licht, aller­dings wa­ren die­se da­bei keines­wegs gleich­be­rech­tigte Part­ner. Zu­dem konnten sie nur unter der Be­din­gung teil­nehmen, dass sie – ent­gegen ihren ei­ge­nen Inter­es­sen – bis­herige OECD-Re­form­ver­ein­ba­rungen im Be­reich der Kon­zern­be­steue­rung um­setzen. Kein Wun­der, dass letzt­lich zwei Drit­tel der ärms­ten Staaten nicht an den Ver­hand­lungen teil­nahmen.

(3) Der Guterres-Bericht präsentiert dafür drei Optionen:

  • eine rechts­ver­bind­liche multi­late­rale Steuer­kon­ven­tion
  • ein rechtsverbindliches Rahmen­über­ein­kommen über die inter­natio­nale Zu­sam­men­arbeit im Steuerbereich
  • ein freiwil­liger Rahmen für die inter­natio­nale Zu­sam­men­ar­beit im Steuer­be­reich.

Eine multi­late­rale Steuer­kon­ven­tion würde einen sta­bi­len Rechts­rah­men für die inter­natio­nale Zu­sam­men­ar­beit im Steuer­be­reich set­zen. Ein Rahmen­über­ein­kommen könnte – ähn­lich den UN-Klima­gip­feln – ein Forum schaf­fen, das die inter­natio­na­le Steuer­poli­tik kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­ent­wickelt. Ein frei­wil­li­ger Rahmen wäre sicher­lich die schwächste Option, die im Reso­lutions­ent­wurf der Afri­ka-Grup­pe ab­ge­lehnt wird.

(4) Financial Times: How­ever, nego­tia­tion docu­ments seen by the FT, showed that those re­pre­sen­ting the EU, along with other nations, had sought to row back from sup­por­ting even the volun­tary option pre­sen­ted by the secre­tary-gene­ral’s re­port. In­stead they have backed the crea­tion of a new wor­king group which would pro­pose alter­na­tive options for a UN role, and bring these back for dis­cus­sion at the 80th UN gene­ral as­sembly which starts in Sep­tem­ber 2025.

(5) Financial Times: “It is counterproductive and aimed at kicking the can down the road,” one of the develo­ping coun­try nego­tia­tors said of the sug­ges­tion. “They are try­ing to talk this to death and obs­truct the pro­cess,” another per­son with know­ledge of nego­tia­tions said.

(6) Laut „Global Tax Evasion Report 2024” des EU Tax Obser­va­tory wur­den 2022 trotz der OECD-Reform­be­stre­bungen (Base Ero­sion Profit Shif­ting, BEPS) welt­weit weiter­hin 1 Bil­lion US-Dol­lar an Kon­zern­steuern ver­mieden.


Rückfragen:
David Walch, Pressesprecher Attac Österreich
E-Mail: presse@attac.at
M: +43 650 544 00 01

Attac Österreich
Margaretenstraße 166/3/25
1050 Wien

Posted by Wilfried Allé Tuesday, November 14, 2023 12:47:00 PM
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