AZ-Neu

Die Informationsplattform für ArbeiterInnen, Angestellte, KMUs, EPUs und PensionistInnen

Umwelt und Strafen: Überlegungen zum Ökozid 

ISBN: 9783902968838
Verlag: Edition Konturen
Genre: Recht/Internationales Recht, Ausländisches Recht
Format: Taschenbuch
Umfang: 60 Seiten
Erscheinungsdatum: 09.03.2023
Preis: € 12,00
Kurzbeschreibung des Verlags

Anhaltend hohe globale CO2-Emissionen, Arten­sterben, Ver­schmutzung der Welt­meere, Ab­holzung der Regen­wälder. Beim Thema Um­welt­schutz wird viel ge­redet und nur wenig ge­tan. Das liegt nicht nur an Staaten und Kon­zer­nen, son­dern letzt­lich auch an Men­schen, die in deren Namen han­deln. Da­her wird im­mer öfter die For­de­rung laut, bei „Ver­brechen gegen die Um­welt“ auch Einzel­per­sonen stra­fen zu kön­nen – wie das be­reits bei schwe­ren Men­schen­rechts­ver­letzungen mög­lich ist.

Rezension von Jakob Pflügl im derstandard

Sollen Staatschefs für Umwelt­ver­brechen ins Ge­fäng­nis?

Im seinem Buch "Überlegungen zum Ökozid" be­schäf­tigt sich Völker­recht­ler Ralph Janik mit der Ver­ant­wor­tung für Umwelt­ver­bre­chen mit glo­ba­len Aus­wir­kungen.

Als der britische Journalist und Autor Philippe Sands im Jahr 2021 den Straf­tat­be­stand des "Öko­zids" ent­wickelte, hatte er vor allem ein Ziel vor Au­gen: eine brei­te Dis­kus­sion da­rü­ber an­zu­stoßen, ob ein­zelne Staats­chefs für Um­welt­ver­brechen zur Ver­ant­wor­tung ge­zo­gen wer­den sol­len. Mit seinem Essay "Um­welt und Stra­fen: Über­le­gun­gen zum Öko­zid" hat sich der Wie­ner Völker­recht­ler Ralph Janik nun die­ser Dis­kus­sion an­ge­nom­men.
In seinem Essay skizziert Janik, wie sich das in den letz­ten Jahr­zehnten zu­neh­mend än­der­te. Seit der Grün­dung inter­natio­naler Straf­ge­richte rich­tet sich der Fo­kus auf der Täter­seite nicht mehr nur auf Staaten und Ins­ti­tutio­nen, son­dern auch auf ein­zel­ne Per­so­nen. Auf der Opfer­seite er­kennt das Völ­ker­recht die Um­welt zu­neh­mend als Sub­jekt mit ei­ge­nen Rech­ten an. Bei­de Ent­wick­lun­gen könn­ten in ei­nem Öko­zid-Tat­be­stand mün­den.

Dazu kann man bereits diese Peti­tion unter­schreiben:

https://secure.avaaz.org/campaign/e...c/?cTgsfjb

Posted by Wilfried Allé Saturday, April 29, 2023 9:35:00 PM Categories: Recht/Ausländisches Recht Recht/Internationales Recht
Rate this Content 1 Votes

Wandern mit Kindern 

Die 30 schönsten Tagesausflüge rund um Wien

EAN 9783854397007
Verlag: Falter Verlag
Reihe: Kultur für Genießer
Umfang: 256 Seiten
Erscheinungsdatum: 17.04.2023
Preis: € 29,90

 

Kurzbeschreibung des Verlags
So sind Familien-Wandertage auch für den Nachwuchs spannend

30 Routen, die alle öffentlich erreichbar sind und sich per­fekt für Tages­aus­flüge eig­nen. Das Buch be­schrei­tet keine aus­ge­tre­te­nen Wege, son­dern unter­nimmt Spa­zier­gän­ge am Was­ser und im Wald, steigt auf (nicht all­zu hohe) Gip­fel und er­forscht Fleder­maus­höhlen. Die hier be­schrie­benen Wan­de­rungen sind für Kin­der von 4 bis 14 Jahren ge­eig­net und bie­ten jede Men­ge Attrak­tio­nen: Wild­parks, Sonder­züge, Bur­gruinen, kinder­freund­liche Museen so­wie viele Mög­­lich­kei­ten zum Plan­schen, For­schen und Spie­len. Neben den Routen­be­schrei­bungen fin­den Kin­der hier auch Sa­fa­ris, die zur Er­for­schung der Natur ein­laden, Sagen zum Nach­lesen und zum Thema pas­sende Re­zepte für eine ge­sunde Jause zum Nach­kochen.

Das Autorenteam Katharina Bliem und Peter Hiess, das be­reits an dem Buch „Wan­dern im Wald­vier­tel“, eben­falls aus dem Falter Ver­lag, mit­wirkte, will mit dem ak­tuel­len Werk Kin­der von 4 bis 14 Jah­ren da­zu mo­ti­vie­ren, Smart­phone und Com­puter­spiele zu Hause zu las­sen und in die Na­tur auf­zu­brechen. Es wer­den nicht nur die Wan­der­routen und Attrak­tionen – Burg­ruinen, kin­der­freund­liche Mu­seen so­wie viele Orte zum Plan­schen, Spie­len und For­schen – aus­führ­lich und kind­ge­recht prä­sen­tiert, son­dern Leser:­innen fin­den in die­sem Buch auch Sagen zum Nach­lesen, „Sa­faris“ zum Er­kun­den der Na­tur und Re­zepte zum Sel­ber­machen.

Jede der 30 abenteuerlichen und land­schaft­lich schö­nen Rou­ten ent­hält eine Karte mit ein­ge­zeich­ne­tem Strecken­ver­lauf so­wie Hin­weise zu An- und Rück­fahrt, Ein­kehr- und Pick­nick­mög­lich­keiten, Spiel­plätzen und be­son­de­ren At­trak­tio­nen. GPS-Da­ten zu den Wan­de­rungen ste­hen eben­falls zur Ver­fügung.
 

Pressetext

So sind Familien-Wander­tage auch für den Nach­wuchs span­nend: „Wan­dern mit Kin­dern“ stellt 30 Rou­ten in Wien und Um­ge­bung vor, die alle öffent­lich er­reich­bar sind und sich per­fekt für Tages­aus­flüge eig­nen. Die Wan­de­rungen füh­ren El­tern mit Kin­dern in die Donau­auen, ins Wein­vier­tel, in die Wa­chau, auf Sem­me­ring und Schnee­berg, in den Wie­ner­wald und bis an die Ost­gren­ze Öster­reichs.

Das Autorenteam Katharina Bliem und Peter Hiess, das be­reits an dem Buch „Wan­dern im Wald­vier­tel“, eben­falls aus dem Falter Ver­lag, mit­wirkte, will mit dem ak­tu­el­len Werk Kin­der von 4 bis 14 Jah­ren da­zu moti­vie­ren, Smart­phone und Com­puter­spie­le zu Hause zu las­sen und in die Na­tur auf­zu­bre­chen. Es wer­den nicht nur die Wander­rou­ten und Attrak­tio­nen – Burg­ruinen, kin­der­freund­liche Mu­seen so­wie viele Orte zum Plan­schen, Spie­len und For­schen – aus­führ­lich und kind­ge­recht prä­sen­tiert, son­dern Leser­:innen fin­den in die­sem Buch auch Sa­gen zum Nach­lesen, „Safaris“ zum Er­kun­den der Na­tur und Re­zep­te zum Selber­machen.

Das Buch informiert über die richtige Vor­be­rei­tung zum Wan­dern mit Kin­dern, stellt inter­es­sante Plätze vor, führt auf (nicht all­zu hohe) Gip­fel und in Tropf­stein- und Fleder­maus­höhlen. Fa­mi­lien ha­ben die Mög­lich­keit, Wild- und Natur­parks zu ent­decken, durch Natio­nal­parks zu wan­dern, mit Fäh­ren über die Do­nau zu fah­ren und den Fluss auch auf einer Stau­stufe zu über­queren.

Jede der 30 abenteuerlichen und land­schaft­lich schö­nen Routen ent­hält eine Kar­te mit ein­ge­zeich­ne­tem Strecken­ver­lauf so­wie Hin­weise zu An- und Rück­fahrt, Ein­kehr- und Pick­nick­mög­lich­kei­ten, Spiel­plät­zen und be­son­de­ren Attrak­tionen. GPS-Daten zu den Wan­de­rungen ste­hen eben­falls zur Ver­fü­gung.

Über die Autor:innen

Katharina Bliem, in Wien geboren, stu­dier­te Publi­zis­tik und ar­beitet als Biblio­thekarin. Sie wan­der­te schon als Kind mit ihren El­tern – und spä­ter mit ihrem ei­ge­nen Sohn. Es ist ihr ein An­liegen, Kin­der weg vom Smart­phone und in den Wald zu bringen.

Peter Hiess ist Autor, Übersetzer und Wander­freund – und wohnt sicher­heits­halber schon in der Nähe des Zentral­fried­hofs. Er wan­dert seit sei­ner Kind­heit und neuer­dings auch mit (aus­ge­wähl­ten) Kin­dern gern in der Gegend um Wien.

Pressekontakt:
Sothany Kim
kim@falter.at
T: +43 1 53660 977

Posted by Wilfried Allé Saturday, April 22, 2023 11:36:00 AM Categories: Kultur für Genießer Wanderlust rund um Wien
Rate this Content 0 Votes

Anstandslos 

Demokratie, Oligarchie, österreichische Abwege

von Armin Thurnher

ISBN: 9783552072787
Verlag: Zsolnay, Paul
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 128 Seiten
Erscheinungsdatum: 20.03.2023
Sammlung: Armin Thurnhers Bücher
Preis: € 19,60
Kurzbeschreibung des Verlags:

Armin Thurnher, „einer der scharfsinnigsten Analy­ti­ker öster­reichi­scher Poli­tik“ (NZZ) über die Poli­tik Öster­reichs, von Sebastian Kurz über Kor­rup­tion zum Welt­unter­gang

„Die Welt steht auf kan Fall mehr lang“, heißt es in Nestroys be­rühm­tem „Kometen­lied“. Vieles von dem, was einst zum fes­ten Be­stand demo­kra­ti­scher Selbst­ver­ständ­lich­keiten zähl­te, scheint ab­ge­schafft zu wer­den. Wir wis­sen nicht mehr, was wir für wahr hal­ten sol­len. Ganz schnell löste sich etwa der fal­sche Glanz des kon­ser­va­ti­ven Hoff­nungs­trä­gers Sebastian Kurz auf in einer Wolke von Skan­da­len, Kor­rup­tion und dubi­osem Ge­fol­ge. Wäh­rend die mul­tip­len Kri­sen das Publi­kum aber voll­ends ver­un­si­chern, fin­det Kurz mühe­los An­schluss an jene Kreise um Donald Trump, die unser poli­ti­sches Sys­tem lie­ber heute als mor­gen über Bord wer­fen möch­ten.
In seinem neuen Buch son­diert Armin Thurnher die Lage und zeigt, dass der große Welt­unter­gang wie immer in Öster­reich seine kleine Ge­ne­ral­probe hält.

FALTER-Rezension:

Der Nuntius der Lüge

Armin Thurnher in FALTER 11/2023 vom 17.03.2023 (S. 16)

Lassen Sie sich nicht täuschen! Wenn hier von Sebastian Kurz die Rede ist und von An­stand, dann im­mer von der öffent­li­chen Per­son, vom poli­ti­schen Dar­stel­ler, vom Staats­schau­spie­ler Kurz. Er ist kör­per­sprach­lich und eris­tisch (recht­habe­risch, nicht zu ver­wech­seln mit rhe­to­risch) per­fekt ge­schult. Das ist hin­rei­chend unter­sucht, so­dass nie­mand in die Il­lu­si­on ver­fal­len muss, es handle sich um natür­liche Gaben der Selbst­dar­stel­lung oder der Be­red­sam­keit. Hier ist al­les Kunst, viel­mehr künst­lich, bis hin zum Sche­mel, den ihm bei Wahl­kam­pag­nen ein Be­glei­ter ans Redner­pult stellt, damit er größer wirkt, und an­schlie­ßend gleich wie­der weg­zieht und bis zu den Vor­gaben seines Kabi­netts, aus wel­chem Blick­winkel er zu foto­gra­fie­ren ist ("Blick­winkel leich­tes Pro­fil / nicht fron­tal / auf Augen­höhe"), wir ken­nen die Ver­trauen stif­ten­den Kör­per­hal­tungen und die seg­nen­den Ges­ten, die je­den Kar­di­nal vor Neid er­blas­sen las­sen.
Aber in dieser politischen Persona wurde von An­fang an ein poli­ti­sches Pro­gramm sicht­bar. Kurz machte nie ein Ge­heim­nis da­raus. Das Neue da­ran war die Ent­schlos­sen­heit, so ein Kon­zept durch­zu­zie­hen, voll­kom­men gleich­gül­tig ge­gen­über per­sön­li­chen Rück­sich­ten oder Um­stän­den oder gar Er­for­der­nis­sen des An­stands. Diese Ent­schlos­sen­heit ge­hört zur krie­ge­ri­schen Hal­tung einer Kaste, die Sieg will. Sie wird im Sport vorexerziert und eingeübt und hat nur ein Ziel: die Niederlage des Gegners, nein, des Feindes. Nicht von ungefähr cha­rak­te­ri­sier­te die Kurz-Trup­pe in­tern ihr kri­tisch ge­sinnte Me­dien als "Feind­medien". Man kennt die Rede auch aus dem Sprach­ge­brauch von Kon­zer­nen, die sich stets "im Krieg" mit an­deren be­finden, und aus dem Sport, wo "Mon­ster­men­ta­li­tät" mas­sen­wirk­sam ein­ge­übt und ge­for­dert wird.

Wer ist der Feind? Da ist ein­mal die re­prä­sen­ta­ti­ve Demo­kra­tie, am ver­achtens­wer­tes­ten in Ge­stalt des Sozi­al­staats. Da ist die Sozi­al­demo­kra­tie. Und das ist, was man im All­ge­mei­nen als den mo­der­nen Libe­ra­lis­mus be­trach­tet, das auf­ge­klärte Den­ken der Mo­derne, die plu­ra­lis­tische Ge­sell­schaft. Wa­rum nen­ne ich eine höchst ak­tu­el­le Figur wie Kurz anti­mo­dern? Weil man jene wirt­schaft­liche Mo­derne, auf deren Seite er sich ge­schla­gen hat, den neo­libe­ra­len Finanz­kapi­ta­lis­mus, nicht mehr zur Mo­derne, son­dern zu deren Fein­den rech­nen muss.

Die Interessen der Mächtigen laufen denen der Demo­kra­tie zu­wider. Der Real­kapi­ta­lis­mus ist vom Fi­nanz­kapi­ta­lis­mus ab­ge­löst wor­den. Das bringt ein neues Set von Ein­stel­lun­gen mit sich. Die lange Wel­le der neo­li­be­ra­len Pro­pa­gan­da hat die­se Ein­stel­lun­gen mit viel Geld und stra­te­gi­scher Aus­dauer in der Welt ver­brei­tet; der Sieg des Neo­libe­ra­lis­mus hat die ein­schlä­gige Men­ta­li­tät von Busi­ness-Schools und Wirt­schafts­eli­ten aus­ge­hend so tief ins all­ge­meine Be­wusst­sein ver­ankert, dass sich die meis­ten nicht ein­mal des­sen be­wusst sind, im Neo­li­be­ra­lis­mus zu leben. Das wäre, als hät­ten Ein­woh­ner der Sowjet­union nicht ge­ahnt, dass sie im Kom­mu­nis­mus leben.

Trotz dieser beinahe allgemeinen Ver­blendung sind in Euro­pa, vor al­lem in ei­nem Staat wie Öster­reich, die Be­har­rungs­kräfte des So­zial­staats noch längst nicht über­wun­den. Neue zi­vil­ge­sell­schaft­liche Or­ga­ni­sa­tio­nen stel­len sich aber nicht an die Sei­te des So­zi­al­staats, viel­mehr defi­nie­ren sie ihre ethi­schen Vor­stel­lun­gen iden­ti­täts­poli­tisch oder vor dem Hori­zont des Über­lebens der Gat­tung. Teile des­sen, was man einst so­zi­ale Be­we­gungen nannte, sind mit den Grünen un­ver­sehens in eine Koa­li­tion mit Kräf­ten ge­raten, die ihren Prin­zi­pi­en zu­wider­lau­fen.

Die sozialdemokratische Opposition wiederum tut sich immer schwerer, die Glaub­wür­dig­keit ihres En­gage­ments für Zivil­ge­sell­schaft und die unte­ren Klas­sen der Ge­sell­schaft dar­zu­tun, weil ihre Ex­po­nen­ten selbst in die Finanz­wirt­schaft stre­ben, als In­ves­to­ren oder ins Manage­ment bör­sen­no­tier­ter Ge­sell­schaf­ten. So fin­den wir eins­ti­ge Ar­beiter­führer als Freun­de der Oli­gar­chen wie­der, er­staunt da­rüber, dass die Mas­sen nicht mehr ihnen glau­ben, son­dern rechts­ex­tremen Agi­ta­toren, die ihnen ihre al­ten Pa­ro­len ge­stoh­len haben.

Den Gewerkschaften wiederum macht ihr Miss­trauen ge­gen neo­li­be­rale Prin­zi­pien eine Un­ter­stüt­zung echt li­be­ra­ler Ini­tia­tiven schwer, und sie unter­schät­zen das Flexi­bili­täts-und Frei­heits­be­dürf­nis der meis­ten Men­schen. Ihre Schutz­funk­tion sieht im Neo­li­be­ra­lis­mus aus wie rei­ne De­fen­si­ve und wird erst in der Krise at­trak­tiver; poli­tisch of­fen­siv wurde sie nicht.

Keine Angst, wir sind noch bei Sebastian Kurz. Was den Libe­ra­lis­mus der Angst be­trifft, genüge die kleine Er­in­ne­rung, mit wel­cher Lust er in der ers­ten Co­ro­na-Phase die da­mals ge­wiss not­wen­dige Rolle des schar­fen Mah­ners über­nahm und sie im Seiten­blick auf die Zu­stim­mung auto­ri­täts­gläu­bi­ger Kli­en­tel über­trieb.

Wir befinden uns in einer großen Aus­einan­der­set­zung, in der die pre­kä­ren Er­run­gen­schaf­ten der Demo­kra­tie, des Rechts und Sozi­al­staats, eine Öf­fent­lich­keit mit frei­er Mei­nungs­äuße­rung fun­da­men­tal an­ge­grif­fen wer­den, sicht­bar von außen durch Auto­kra­tien in­ner­halb und außer­halb der EU, am be­ein­dru­ckendsten von China und am grau­samsten von Russ­land. Weni­ger sicht­bar ist der An­griff von in­nen, von rechts, denn diese Aus­ein­ander­set­zung fin­det gleich­sam hin­ter ei­ner Nebel­wand statt. Die einen ver­mö­gen die Wand nicht zu öff­nen, die ande­ren kämp­fen da­rum, sie mög­lichst dicht zu ge­stal­ten.

Nur im Nebel wählen Menschen gegen ihre Interessen. Als Bei­spiel für die­sen Nebel kann die Aus­einan­der­set­zung von free speech die­nen. Das Pro­b­lem wurde in der di­gi­ta­len Welt des­wegen groß, weil die di­gi­ta­len Me­dien von An­fang an ge­setz­lich als Platt­for­men be­han­delt wur­den, das heißt: als Me­dien in einer rechts­frei­en Zone. Die 1996 unter dem fa­ta­len Libe­ra­li­sie­rer Bill Clinton be­schlos­sene Section 230 des Communi­cations Decency Act, eines US-Ge­set­zes ge­gen Porno­gra­fie im Netz, ent­las­tete die digi­ta­len Ver­breiter von der Ver­ant­wor­tung für die von ihnen ver­brei­te­ten In­halte. Dies ge­schah ex­pli­zit, um den Tech-Kon­zer­nen der USA einen glo­ba­len Wett­be­werbs­vor­teil ge­gen­über ana­lo­gen Me­dien zu ver­schaf­fen. Eine ver­blen­dete Linke sah die Ge­fah­ren zu­erst nicht und be­trach­te­te den Cyber­space als herr­schafts­freien Raum, in dem sie technik­ge­stützt ihre neue kosmo­po­li­ti­sche, egali­täre Ge­sell­schaft aus­brü­ten würde. Die Des­illu­sio­nie­rung war be­trächt­lich, als sich der herr­schafts­freie Raum doch als von Kapi­tal­inter­es­sen domi­niert heraus­stellte und die Sili­con-Valley-Ideo­lo­gie nicht welt­weite Be­freiung, son­dern bloß radi­ka­le Kom­mer­ziali­sie­rung der glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­tion im Sinn hat­te und sich als der tech­ni­sche Aus­druck des­sen heraus­stellte, was öko­no­misch Neo­li­bera­lis­mus, philo­so­phisch Nar­ziss­mus heißt, in der zu­tref­fen­den Inter­pre­ta­tion von Isolde Charim die Fähig­keit, ohne Zwang zu zwin­gen.

Der Staat hatte die Frage, was in einem Rechts­staat ge­sagt wer­den darf und was nicht, durch seine Regu­lie­rung pri­va­ti­siert. Da­mit schwäch­te er sich und über­ließ die Aus­ein­ander­set­zung ge­sell­schaft­lichen Grup­pen, die auf der Lin­ken zur cancel culture ten­dier­ten und zur Rech­ten zu einem miss­bräuch­li­chen Free-Speech-Radi­ka­lis­mus. (Es gibt auch ernst­ge­mein­ten Free-Speech-Radi­ka­lis­mus, wie ihn etwa der Lin­guist Noam Chomsky vertritt.)

So kommt es, um zum Nebel zurück­zu­kehren, dass Leute wie Donald Trump oder Elon Musk sich als Hel­den der Rede­frei­heit dar­stel­len kön­nen, der schöns­ten der bür­ger­li­chen Frei­heiten, ob­wohl ihnen der Sinn nach nichts an­derem steht, als den Rechts­staat zu­rück­zu­drän­gen, den Ga­ran­ten die­ser Frei­heiten. Er soll ihnen ihre Steuer­pri­vi­legien und ihre fet­ten Auf­trä­ge garan­tie­ren, sich aber nicht mit Ge­set­zen wich­tig­machen, die ihr Busi­ness be­hin­dern. Selbst­be­stim­mungs­recht für "die Wirt­schaft" - eine Art Wirt­schafts­demo­kra­tie, in der die (Medien-)kapital­be­sitzen­den über die an­deren be­stim­men. Auto­ri­tärer Kapi­ta­lis­mus, il­libe­rale Demo­kratie -wie immer man es nen­nen mag.

Meinungsfreiheit auf Europäisch und Rechts­staat­lich be­deu­tet, die Gren­zen die­ser Rede­frei­heit frei und mühe­los ein­kla­gen zu kön­nen. Diese Gren­ze ist das Ge­setz; durch die auch von Pro­gres­si­ven ver­tei­digte Nicht-Auf­find­bar­keit von Sprechen­den im Netz, die Ano­ny­mi­tät, lässt sich die­ses Ge­setz nur unter Mü­hen durch­setzen, die nicht alle auf sich nehmen kön­nen. Es ist also nicht mehr all­ge­mein gül­tig. Pro­tes­te ge­gen die­sen Zu­stand ha­ben da­zu ge­führt, dass das Regime der Selbst­kon­trol­le, für die Pres­se nach ähn­li­chen Pro­tes­ten in den USA der 1940er-Jahre ein­ge­führt, von den Social-Media-Kon­zer­nen wenigs­tens an­deu­tungs­weise an­ge­wen­det wird. Dies bleibt frag­wür­dig, weil Selbst­kon­trol­le der Will­kür der Kon­zerne über­las­sen wird.

Es ist Willkür, einem Lügner die Öffent­lich­keit zu ent­zie­hen, wenn er nichts Ge­setz­wid­ri­ges tut, eben­so wie es Will­kür ist, einen Lüg­ner vor dem Zu­griff des Ge­set­zes zu schüt­zen, wenn er an­deren Nach­teile zu­fügt. Die Will­kür der Tech-Kon­zerne führt zur Domi­nanz der poli­ti­schen Lüge. Oder führte die Lüge zur Will­kür?

Die Lüge wurde zum Mittel rechts­extremer Pro­pa­gan­da. Die von Mil­liar­dären fi­nan­zier­ten Me­dien der Alt-Right, wie das vom noto­ri­schen Steve Bannon ("Flood the zone with shit") ge­lei­tete Portal Breit­bart, ver­un­si­cher­ten die Öffent­lich­keit mit Des­in­for­mation. Dass ihre poli­ti­schen Ge­gen­spie­ler dies­be­züg­lich nicht un­schul­dig sind, ver­steht sich; aber die Wucht der Lü­gen der Rech­ten, an­ge­führt von Donald Trump, den Me­dien des Tycoons Rupert Mur­doch und der digi­ta­len Alt-Right-Publi­zis­tik, war nicht nur über­wäl­ti­gend, son­dern sys­te­ma­tisch. Das Auf­fäl­ligste und Neue an Trump war, dass er im Unter­schied zur Kon­kur­renz und sei­nen Vor­gän­gern un­be­küm­mert log. Von sei­ner größ­ten Lüge, die Wahl sei ihm ge­stoh­len wor­den, rückt er nach wie vor nicht ab.

Dieses unverschämte Lügenprinzip in Öster­reich hei­misch zu ma­chen, das war die größte Tat des Sebastian Kurz. Es be­gann mit der Fa­bri­ka­tion sei­ner Un­wider­steh­lich­keit mit ge­fälsch­ten Um­fra­gen und setzte sich fort bis zur from­men Lüge, er sei ab­ge­tre­ten, weil er sich seiner Fa­mi­lie wid­men wol­le. Durch­gehend zeigte er die ge­for­derte Monster­men­ta­li­tät. Diese Men­ta­li­tät stellt die Er­lan­gung und den Er­halt der Macht über die Gel­tung all­ge­meiner Regeln.

Demokratie beruht auf der Annahme, dass Dinge im öffent­lichen Dis­kurs so er­ör­tert wer­den, dass alle eine Chance haben, sich un­vor­ein­ge­nom­men ihre Mei­nung zu bil­den. Eine Fik­tion, ge­wiss, doch ist die Demo­kra­tie ins­ge­samt eine Fik­tion, die auf sol­chen An­nah­men be­ruht. Ein ge­wis­ses Maß an Selbst­kon­trol­le, Selbst­be­gren­zung, ja An­stand ist not­wendig, sol­len die demo­kra­tische Are­na und ihre Ins­ti­tu­tionen funk­tio­nieren. Wer­den die Spiel­re­geln miss­ach­tet, führt das zum Dik­tat der Stär­keren.

Man mag die österreichische Version des "disrupter", des "puer robustus", des star­ken Man­nes nicht als die er­kannt ha­ben, die sie war, weil sie in Maria­zell im Trach­ten­janker po­sier­te, sich mit ak­kurat be­ach­te­ter Tiefen­schär­fe und Farb­ge­bung im Alters­heim oder im trau­lichen Alpi­nisten­ge­wand beim Durch­strei­fen des Ge­birgs foto­gra­fie­ren ließ. Aber sie funk­tio­nier­te nach dem Prin­zip, un­sere Wer­te ste­hen hö­her als die der ande­ren. Wir er­rin­gen die Hege­mo­nie nicht mit bes­se­ren Ar­gu­men­ten, son­dern mit Ge­walt, mit dem Bre­chen von Re­geln, mit Lü­gen, mit Schwin­del.

Das sind etwas härtere Worte für das, was eupho­risch mit Mes­sage-Con­trol be­schrie­ben wird. Die­se kämpfte nicht nur an der Front der Bot­schaf­ten, sie zer­stör­te auch die Medien­land­schaft nach­haltig. Näm­lich da­durch, dass sie den kor­rup­tes­ten Boule­vard aus­gie­big fi­nan­zier­te; da­durch, dass sie den öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funk zu rui­nie­ren ver­suchte (nur Ibiza hatte dabei einen ver­zö­gern­den Ef­fekt); da­durch, dass sie das Privat­fern­sehen reich ali­men­tier­te (zu­fällig ist Anto­nella Mei-Pochtler Auf­sichts­rä­tin bei der ProSiebenSat.1-Grup­pe); da­durch, dass sie Feind­medien aus­trock­nete.

Die Gleichschaltung der Medien war das Ziel des Kurz-Regimes, er­klär­te sein Par­tei­ge­nos­se und Vor­gän­ger Rein­hold Mitter­lehner im Unter­suchungs­aus­schuss. Mit dem Mann, der in einem Chat mit dem ORF-Feind Heinz-Christian Strache von lauter "roten Zecken" im ORF re­dete, dem Inves­tor Alexan­der Schütz, ist Kurz nun ge­schäft­lich ver­partnert. Wie ein Satyr­spiel muten die gegen­sei­ti­gen Be­zich­ti­gungen von Sebastian Kurz und Thomas Schmid an, die sich in einem von Kurz auf­ge­zeich­neten und zum Zweck sei­ner Ent­las­tung von den Inse­raten­kor­ruptions­vor­wür­fen ge­führ­ten Tele­fo­nat mit Schmid zu einem Vor­text ge­gen­sei­ti­gen Schwin­delns auf­bauten, denn Schmid hatte die Ab­sicht des An­ru­fers er­fasst, so­dass das Pub­li­kum, dem die­ser denk­wür­dige Lügner­dia­log so­gleich über­mit­telt wurde, vor der alten Fra­ge stand, ob es dem Kreter glauben soll, der be­hauptet, dass alle Kreter lügen. Was man be­kannt­lich da­mit be­ant­wor­tet, dass man sich auf die Meta­ebene zu­rück­zieht und die bei­den Kreter von außen be­trach­tet. Aus dieser Per­spek­tive ver­steht man, dass Lügen einer­seits da­zu dient, das be­ste­hende Sys­tem zu kip­pen, und anderer­seits nur eine Form ist, die Auf­merk­sam­keit zu stei­gern.

Beides trifft idealtypisch bei dem neuen Twitter-Besitzer Elon Musk zu­sam­men. Er strebt mit der Wieder­zu­las­sung des von der Selbst­kon­trol­le aus­ge­schlos­senen Trump und sei­nem osten­ta­tiv dis­rup­ti­ven Ge­baren drei Dinge an: ers­tens als kom­mu­ni­ka­ti­ve Kraft zu mäch­tig zu wer­den, um re­gu­liert wer­den zu kön­nen; zwei­tens den bis­her, bei al­ler sys­te­misch an­ge­leg­ten Toxi­zi­tät, doch auch dis­kur­siv orien­tier­ten Mikro­blog­ging­dienst Twitter zu einer kom­plet­ten Cloud-App zu machen, digi­ta­le Kon­trol­le, Daten­an­häu­fung und Steue­rung des Publi­kums zwecks Er­hö­hung von Pro­fit und Macht in­klu­sive; und drit­tens das Ziel aller Nebel-und Lügen­poli­tik, bei al­lem gegen­tei­ligen Ge­rede über unter­neh­me­ri­sche Tu­gen­den und Risi­ko­freu­de vom Staat mas­sive Auf­träge und Sub­ven­tio­nen zu lu­krie­ren und gleich­zei­tig Ver­mögens­steuern zu ver­mei­den oder zu mini­mie­ren. Das Busi­ness heißt Über­wachungs­kapi­ta­lis­mus oder Cloud-Kapi­ta­lis­mus. Das klingt et­was wol­kig-un­ver­bind­lich, aber man kann schön be­schrei­ben, was Kurz mit ihm ver­bindet.

Es wurde oft bemerkt, dass der Cloud-Kapitalismus einige Wunder voll­bringt. Zum einen ver­an­lasst er uns da­zu, kos­ten­los zu ar­bei­ten, zum an­deren, dass er in uns Be­gier­den nach Din­gen er­weckt, die wir drit­tens dort, in der Cloud, gleich haben und kau­fen und auch be­zah­len wol­len, wo­für wir nicht nur mit Geld, son­dern auch mit un­seren Da­ten be­zah­len. Das vier­te Wun­der aber be­steht da­rin, all das nicht zu se­hen und die Vor­gän­ge auf der in­di­vi­dual­psycho­lo­gi­schen Ebe­ne zu be­las­sen. So ist das Inter­essante an der po­li­ti­schen Persona Kurz weni­ger die Tat­sache, dass sein Er­folg auch auf ge­konntem digi­ta­lem Mar­ke­ting be­ruhte; viel inter­es­san­ter sind die Wur­zeln sei­nes radi­kal dis­rup­tiven Han­delns.

Er rückte es nie in den Vordergrund, und auch seine Kri­ti­ker brachten sel­ten die Fäden zu­sam­men. Man­che wur­den erst nach dem Ende sei­ner po­li­ti­schen Lauf­bahn sicht­bar. Aber die Kon­tak­te zum neo­libe­ralen und cloud­orien­tier­ten Kapi­tal ent­stan­den von An­fang an durch seine Chef­be­ra­terin Mei-Pochtler. Sie war nicht nur im welt­wei­ten Execu­tive Commit­tee der Boston Con­sul­ting Group, sie lei­tete auch die Stab­stel­le für Stra­te­gie, Ana­ly­se und Pla­nung im Kanzler­amt, ver­ant­wort­lich für Öster­reichs "Digi­ta­li­sierungs­strate­gie" (im Bei­rat neben an­deren: Wire­card-Chef Markus Braun), sie ver­han­del­te in der ers­ten Koa­li­tion "Wirt­schaft und Ent­büro­kra­ti­sie­rung", und sie ver­mit­telte ge­mein­sam mit ihrem Mann, dem Indus­triel­len Christian Pochtler (seit 2020 eben­falls Auf­sichts­rat in einem ÖBAG-Unter­nehmen), für Kurz Kon­tak­te zu mäch­ti­gen Män­nern der Cloud-Indus­trie wie dem ehe­ma­li­gen Google-Chef Eric Schmidt, auf deren Ein­la­dung Kurz in den USA Ver­an­stal­tun­gen und Semi­nare be­suchte.

Dass Kurz sofort nach Ende seiner Tätigkeit im Kanzler­amt einen Job bei Peter Thiel er­hielt, darf man wohl eben­falls mit sol­chen Kon­tak­ten er­klä­ren. Thiel war der erste of­fen mit dem rech­ten Flü­gel der Repu­bli­ka­ner sym­pa­thi­sie­rende Sili­con-Valley-Tycoon, er be­riet auch Donald Trump und prä­sen­tiert sich als Intel­lek­tu­eller der Neuen Rechten. Er ist nicht nur vom fran­zö­si­schen Kultur­kri­tiker René Girard und des­sen Mimesis-Theorie be­ein­flusst, er ist viel­mehr ein be­ken­nen­der Straussianer. Auf den Philo­sophen Leo Strauss (1899-1973) be­ru­fen sich Gene­ra­tionen der den­ken­den US-ameri­ka­ni­schen Rechten, Neo­cons und Kriegs­trei­ber. Rechts­plato­ni­ker und in der Nach­fol­ge von Carl Schmitt ste­hend, ver­tritt Strauss eine radi­kal anti­auf­kläre­rische Hal­tung. Einer von Thiels be­rühm­tes­ten und am sel­tens­ten ge­le­senen Essays trägt den Titel "The Straussian Moment". Auch wenn Thiel darin, unmittelbar nach 9/11, gegen die Anwendung von Gewalt plädiert, nennt er das Ziel der postmodernen Welt un­miss­ver­ständl­ich: "The peace of the king­dom of God." Der Weg dort­hin ist klar: "Es kann kein wirk­li­ches Über­ein­kom­men mit der Auf­klä­rung ge­ben, denn zu viele ihrer Binsen­weis­heiten haben sich in unserer Zeit als töd­liche Lü­gen er­wiesen."

Neben seiner Tätigkeit bei Thiel Capital agiert Kurz auch als Inves­tor. Eine sei­ner ers­ten Akti­vi­täten war die Grün­dung einer Firma namens "Dream Secu­rity" ge­mein­sam mit dem ehe­ma­li­gen Lei­ter der israe­li­schen Firma NSO, be­rüch­tigt für die Spion­age­soft­ware Pegasus. Ge­schäfts­zweck des Kurz-Unter­nehmens ist "Cyber-Security". Das passt recht gut zu den Akti­vi­tä­ten Thiels, dessen Big-Data-Firma Palantir Techno­lo­gies nicht nur für Hedge-Fonds und Ban­ken ar­bei­tet, son­dern vor allem für das US-Ver­teidi­gungs­minis­terium.

Bei einem Teil der US-amerikanischen Rechten ist das Ver­hältnis zu den Evan­geli­kalen anders als bei Donald Trump nicht nur instru­men­telles Zweck­bünd­nis. Funda­men­ta­lis­mus und Neo­libe­ralis­mus gehen sehr gut zu­sam­men, und Peter Thiel ist da­für ein promi­nen­tes Bei­spiel. Auf funda­men­ta­lere Art wird hier die plat­te öko­no­mi­sche Maxi­me des Fried­rich August von Hayek über­höht, die Wolf­gang Schüs­sel, Kurz' Vor­läufer und Be­rater im Hinter­grund, mit dem Slogan "Mehr privat, weniger Staat" un­über­trof­fen tri­via­li­siert hatte.

Im österreichischen Sandkistenformat erstaunt es nun weniger, dass ein Funda­men­ta­lis­mus-Sympa­thi­sant wie Bern­hard Bonelli, aus­ge­bil­det im Reich Mei-Pochtlers bei Boston Con­sul­ting, das Kabi­nett von Kurz lei­tete. Es nimmt nun weni­ger wunder, dass Natio­nal­rats­prä­si­dent Wolf­gang Sobotka Gebets­stun­den im Par­la­ment ab­hal­ten lässt. Und das evan­geli­ka­le Weihe­spiel von Sebastian Kurz in der Stadt­halle be­kommt einen Sinn.

Das antiaufklärerische Revirement fundamentalistischer Religion ist in Öster­reich mit dem Rück­tritt ver­schie­de­ner von Papst Johannes Paul II. er­nannter Kardi­näle und Bi­schöfe einer moder­neren Kir­che ge­wichen. Aber in Euro­pa kamen zur glei­chen Zeit Re­gimes mit reak­tio­när-kleri­ka­len An­lie­gen auf: Polen und Un­garn mach­ten die "illi­berale Demo­kratie" zum Schlag­wort. Vor allem die Freund­schaft von Kurz zum Orbán-Regime war von An­fang an nicht zu über­sehen.

Die Persona Kurz ist eine Nebelfigur erster Klasse, ein höf­li­cher Rüpel, ver­siert in der Kunst, al­les per­fekt aus­zu­spre­chen und da­hin­ter ganz an­deres zu ver­ber­gen. Nie­mals die Con­te­nance zu ver­lieren und auf schein­bar un­er­schüt­ter­lich net­te Wei­se die Geg­ner gna­den­los mit al­len Mit­teln nieder­zu­machen. Er war nicht nur ein Fabri­kant schö­nen Scheins. Er hat ein Land be­schis­sen, seine ei­gene Par­tei be­schis­sen, die Me­dien, die er mit Staats­knete zu­schiss, die Kir­che, die ihm para­evan­geli­kal hul­digte, das Par­la­ment, das er dis­kre­di­tierte, die Jus­tiz, die er ins­tru­men­ta­li­sierte, die Staats­an­walt­schaft, die er at­ta­ckierte -sie alle sehen den Sauber­mann nun als einen da­stehen, der an­patzte: sich selbst und ein ganzes Land mit ihm

Über den Author:

Armin Thurnher, geboren 1949 in Bregenz, ist Mitbegründer, Chef­redak­teur und Heraus­geber der Wiener Wochen­zeitung FALTER. Er er­hielt zahl­reiche Preise und Aus­zeich­nungen, unter an­derem den Ehren­preis des Öster­rei­chi­schen Buch­handels für Tole­ranz, als erster Nicht-Deut­scher den Otto-Brenner-Preis für seinen Ein­satz für ein so­zia­les Eu­ro­pa und den Bruno-Kreisky-Preis für das poli­ti­sche Buch für sein Lebens­werk. Thurnher ist Autor einer Viel­zahl an Büchern. Im Falter Verlag er­schienen seine poli­ti­schen Kom­men­tare „Seinesgleichen“ und das mit Irena Rosc ver­fasste Koch­buch „Thurnher auf Rezept“. Seine Kolumne „Seines­gleichen ge­schieht“ er­scheint seit 1983 jede Woche im FALTER.

Posted by Wilfried Allé Monday, April 10, 2023 10:32:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 2 Votes

Revanche 

Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat

von Michael Thumann

ISBN: 9783406799358
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 14.03.2023
Preis: € 25,70
Kurzbeschreibung des Verlags:

ARCHIPEL PUTIN - INNENANSICHTEN AUS DEM BEDROHLICHSTEN REGIME DER WELT

Kaum einer kennt Russland besser als Michael Thumann, der seit über 25 Jahren aus Osteuropa für die ZEIT berichtet. Er legt nun ein atemberaubend geschriebenes Buch vor, das Russlands Absturz in eine zunehmend totalitäre Diktatur und den Weg in Putins imperialistischen Krieg aus nächster Nähe nach­zeich­net. Das Motiv des Dik­ta­tors und sei­ner Ge­treuen: Re­van­che zu neh­men für die demo­kra­ti­sche Öff­nung nach 1991 und die ver­meint­liche Demü­ti­gung durch den Wes­ten. Putins Herr­schaft radi­kali­siert sich wei­ter. Es ist das be­droh­li­chste Re­gime der Welt.

"Unter Wladimir Putin verabschiedet sich ­, das ei­gent­lich größte euro­pä­ische Land, aus Eu­ro­pa. Er­neut senkt sich ein Eiser­ner Vor­hang quer durch den Kon­ti­nent. Reise ich in die­ses Land, werde ich am Flug­ha­fen in al­ler Re­gel auf­ge­halten. Der Grenz­beamte hält mei­nen Pass fest und tele­fo­niert lange mit sei­nen Vor­ge­setz­ten. Ein Men­sch im dunk­len An­zug, wahr­schein­lich Ge­heim­dienst, holt mich ab und führt mich in einen Kel­ler­raum. Da­rin ein Schreib­tisch, eine alte Ma­trat­ze mit Sprung­fe­dern, ka­put­te Stühle, Staub in den Ecken. Ich muss Fra­gen be­ant­wor­ten: Wo wohnen sie? Was den­ken sie über die Mili­tär­ope­ra­tion? Was haben sie vor in Russ­land? Ich ant­worte knapp und frage mich selbst: Kom­me ich über­­haupt noch in das Land? Und kom­me ich wie­der he­raus?"
Michael Thumann

Russlands Absturz in die Diktatur und der Weg in Putins im­peria­­li­s­ti­­schen Krieg – in ei­nem fes­­seln­­den Mix aus jour­­na­­lis­ti­scher Re­por­­tage und poli­­ti­sch-his­­to­ri­­scher Ana­­ly­­se
Michael Thumann ist einer der letz­ten deut­schen Kor­­respondenten, die noch in Moskau leben
Das Buch basiert auf zahl­reichen Be­geg­nun­gen und ex­klu­si­ven Ge­sprä­chen mit Pro­ta­go­nis­ten der rus­si­schen Poli­tik und Ge­sell­schaft

FALTER-Rezension

Reisebericht für echte Russlandversteher

Sebastian Kiefer in FALTER 13/2023 vom 31.03.2023 (S. 17)

Westeuropa wiegte sich lange in der süßen Illu­sion, die Welt werde, wenn man nur freund­lich ge­nug bliebe, bald wie Europa wer­den - Krieg würde dann kein Mit­tel der Poli­tik mehr sein, Kon­flik­te über­all per Di­plo­ma­tie und Ver­trag ge­re­gelt, der Se­gen des Freihandels die Men­sch­heit ver­söh­nen. Dass nur der ato­mare Schutz­schild der USA die im­peria­lis­tische Aggres­si­vi­tät der ­begrenzte, unterschlug man gern.
Michael Thumann, langjähriger Moskaukorrespondent der Zeit, ahnte früh, dass Wladimir Putin die europäischen Illusionen zerstören werde. Er traf Putin das erste Mal 1999, als der Krieg in Tschetschenien Putin die Präsidentschaft gesichert hatte. Heute sieht Thumann das tschetschenische Schreckensregime als "Versuchslabor", in dem die Umwandlung Russlands in einen revanchistischen, schrankenlos korrupten Terrorstaat erprobt wurde. .

Seit je bewunderte Putin wie so viele Rus­sen star­ke, ge­walt­be­rei­te Füh­rer, die nach Re­van­che für mehr ge­fühl­te denn reale Krän­kungen der ei­ge­nen Größe dür­sten. In den 2000er-Jah­ren gab sich Putin zu­nächst mit ei­ner "hy­bri­den" Ord­nung aus auto­kra­ti­schen Ele­men­ten, so­zia­len Wohl­ta­ten und re­prä­sen­ta­ti­ven Bau­pro­jek­ten zu­frie­den - die hohen Roh­stoff­pre­ise er­mög­lich­ten pater­na­lis­ti­sche Wohl­stands­illu­sio­nen, wäh­rend die öko­no­mi­sche und zi­vi­le Mo­derni­sie­rung aus­blieb.

Den Umschwung brachte für Thumann der Winter 2011/12: Landes­­weit pro­­tes­­tier­­ten hun­­dert­­tau­­sen­de Rus­­sen ge­­gen die dreist ge­­fälsch­­ten Wah­­len. Putin war fas­­sungs­los. Jetzt erst ent­­deck­te er das Ins­­tru­­ment des von Para­­noia und Krän­­kung dik­­tier­­ten, eth­­nisch ge­­grün­­de­­ten Natio­­na­­lis­mus, um den Zorn des Vol­­kes um­zu­­len­­ken auf ei­­nen Feind, dem man - wie­der ein­­mal - alle Schuld am rus­­si­schen De­­sas­ter zu­­schrieb: dem "Wes­ten", wahl­­weise als Libe­­ra­­li­s­mus, Säku­­lar­is­­mus, Par­la­­men­tarismus, als EU, USA oder Nato zu ver­stehen.
Zu Beginn seiner Amtszeit gab Putin zumindest im Westen vor, Russ­land so umzuwandeln, dass es einmal Teil der westlichen Bündnisse werden könne. Putin hatte nichts dagegen, als unter seinem Freund Kanzler Gerhard Schröder (der sich, zuvor Atheist, Putin zuliebe eigens in der Erlöserkathedrale bekehren ließ) sieben osteuropäische Länder der Nato beitraten, doch seit den Massenprotesten lancierte Putin die Mär von der Bedrohung Russlands durch die Nato -eine propagandistische Bedrohungshalluzination, die Kollektive zusammenschweißt und künftige Angriffskriege als Verteidigungsmaßnahmen rechtfertigen lässt.

Putin setzte bei der Lancierung dieser Legende auf Bündnisse mit Rechts-und Linkspopulisten Europas und allemal auf die Deutschen und ihr gebrochenes Verhältnis zur angelsächsischen Liberalität. Thumann erinnert daran, wie überraschend stark hier alte geostrategische und kulturelle Identitätskonstruktionen Deutschlands reproduziert wurden: Im Vertrag von Rapallo 1922 ging die junge Weimarer Republik, verführt vom hyperkonservativen Diplomaten Adolf Georg Otto "Ago" von Maltzan, ein antiwestliches Bündnis mit den Bolschewiki ein.

So durchbrachen sie ihre internationale Isolation. Das Ergebnis: "Deutsche Technik ging nach Russland, zurück floss russisches Öl": "deutsche Linke und Konservative [feierten] Rapallo als Triumph über den liberal-kapitalistischen Westen".

Putins nationalistische Wende ist für Thumann Teil des globalen Phänomens des "Neuen Nationalismus", dem er 2020 ein eigenes, lesenswertes Buch widmete: Viktor Orbán, Erdoğan, sogar Donald Trump waren ursprünglich liberale Geister und wurden nicht aus gewachsener Überzeugung, sondern aus zynischem Machtkalkül zu Nationalisten. Sie bedienen sich alter, antiliberaler Rhetoriken, um kollektive Energien zur Verteidigung verlorener nationaler Größe zu mobilisieren und zu kanalisieren - doch letztlich glauben sie nur an eine einzige Sache: an ihr zwischen Größenwahn, Kränkung und Aggressivität schwankendes Ego. Über die Kontrolle der Massenmedien implantieren sie ihre hoch emotionalisierten, von rohem Freund-Feind-Denken strukturierten Ersatzrealitäten in die Gehirne ihrer Anhänger.

In eingestreuten Reportageminiaturen führt Thumann vor, wie bestürzend distanzlos sogar gebildete Russen die propagandistisch erzeugten, massenmedial verbreiteten Ersatzrealitäten internalisierten. Thumann führt uns auch ins Jelzin-Museum in Jekaterinenburg. Jelzin ist für Thumann der tragische Antiheld und als solcher ein Symbol Russlands schlechthin: Groß an Mut und Herz, schwach in Organisation und Zukunftsgestaltung stieß er das Tor zur Freiheit und Moderne auf, dann kollabierte er, in Korruption und Alkohol versinkend, und gab Russland erschöpft in die Hände des (Ex-)Geheimdienstlers und Autokratenanbeters.

Thumann lehrt, was es für einen rationalen Weltbürger heißt, ein wahrer "Russlandversteher" zu sein: Ein solcher verfällt weder in Opfer-Täter-Ideologien noch in pauschale Dämonisierungen. Er macht im Wechsel von einfühlender Teilnahme und historisch reflektierender Außensicht verständlich, was so schwer zu begreifen ist: weshalb alle unter Jelzin gehegten Hoffnungen auf eine friedliche Demokratisierung und Modernisierung Russlands implodierten und aus Russland neuerlich ein imperialistischer Führer-und Terrorstaat werden konnte.

Es wäre nicht möglich gewesen, wenn die Westeuropäer nicht im Wachtraum von einer globalen Handels-und Friedensordnung ohne Despoten und Revanchisten gefangen gewesen wären.

Posted by Wilfried Allé Thursday, March 30, 2023 9:53:00 PM Categories: Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
Rate this Content 1 Votes

günstige intelligenz 

hybride poetik und poetologie

von Jörg Piringer

ISBN: 9783854156505
Verlag: Ritter Klagenfurt
Format: Buch
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Umfang: 208 Seiten
Erscheinungsdatum: 13.10.2022
Preis: € 27,00
Kurzbeschreibung des Verlags:

Jörg Piringer investierte 5,60 Euro in einen Online-Dienst, um die Leistungs­fähig­keit des neuro­nalen Netz­werks gene­ra­tive pre­trained trans­former (GPT in der Ver­sion Nr. 3) mit di­ver­sen Schreib­auf­trägen zu tes­ten. Die Er­geb­nis­se die­ses wohl­feilen Ex­peri­ments doku­men­tiert der vor­lie­gende Band. Ge­dichte nach be­stimmten Vor­gaben oder ein gan­zer Kata­log von Trans­for­ma­tionen eines vor­ge­ge­be­nen Ge­dichts in einen Ge­setze­stext, ein Gebet, einen Wiki­pae­dia-Ar­tikel, in einen Glücks­keks­spruch oder einen Donald-Trump-Tweet be­zeu­gen die Stil­sicher­heit der Künst­lichen Intel­li­genz, die Piringer auch einem Intelli­genz­test (Sprach­kom­pe­tenz­auf­gaben) unter­zieht, bei dem diese aller­dings mit einem unter­durch­schnitt­lichen Er­geb­nis ab­schneidet. Piringer setzt die von GPT-3 er­stell­ten Poesie-Doku­mente in Be­zie­hungen zu his­to­ri­schen, ana­logen Kombi­na­to­ri­ken oder den Her­vor­brin­gungen von Schizo­phrenen und macht Dif­ferenz­kri­terien sicht­bar zwi­schen „ins­pi­rier­ter“ Pro­duk­tion ge­gen­über jener der Pro­gramm­rou­tine, der die Fähig­keit, „Wort­witz“ und se­man­ti­sche Dop­pel­bö­dig­keit zu „ver­ar­beiten“, voll­ends fehlt.
Vorzüge des nicht computerunterstützten Schreibens bringt Piringer umso be­herz­ter in sei­nen genu­inen Ge­dich­ten wie dich­te­risch-essay­is­tischen Re­flexi­onen zur Gel­tung: Mit la­ko­ni­schen Poin­ten be­spricht er die Insel­be­gabung der Ma­schine, Pro­bleme des im­men­sen tech­ni­schen und öko­no­mi­schen Auf­wands beim Trai­nieren von Neuro­na­len Netz­wer­ken so­wie der Defi­ni­tions­macht in Bezug auf Al­go­rithmen und nicht zu­letzt die tief­grei­fen­den so­zi­alen Im­pli­ka­tio­nen der KI-Poe­sie für den Autor als Re­dak­teur und „Maus­klicker“.
Jörg Piringers günstige intelligenz ist ein geist­reicher und unter­halt­samer Zwi­schen­be­richt über den Stand com­puter­fabri­zier­ter Dich­tung heute, die in punkto äs­the­ti­sche Kom­plexi­tät und Inno­va­tion so­wie in­halt­liche Subs­tanz der human­gene­rier­ten Lite­ra­tur nach wie vor – in durch­aus be­ruhi­gen­dem Ab­stand – hinter­her­hinkt.

FALTER-Rezension

Dominika Meindl in FALTER 8/2023 vom 24.02.2023 (S. 32)

Bots spuckten früher unfreiwillig komische Texte aus. Dann fuhr ChatGPT wie ein Sturm ins Feuil­leton. Schon zuvor hat der Wiener Daten­poet Jörg Piringer sein lite­ra­ri­sches Spiel mit künst­li­cher Intelli­genz ver­öffent­licht. Für 5,60 Dollar kaufte er sich eine frühe Ver­sion des Chat­bots. Er füt­ter­te ihn mit der An­wei­sung, ein Ge­dicht im Stil Trumps, Handkes oder eines Glücks­keks­spruchs zu schrei­ben. Die Er­geb­nis­se sind oft er­schreckend ge­lungen.

Sein Buch stellt große Fragen nach Autorschaft, Kreativität, Bewusst­sein und Macht. Denn welche Kon­zerne trai­nieren die Pro­gram­me? Der Autor hat 2020 die Jury des Bach­mann-Wett­be­werbs mit der Frage ver­un­sichert, ob nicht eine künst­liche Intelli­genz Ver­fas­serin sei­nes Bei­trags sei. Wüsste eine KI-Re­zen­sion Pirin­gers Witz und Sprach­ver­ständ­nis wohl zu würdigen?

Posted by Wilfried Allé Tuesday, March 21, 2023 9:12:00 AM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Rate this Content 0 Votes

Frühling 

Die Jahreszeiten-Kochschule

von Richard Rauch, Katharina Seiser

ISBN: 9783710600371
Verlag: Brandstätter Verlag
Format: Hardcover
Genre: Ratgeber/Essen, Trinken/Themenkochbücher
Umfang: 248 Seiten
Erscheinungsdatum: 05.02.2018
Fotograf: Joerg Lehmann
Preis: € 34,90
Kurzbeschreibung des Verlags:

Knackiger Salat & Wildkräuter, Rhabarber, Kirschen & Blüten, festliche Mehl­spei­sen, Huhn, Eier und köst­liche Bra­ten für die Oster­zeit: Im Früh­ling ist die Vor­freude groß und der Höhe­punkt, der erste Spar­gel, nicht mehr weit! Basis ist die öster­reichi­sche Küche, von Lieb­lings-Klas­si­kern bis zu krea­ti­ven Weiter­ent­wick­lungen. So ein­fach war sai­so­nal kochen noch nie! Wie in den ers­ten drei Bän­den be­währt, zeigt der vierte Band der Jahres­zeiten-Koch­schule, wie man aus dem Bes­ten, was uns der Früh­ling schenkt, köst­li­che Mahl­zei­ten zu­be­rei­tet – Freude am Kochen und Er­folgs­er­leb­nis­se in­klu­diert. Jeder Band ist eigen­stän­dig, die Reihe eig­net sich ideal zum Sam­meln und Ver­schen­ken. Viele Tipps, Tricks und waren­kund­liche In­for­ma­ti­onen run­den den Band ab. Das per­fekte Ge­schenk für alle Koch- und Ge­nuss-Be­geis­ter­ten!
 

FALTER-Rezension:

Süßes, Schnelles, Gesundes, Gewichtiges

Armin Thurnher in FALTER 11/2018 vom 16.03.2018 (S. 47)

Wie läuft der Kochbuchhase dieses Ostern? Viele Haken schlägt er nicht. Ich kann nur eine domi­nante Haupt­rich­tung er­ken­nen: schnell. Das will ich nicht ge­ring­schät­zen. Etwas Gutes und Ein­faches zu kochen ist meis­tens mehr zu empfeh­len, als sich ohne techni­sche Vor­aus­set­zungen an irgend­wel­chen Sonn­tags­krea­tionen ab­zu­arbei­ten.
Vielleicht kann man sagen, jetzt, da es die Haus­frau nur mehr in der Phan­ta­sie auto­ri­tärer Regie­rungs­par­teien gibt, kehrt die alte Haus­frauen­küche in schicker Ge­stalt wie­der zu­rück und tut so, als richte sie sich haupt­säch­lich an flot­te Jung­ge­sel­len.
Klassische Kochbücher gibt es in jeder Saison. Manch­mal ist auch ein Werk da­bei, wel­ches das hier nicht un­gern ge­brauchte, aber sel­ten an­ge­wandte Prä­di­kat „monu­men­tal“ ver­dient. Wie viele Bü­cher über Wie­ner Küche gibt es, die einan­der mehr oder weniger glei­chen? All­zu viele. Ingrid Has­lin­gers Die Wie­ner Kü­che ist anders. Has­lin­ger hat ein um­fas­sen­des Werk vor­ge­legt. Wie die Wie­ner Kü­che ent­stand (als Misch­ku­lanz), wie sie sich ent­wickelte, wie sie ihrer­seits wirkte. Und na­tür­lich, wie we­nig in Wahr­heit, allen Re­nais­sancen zum Trotz, von ihr übrig ist. Die Re­nais­sance des ge­koch­ten Rind­fleischs ist er­freu­lich, aber vari­anten­arm aus­ge­fal­len. Und „wo gibt es noch Sar­del­len-, Zwievbel-, Knob­lauch-, Gur­ken- oder Sau­er­ampfer­soß? Man be­kommt sie eben­so­wenig wie Stürz­erd­äpfel, Para­deis­erd­äpfel, Majo­ran­erd­äpfel etc.“. Außer solchen lässt dieses Buch nicht viele Fragen of­fen. Die (his­to­ri­schen) Re­zepte sind darin am wenigsten wich­tig, aber auch sie gibt es.

Lisa Nieschlag und Lars Wentrup lie­fern ein Buch aus an­de­rem Holz: New York, ­Capi­tal of Food. Hier geht es um Ak­tu­a­li­tät, hier ist man am Puls der Zeit. Nette jun­ge Men­schen spa­zie­ren durch eine son­nige Groß­stadt und pick­nicken im Cen­tral Park vor der Sil­hou­ette freund­licher Hoch­häuser. Da­zu gibt es das Spek­trum des in New York ge­ges­se­nen Es­sens, von Pas­tra­mi-Sand­wich bis Chicken à la King; manch­mal wäre man froh über die eine oder an­dere Er­klä­rung mehr und das eine oder an­dere lite­ra­ri­sche Ein­spreng­sel we­ni­ger. Wer New York als die raue, wilde und bit­tere Haupt­stadt des 20. Jahr­hun­derts liebt, dem ist die­ses Buch viel­eicht zu lieb­lich.
Entlang der Küste von Lucio Galletto und David Dale hebt mit histo­ri­schen Sätzen nach die­sem Muster an: „Die Inne­reien der Fische sam­melten sie (die Grie­chen) und mach­ten da­aus eine Sauce, die sich auch bei den Rö­mern, die 300 Jahre spä­ter dort lan­de­ten, größter Be­liebt­heit er­freute.“ Tja, 300 Jahre alte Sau­cen kön­nen ihren ei­ge­nen Charme ent­fal­ten. Aber das Buch hat schö­ne Fo­tos und gute Re­zep­te. Es wid­met sich Ge­rich­ten drei­er be­nach­bar­er Oliveröl­regio­nen: Kata­lo­nien, Prov­ence, Li­gurien. Und es prä­sen­tiert seine Re­zepte seriös und an­regend, mit schönen Varia­tio­nen, etwa der Bourride, einer Fisch­suppe aus weißen Fischen mit Aioli, oder der Pis­sa­laderia mit Sar­del­len und Zwie­beln.

Ein prunkvolles Kochbuch hat die Besatzung des Wiener Restau­rants Melo­grano in der Blumen­stock­gasse im 1. Bezirk heraus­ge­bracht. Autor Roberto d’Atri setzt seiner Gastro­nomen­fami­lie ein üppi­ges Fami­lien­denkmal; wir finden darin Wer­bung für das fami­lien­eigene Lo­kal, aber auch es­sen­ziel­le itali­eni­sche Re­zepte.
Hugh Fearnley-Whittingstall – der Name wird alle Freun­dinnen vege­tari­schen Kochens auf­horchen las­sen. Zu Recht! Der eng­lische Food­jour­na­list und Kult­koch bringt schon wieder 200 vege­ta­ri­sche Ge­richte, die ein­fach nach­zu­kochen sind und auf die man trotz­dem sel­ber nicht ge­kom­men wäre. Außer­dem macht er’s uns vegan, er ver­zich­tet fast ganz auf Käse, But­ter, Rahm, Eier, raf­fi­nier­ten Zucker und viele Kohlen­hy­drate – ein Tri­but an die zu­neh­mende Zahl der Aller­giker, aber auch an öko­lo­gisch kor­rekte Er­näh­rung. Fearnley-Whitting­stall ist immer eine Bank.
Katharina Seiser und Richard Rauch haben ihre Jahres­zeiten-Koch­schule mit dem Kapi­tel Früh­ling voll­endet. Der Ver­lag hat damit ein Kom­pen­dium zeit­ge­mäßer Haus­manns­kost (darf man das noch sagen?) ab­ge­schlos­sen, in dem sich Dinge wie Kalbs­nieren­braten (einer meiner All-Time-Favo­rites) und Schnit­zel eben­so fin­den wie ge­schmor­tes Milch­ziegen­kitz mit Fen­chel, Süß­kar­tof­feln und Sumach. Dass auch Mai­wipferl­sirup und ein­ge­legte Nüsse vor­kom­men, spricht eben­so für das Buch wie die Aus­wahl zu Ostern und die An­regung, Blät­ter­teig bei Creme­schnit­ten selbst zu machen oder wenigs­tens frisch zu ver­wenden.

In der folgenden Abteilung muss es schnell gehen. Sandra Schumann: Speed Cooking; die Koch­schule von Katha­rina Siere und Su­san­ne Boden­steiner: Feier­abend­food; Jan-Philipp Cleusters: Kochen für Faul­tiere; Ale­xander Herr­mann: Schnell mal was Gutes sind in auf­stei­gen­der Weise kom­plex, wenn auch alle nicht nur um Schnellig­keit, son­dern auch ums Kochen be­müht sind. Ge­schwin­dig­keit oder Geist – manch­mal müs­sen sie nicht ein­mal Wider­sprü­che sein. Aber wirk­lich ge­kocht wird dann doch erst bei Herr­mann und Cleusters. Da­für braucht man, horri­bile dictu, doch et­was Zeit. Ei­lige Es­ser fin­den An­re­gun­gen auch in den bei­den an­deren Bü­chern.

Wo Ottolenghi draufsteht, greift der Fan sowieso zu. Ottolenghi wurde mit seinen Riesen­baisers be­rühmt, später mit seiner ge­sunden, modern-orien­ta­li­schen Kü­che. Dass er nun mit sei­nem ge­mein­sam mit Helen Goh ver­fassten Süß­speisen­buch Sweet gegen Gesund­heits­vor­schriften ver­stößt, weiß er und macht es zum Thema. Aber, ver­dammt noch mal, wenn es so gut schmeckt, dann ver­län­gert das Wohl­gefühl das Leben um exakt jene Frist, um die sie der Zucker ver­kürzt (wie ameri­ka­ni­sche Stu­dien ge­zeigt haben oder noch zei­gen wer­den). Die Fotos und die Re­zepte geben im übri­gen den Fans recht. Ich bin auch einer.
Der Wiener Jürgen Vsetecka leitet die Back­ab­tei­lung bei Meinl am Graben. Sein Buch heißt Süßes vom Chief of Sugar, weil er unter die­sem Titel für das Gusto-Juniorinnen-Maga­zin Lola schreibt. Vsetecka lernte unter anderem in der Kur­kon­di­to­rei Ober­laa, nicht der schlech­tes­ten Adres­se. Sein klei­nes, aber feines süßes Koch­buch er­freut mit ori­gi­nel­len Tar­te­lettes (Mispel-Gänse­blümchen), guten Ideen für Schnit­ten und Ku­chen (Gra­nat­apfel­schnit­ten), diver­sen Baiser­varia­ti­onen und fei­nen Creme­­ideen (Quit­ten­creme mit Zitro­nen­melis­sen-Pesto).
Warum Eva Fischers Buch Pizza hier, in der Ab­tei­lung Süßes lan­det, ist leicht er­klärt. Ihr ori­gi­nel­ler Ab­satz lau­tet: Alles, was be­legt werden kann, ist eine Pizza. Gut, vom Butter­brot nimmt sie Ab­stand, aber sonst findet aller­lei Be­leg­tes Auf­nahme in ihr durch­aus lesens­wer­tes Werk, an dem nur etwas zu viel Hygge stört, das da­für aber mit An­re­gun­gen wie jener für einen Blumen­kohl­teig ent­schä­digt. Manche von Fischers „süßen Pizzen“ sind halt ein­fach, ohne Wohl­fühl­brille be­trachtet, nur Kuchen.
Um das zu erkennen, würden wir Ashley Bloms ori­gi­nel­les Büch­lein Und wie soll man das Es­sen? nicht brauchen. Es bie­tet wit­zige An­lei­tung von Hummer­knacken bis Mango­schälen. Der Mandel­baum Ver­lag er­freut uns wieder durch zwei seiner ele­gant-schlich­ten Mono­gra­fien: Tat­jana Y. Silla:­ ­Basi­li­kum und Margot Fischer: Weichsel Sauerkirsche.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

Pizza ohne Reue - Gesund & einfach

Süßes vom Chief of Sugar - Fruchtige Ver­führungen

Entlang der Küste - Die Küche des Mittel­meeres

Und wie soll man das essen?

New York - Capital of Food - Rezepte und Ge­schichten

Viel mehr vegetarisch! - 200 neue Rezepte aus dem River Cottage

Die Wiener Küche - Kultur­geschichte und Rezepte

Weichsel/Sauerkirsche

Basilikum

Kochen für Faultiere - In 8 Minuten gesund und frisch gekocht

Feierabendfood - 70 After-work-Rezepte zum Runter­kommen – von Vorrats-Quickies bis Luxus-Soulfood

Schnell mal was Gutes - Rezepte für den Feier­abend

SWEET - Süße Köst­lich­keiten

Posted by Wilfried Allé Sunday, March 19, 2023 9:59:00 PM Categories: Ratgeber/Essen Trinken/Themenkochbücher
Rate this Content 0 Votes

Wien - Eine Stadt im Lockdown 

Erleben Sie Wien als Geisterstadt, gezeichnet durch den Lock­down, an­hand von mehr als 100 be­ein­drucken­den Auf­nahmen in diesem Bild­band, den man als Zeit­doku­ment be­zeich­nen kann.

von Peter Haselroida

ISBN: 9783991250609
Verlag: Buchschmiede
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Geschichte/Biographien, Autobiographien
Umfang: 130 Seiten
Erscheinungsdatum: 04.10.2022
Preis: € 29,90
Kurzbeschreibung des Verlags:

Den 16.3.2020 werden die Wiener immer in Er­­inne­­rung be­­hal­­ten. An die­­sem Tag tritt zum ers­­ten Mal in der Ge­­schichte unse­res Lan­des ein von der Bun­des­­re­­gie­­rung an­­ge­­ord­­ne­ter Lock­­down in Kraft, um die Aus­­brei­­tung des COVID-19 Vi­­rus ein­zu­­däm­men und da­­durch eine Über­­las­­tung der In­­ten­­siv­­sta­ti­­onen in un­seren Kran­­ken­­häu­­sern zu ver­mei­den.

Vor diesem Tag war es für uns nicht vor­­stell­­bar wo­chen­lang in einer „Geis­ter­­­stadt“ zu le­ben, un­se­­re Liebs­­ten nicht tref­­fen und un­se­­rem ge­­re­gel­­ten Le­ben nicht mehr nach­­zu­ge­hen zu kön­nen.

Die Wiener folgten den neuen Ver­ord­nun­gen, denn nie­mand wus­ste Nä­he­res über die­ses neu­ar­ti­ge Vi­rus, Pfle­ge­kräf­te als auch die Poli­zei und die Sys­tem­er­hal­ter wur­den be­klatscht und be­ju­belt. Abends saßen Musi­ker an ihrem Fens­ter, auf ihrem Bal­kon oder in ihrem Gar­ten und ver­an­stal­te­ten Gratis­kon­zerte. Die Poli­zei spielte „I am from Aus­tria“ über die Laut­spre­cher der Ein­satz­fahr­zeuge, die Wie­ner hiel­ten zu­sam­men und mach­ten es sich zu­hau­se so ge­müt­lich es ging. Viele waren im Home­of­fice, die Schu­len waren ge­schlos­sen und vie­le El­tern küm­mer­ten sich zu­hause um Ihre Kinder.

Alle hofften auf eine baldige Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät.

Die Fotos in diesem Bildband sind Zeit­do­ku­mente die uns blei­bend eine Rea­li­tät vor Au­gen hal­ten, wie wir sie nicht für mög­lich hiel­ten.

Posted by Wilfried Allé Sunday, March 12, 2023 10:35:00 PM Categories: Autobiographien Sachbücher/Geschichte
Rate this Content 0 Votes

Klassenkampf von oben 

Angriffspunkte, Hintergründe und rhetorische Tricks

von Natascha Strobl , Michael Mazohl

Reihe: Varia
ISBN: 9783990464649
Verlag: ÖGB Verlag
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 268 Seiten
Erscheinungsdatum: 11.11.2022
Preis: € 29,90
Kurzbeschreibung des Verlags:

Klassenkampf findet statt. Während der Klassenkampf von unten mit Streiks und lauten Protestformen ausgetragen wird, findet der Klassenkampf von oben leise im Verborgenen statt. Den Klassenkampf von oben führen die wirtschaftlich Mächtigen, die aufgrund ihrer Vermögen und Einflussbereiche dazu in der Lage sind, gesellschaftliche Entwicklungen zu ihren Gunsten zu ändern – gegen die Interessen und auf Kosten der Vielen. Anhand der Themen Arbeitszeit, Arbeitslosigkeit, Armut, Bildung, Einkommen, Gesundheit, Klima, Wohnen, Pensionen und Reichtum zeigt das Buch auf, an welchen Angriffspunkten sich die Verteilungskämpfe zwischen oben und unten entscheiden. Das Autor:innenteam stellt wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Zielen, Zusammenhängen und Hintergründen des Klassenkampfs die rhetorischen Tricks und kommunikativen Strategien von oben gegenüber.

Kommentar von Isolde Charim, Philosophin und Publizistin

Klassenkampf von oben, Wiener Zeitung ->

Posted by Wilfried Allé Monday, February 20, 2023 11:40:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
Rate this Content 2 Votes

Klimarassismus 

Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende | Wie Rechtsaußenparteien den Klimawandel für sich nutzen

von Matthias Quent , Christoph Richter , Axel Salheiser

ISBN: 9783492063999
Verlag: Piper
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 01.09.2022
Ausgabe: 1. Auflage
Preis: € 20,60
Kurzbeschreibung des Verlags:

Klima und Demokratie gehören zusammen
Weltweit blockieren rechte Parteien und Netz­werke ef­fek­ti­ven Klima­schutz. Das ist kein Zu­fall: Denn die Haupt­ver­ant­wor­tung für den Klima­wan­del trägt der rei­che glo­ba­le Nor­den, aber sei­ne Opfer sind vor allem ohne­hin be­nach­tei­lig­te Men­schen – hier­zu­lande und im glo­ba­len Sü­den. Weiße Vor­herr­schaft, ex­tre­me Un­gleich­heit und die Aus­beu­tung von Men­schen und der Um­welt ge­hen Hand in Hand. Um Klima­ras­sis­mus und -klas­sis­mus zu ver­schlei­ern, leug­nen viele, dass die Erd­er­hit­zung über­haupt ein Pro­blem ist.

Wie Rechtsaußenparteien den Klima­wandel für sich nutzen

Dieses Buch zeigt, wo die mas­si­ven po­li­ti­schen Ge­fahren des Rück­schlags ge­gen den grü­nen Um­bau lie­gen, mit wel­chen Netz­wer­ken und Ar­gu­men­ta­tions­wei­sen die Rech­ten die Zu­kunft an­grei­fen, was das mit unse­rem All­tag und dem herr­schen­den Sys­tem zu tun hat und was wir für Klima und Ge­rech­tig­keit tun kön­nen.

Mit klaren Argumentations- und Handlungs­vor­schlä­gen

Rezensionen:

socialnet.de
„Es ist ein lesenswertes und engagiertes Buch, das Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser vor­ge­legt haben.

antifa
„Unbedingte Leseempfehlung für alle, die ver­ständ­liche und gut les­bar Ar­gu­mente brau­chen, wa­rum der Kampf für Klima­ge­rech­tig­keit und gegen ex­trem rechte Ideo­lo­gie Hand in Hand gehen müs­sen, um eine lebens­werte Zu­kunft für alle zu ge­stal­ten.“

hpd.de
„Gut verständliches Sach­buch. Es lie­fert viele auf­klä­re­ri­sche Bot­schaften.“

Posted by Wilfried Allé Thursday, February 16, 2023 6:32:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
Rate this Content 1 Votes

Superyachten 

Luxus und Stille im Kapitalozän

von Grégory Salle

ISBN: 9783518127902
Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 170 Seiten
Erscheinungsdatum: 20.11.2022
Übersetzung: Ulrike Bischoff
Reihe: edition suhrkamp
Ausgabe: Deutsche Erstausgabe
Preis: € 16,50

Kurzbeschreibung des Verlags:

Abramowitsch hat eine, der Emir von Abu Dhabi auch, Jeff Bezos so­wieso: Super­yachten sind Aus­weis der Zu­ge­hörig­keit zum Club der lucky few. Sie er­mög­li­chen gren­zen­lose Mo­bi­li­tät und ex­klu­si­ven Gel­tungs­kon­sum. Zu­gleich sind sie schwim­mende Um­welt­sün­den. Sie ver­bren­nen Un­men­gen Treib­stoff, ihre An­ker zer­stö­ren kost­bare Flora. Und sie sind Spiel­fel­der obs­zö­ner Un­gleich­heit: Wäh­rend ihre Be­sit­zer zu den ein­fluss­reichs­ten Men­schen der Welt ge­hö­ren, ist das Bord­per­so­nal oft Will­kür und Recht­lo­sig­keit aus­ge­lie­fert.
Grégory Salle sieht in den riesigen Luxus­schif­fen den Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis des ge­gen­wär­ti­gen Ka­pi­ta­lis­mus. In sei­nem ful­mi­nan­ten Essay zeigt er, dass Super­yach­ten nicht ein­fach Sym­bole des Ex­zes­ses sind. Viel­mehr sind sie Sym­bole da­für, dass der Ex­zess zum Kenn­zei­chen un­se­res Zeit­al­ters ge­worden ist.

FALTER-Rezension
Der Wille zur Yacht

Gerade waren sie noch reich und schön, jetzt kotzen sie sich die Seele aus dem Leib. Da nüt­zen kein Gucci und kein Maha­goni, hel­fen keine Bril­lan­ten und keine Kris­tall­lus­ter, denn Luxus be­sänf­tigt Magen­säfte nicht. Der Film "Triangle of Sadness" schickt die Gäste einer Yacht mit ver­dor­be­nen Aus­tern und Sturm auf einen wah­ren Höl­len­trip.
Während das Schiff schwankt und Ladys im Er­bro­che­nen lie­gen, be­trinkt sich der Kapi­tän mit einem Geld­sack. An­stel­le von Trink­sprü­chen le­sen sie sich Zi­ta­te vor. "Sozia­lis­mus funk­tio­niert nur im Him­mel, wo sie ihn nicht brau­chen, und in der Höl­le, wo sie ihn schon ha­ben", gibt der reiche Russe US-Prä­si­dent Ro­nald Reagan zum Bes­ten. "Der letzte Kapi­ta­list, den wir hän­gen, wird der sein, der uns den Strick ver­kauft hat", kon­tert sein Sauf­kum­pan mit Karl Marx.

Welcher andere Ort könnte sich besser für Ruben Östlunds Up­per­class-Sa­tire eig­nen als eine Luxus­yacht? Schon der rea­le Dreh­ort hat Gla­mour: Die "Chris­tina O" ge­hör­te einst dem Reeder Aris­to­te­les Onas­sis. 1948 er­warb der Lieb­haber der Opern­diva Maria Callas und Ehe­mann von Jackie Kennedy güns­tig ein Kriegs­schiff, das vier Jahre zu­vor noch der Offen­sive der Alli­ier­ten in der Nor­man­die diente.

Für den Umbau berappte der Grieche mehrere Mil­li­onen, dann lud er VIPs wie Wins­ton Chur­chill oder die Schau­spie­lerin Grace Kelly an Bord ein. Als Hot Spot galt "Ari's Bar", deren Hocker Onas­sis mit Leder aus der Vor­haut von Walen hatte über­zie­hen las­sen. "Sie sitzen auf dem größten Penis der Welt", raunte der Gast­geber Film­stars wie Greta Garbo zu.

Ob im echten Leben oder in James-Bond-Filmen, Luxus­yachten strö­men über vor Tes­tos­te­ron-ge­trie­be­nen Anek­do­ten aus dem Fach "Die ver­rückten Strei­che der Rei­chen". Etwa jene des Ama­zon-Be­sit­zers Jeff Bezos, des­sen neues XXL-Schi­na­kel 2022 aus ei­ner Rot­ter­da­mer Werft ins of­fene Meer se­geln sollte. Blöder­weise stand eine denk­mal­ge­schütz­te Brücke im Weg von Bezos' Mega-Mas­ten. Dass ein Ab­bau der Brücke auch nur an­ge­dacht wurde, ging um die Welt.

Es gibt aber noch einen anderen Zu­gang zum Phäno­men Luxus­yachten als den von Papa­raz­zi, Boule­vard­presse oder Yachting-Maga­zinen. Bei Suhr­kamp er­schien kürz­lich das Buch "Super­yachten. Luxus und Stil­le im Kapi­talo­zän" des Sozio­logen Grégory Salle. In Es­says zieht der Fran­zose aus dem Boom sünd­teu­rer Pri­va­schiffe die Ge­sell­schafts­di­a­g­no­se, dass Reich­tum das Gehen über das Was­ser er­mög­liche.

"Eine Handvoll Superreicher amüsiert sich auf dem Meer - na und?", hinter­fragt Salle kurz sein wis­sen­schaft­liches Inter­esse, aber das ist nur rhetorisch. Schließlich zeigt er, wie eine neofeudale Kaste das Meer verpestet und mit ihren Ankern maritime Flora zerstört. Der öffentlichen Hand lassen die Milliardäre keinen Cent, kreuzen sie doch unter den Flaggen von Steuerparadiesen wie Malta oder den Cayman Islands. Mittels Lobbyismus befreien sich ihre Eigentümer von juristischen Einschränkungen, Grenzen moralischer Natur sind längst weggespült

Als Yacht gilt ein Boot ab zehn Metern, ab 25 Metern fin­gen einst die Luxus­yachten an, heute liegt die­se Kate­go­rie bei 40 Metern. Fast alle wer­den in Ita­lien, Deutsch­land und den Nieder­landen ge­baut; sie spie­len alle Stückln, vom glä­ser­nen Pool bis zu Mini-U-Booten als Zu­behör. Frü­here Eli­ten hat­ten ihre Schlös­ser, heute sind es schwimm­ende Pa­läs­te mit Hub­schrau­ber­lande­plätzen.

Es ist symptomatisch für ihre sprung­haften Be­sitzer, dass auch mit vie­len Ex­tras maß­ge­schnei­der­te Ge­fährte rasch wie­der ver­kauft wer­den. Viele die­nen dann als Charter­yachten, so auch Onas­sis' Traum­schiff. Laut Wiki­pe­dia konnte die "Chris­tina O" zu­letzt für 450.000 Dol­lar pro Wo­che ge­mie­tet wer­den. Stars wie Ma­don­na und Johnny Depp, aber auch Prinz Andrew schip­per­ten da­mit durchs Mit­tel­meer.

Preislich ist da noch viel Luft nach oben, wie Pop­star Beyoncé zeigte. Sie genoss ihren letz­ten Bade­ur­laub mit Gatte Jay-Z und Kiddies auf der "Flying Fox" vor Kro­a­tien, Kos­ten­punkt: sie­ben Tage um 1,5 Mil­li­onen Euro. Die wich­tigs­ten Kri­terien für Yacht­be­sitzer wären Größe, Crew und Hyper­mo­bi­li­tät, führt Salle an.

Die mit 180 Metern längste Motoryacht der Welt sieht wie ein klei­nes Kreuz­fahr­tschiff aus. Aber die "Azzam" hat nur Bet­ten für 36 Pas­sa­giere so­wie für 80 Kopf Per­so­nal. Bei ihrer Höchst­ge­schwin­dig­keit von 31 Kno­ten (58 km/h) ver­braucht die­se Giga­yacht sage und schrei­be 13 Ton­nen Die­sel pro Stun­de, kos­tet al­so um die 19.000 Euro. Eine durch­schnitt­liche Super­yacht stößt jähr­lich 7020 Ton­nen CO2 aus.

In einer Zeit, so Salle, "in der sich der Charakter großer Ver­mö­gen in­fol­ge der Fi­nanzia­li­sierung des Kapi­tals ent­materia­li­siert hat", wür­den Super­yachten als hand­fes­tes Sym­bol für ein rie­si­ges Ver­mögen die­nen. Kein Wun­der, dass die Be­hör­den er­freut waren, als sie im Zuge des Ukra­ine-Kriegs eini­ge Mega­yachten rus­si­scher Oli­gar­chen be­schlag­nahmen konnten.

Ein solcher "Fang" war das 600 Millionen Dollar teure Schiff des Mil­liar­därs Andrej Mel­nit­schenko im Hafen von Triest. Der Groß­teil der most-wanted Schif­fe schal­tete je­doch il­le­galer­weise sein GPS-Identi­­aus und düste ab in sicherere Gefilde wie Montenegro, Dubai oder gleich in den Indischen Ozean.

In seinem Buch nennt Salle die Daseinsform auf Superyachten eine "demonstrative Abgeschiedenheit", also das Paradox einer sichtbaren Unsichtbarkeit. Der US-Künstler Jeff Koons spielte darauf bereits 2013 an, als er das Schiff des Industriellen und Kunstsammlers Dakis Joannou gestaltete.

Für die Yacht mit dem selbstironischen Namen "Guilty" wandelte Koons ein Tarnmuster mit dem Namen "Razzle Dazzle" ab. Mit diesen Balken strich die britische Royal Navy im Ersten Weltkrieg ihre Kriegsschiffe zur Täuschung des Gegners an.

Die allerneueste Antwort auf den Wunsch nach spektakulärer Tarnung sind Yachten mit verspiegelter Außenfläche. Dieser Tage wurde die futuristische "Pegasus" gelauncht. Sie trägt Außenpaneele aus dem 3-D-Drucker, die Himmel und Wasser reflektieren. Laut Pressebericht fährt das Spiegelschiff mit superökologischem Antrieb -Greenwashing Ahoi!

Kunst auf dem Wasser ist schon länger ein großes Thema. Ab Beginn der 2000er-Jahre wurden in fast jedem Bericht von der Biennale von Venedig die vor den Giardini ankernden Yachten erwähnt. Auch die Milliardärin Heidi Horten hatte ihre "Carinthia VII" in der Lagune stehen. Der Trend zur Yacht-Kunstmesse hat sich zwar nicht durchgesetzt, aber dafür gibt es mittlerweile konservatorische Beratungsfirmen, die Gemälde und Skulpturen vor dem salzigen Klima schützen helfen.

Zu den wenigen kritischen Arbeiten über Superyachten zählt die Installation "Post-Social Sea", die letztes Jahr im Wiener Künstlerhaus zu sehen war. Die Konzeptkünstlerin Angela Anderson hat darin die 50 weltweit größten Yachten sowie deren Routen recherchiert.

"Bei einem Besuch in Rijeka 2019 sah ich im Hafen die kaputte Yacht des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Tito liegen", erzählt die in Berlin lebende US-Amerikanerin dem Falter ihr Schlüsselerlebnis. Eines Abends leuchteten weiter draußen am Meer eigenartige Lichter. Damals hatte Anderson bereits eine jener Apps auf ihrem Handy, die Schiffe per Satellit lokalisieren.

Der Tracker "Shipfinder" zeigte ihr an, dass es sich um die "Royal Romance" des ukrainischen Oligarchen und Putin-Verbündeten Wiktor Medwedtschuk handelte. "Ich bekam Gänsehaut", erinnert sich Anderson angesichts des mächtigen Auftritts und der potenziellen Nähe des Separatistenführers.

In früheren Arbeiten hat sich die politische Künstlerin mit der Rohstoffindustrie und deren verheerenden Folgen für Mensch und Natur beschäftigt. Dafür besuchte sie Aktivisten in Ecuador, North Dakota und zuletzt in Griechenland. Unweit von Thessaloniki wurde in Skouris eine Goldmine entdeckt, die eine kanadische Firma ausbeuten sollte. Die heftigen Proteste der lokalen Bevölkerung gegen die Umweltzerstörung beeindruckten die wirtschaftsgebeutelte Regierung in Athen kaum.

Seit Anderson die Eigentümer von Megayachten auf ihrem Radar hat, hat sie viel über Briefkastenfirmen gelernt, mit denen Besitzverhältnisse verschleiert werden. Die Künstlerin stieß aber immer wieder auf Namen, die ihr aus den Bergbauindustrien geläufig waren. "Bald fühlte sich jede einzelne Yacht wie die Geschichte eines Verbrechens an", sagt Anderson.

"Post-Social" im Titel von Andersons Installation bezieht sich auf einen Luxusyacht-Hafen in Montenegro, wohin sie für Videoaufnahmen reiste. Im Jahr 2006 erwarben der Moskauer Oligarch Oleg Deripaska, der französische Milliardär Bernard Arnault (Louis Vuitton, Moët &Chandon u.a.), Peter Munk aus dem Goldbergbau und andere Großunternehmer eine ehemalige Marine-Basis in der Bucht von Kotor.

Seither wurde dort eine hochmoderne Tiefwasser-Marina mit 650 Liegeplätzen (ein Viertel davon für Superyachten) errichtet. Sie bietet Sicherheit auf High-Tech-Niveau, liberale Zollvorschriften und steuerfreien Diesel. Luxusyachten können hier wesentlich günstiger liegen als an der Côte d'Azur oder in Portofino.

Überall an der montenegrinischen Küste herrsche im Sommer viel Trubel, schildert Anderson, nur im Luxushafen war es sonderbar still: "Im Supermarkt wird Champagner und Cognac für tausende Euro angeboten." Die Bucht von Kotor gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Wie verträgt sich dieser Status mit der aus dem Boden gestampften Hafenanlage, deren Schiffe das Wasser versauen?

"Superreiche Yachtbesitzer verursachen an einem Sommertag mehr Umweltverschmutzung als die Mehrheit der Menschen in ihrem ganzen Leben, doch die Politiker lassen sie weiterhin ungeschoren davonkommen", empörte sich kürzlich auch ein Vertreter der NGO Transport & Environment darüber. Selbst Megayachten sind vom europäischen Emissionshandel immer noch ausgenommen.

Auch der Soziologe Salle schildert in einem Kapitel, dass Luxusyachten in Frankreich durch eine Reform der Vermögenssteuer 2018 von Abgaben verschont wurden. Die kapitalfreundliche Fiskalpolitik sei nicht zuletzt das Resultat von Lobbyismus in einer immer ungleicheren Gesellschaft.

"Superyachten sind nicht nur an Offshore-Finanzplätzen registriert und legen gern dort an, sondern sie sind selbst schwimmende Steuerparadiese", sagt Salle über Schiffe, die ständig herumkreuzen, um sich nirgends registrieren zu müssen.

In der Not -etwa bei einer Pandemie - drehen Milliardäre den Motorschlüssel um und dem Rest der Welt den Rücken zu. Wenn das nicht zum Kotzen ist.

Nicole Scheyerer in Falter 6/2023 vom 10.02.2023 (S. 36)

Posted by Wilfried Allé Sunday, February 12, 2023 9:03:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 2 Votes
Page 6 of 30 << < 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 > >>

Statistics

  • Entries (291)
  • Comments (5)

Categories